Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber es bleibt noch ein weiter Weg zu gehen. Denn die Inflation hat sich in Österreich im Juni zwar um fast einen Prozentpunkt auf acht Prozent verringert, bleibt damit aber weiterhin auf nur schwer erträglichem Niveau. Verantwortlich für den Rückgang waren Treibstoffe, die im Juni vergleichen mit dem Vorjahr noch günstiger wurden als zuletzt. "Außerdem haben sich die Preisanstiege in der Gastronomie, bei der Haushaltsenergie sowie bei Nahrungsmitteln abgeschwächt“, erklärt Statistik Austria-Generaldirektor Tobias Thomas am Mittwoch. 

Eine Supermarktkassa mit etlichen Produkten auf dem Fließband.
In Deutschland sind Nahrungsmittel deutlich günstiger als hierzulande. Ursachen dafür dürfte es mehrere geben, die Aufteilung des Jahreslohns von Beschäftigten auf 14 Gehälter in Österreich ist aber keine belastbare Begründung.
IMAGO/Martin Wagner

Trotz nachlassenden Preisdrucks bleiben die teuren Lebensmittel hierzulande ein großes Ärgernis. Schließlich müssen besonders einkommensschwache Haushalte einen großen Teil ihres verfügbaren Geldes dafür aufwenden. Denn die gleichen Lebensmittel sind in Österreich um mehr als ein Zehntel teurer als in Deutschland. Die Arbeiterkammer verweist seit Jahren auf diese Diskrepanz. Der Handel begründet dies mit der hierzulande größeren Anzahl an Lebensmitteleinzelhandelsfilialen. Auch Experten sehen das so: In Österreich sei die Dichte an Filialen nicht nur höher, auch die Geschäfte seien kleiner, das treibe daher auch Kosten in die Höhe, in dieser Frage sind sich die meisten einig. Auch der Umstand, dass es hierzulande weniger Diskonter gibt als in Deutschland, dürfte ein Scherflein beitragen.

Funktioniert der Wettbewerb?

Warum die Lebensmittel hierzulande mehr kosten als beim Nachbarn, treibt auch die Bundeswettbewerbsbehörde um. Sie untersucht den Nahrungsmittelsektor – den Handel und die verarbeitenden Betriebe – seit Oktober 2022 und will bis Herbst Antworten gefunden haben. Fragen, die sich die Behörde stellt: ob der Wettbewerb funktioniert und wohin entlang der Wertschöpfungskette – vom Mehl bis zum fertigen Brot – die Preissteigerungen geflossen sind. Zwar geben hierzulande Prospekte und Vergleichsplattformen einen guten Überblick über die Preise, die im Supermarktregal verlangt werden, aber bei den Lieferanten ist noch Luft nach oben. Mittlerweile veröffentlich die AMA die Preise von einigen Produkten, die der Lebensmittelhandel einkauft. Zumindest ein kleiner Puzzlestein im Gefüge der Preisspannen.

Es gibt gute Daten zu Agrargütern, Energiepreisen und Lohnkosten. Letzteres ein Aspekt, den zuletzt der Geschäftsführer des Handelsverbands Rainer Will im ORF-Fernsehen angesprochen hat. Ein Kostenfaktor bei den Lebensmittelpreisen speziell in Österreich sei das 14. Gehalt, sagte er. In Deutschland gebe es nur zwölf Gehälter. Eine gewagte Theorie, der IHS-Experte Sebastian Koch wenig abgewinnen kann. "Ob die Jahreslohnsumme zwölf- oder vierzehnmal – oder von mir aus auch wöchentlich – ausbezahlt wird, ist ökonomisch irrelevant", meint Koch. Er verweist darauf, dass der Arbeitskostenvergleich zeigen würde, dass die Niveaus in Deutschland und Österreich nahezu gleich seien.

Mix an Ursachen

Monika Köppl-Turyna, Direktorin des industrienahen Wirtschaftsforschungsinstituts Eco Austria, fasst den komplexen Mix zusammen, aus dem sich die Lebensmittelpreise errechnen: Neben der Zahl der Filialen eben Gehälter, Lohnnebenkosten, Mieten und nachfrageseitige Komponenten. Die Marktkonzentration gehört für sie in dieses Spektrum ebenfalls dazu – und die Zahlungsbereitschaft der Konsumierenden. Die Anzahl der Gehälter pro Jahr, die Handelsverbands-GF Will ins Treffen führt, "lässt aus unserer Sicht keine aussagekräftigen Rückschlüsse auf die Preisgestaltung zu". Sehr wohl als einen wichtigen Faktor sieht sie die Lohnnebenkosten. Sie seien "mit Sicherheit ein starker Kostentreiber in Österreich. Das kann die Preiseunterschiede – sofern sie in der Jahresbetrachtung höher als in Deutschland sind – zum Teil erklären."

Der Umstand, dass die Lohnnebenkosten hierzulande höher als in Deutschland seien, könne bei den unterschiedlichen Preisniveaus der Lebensmittel eine Rolle spielen, sagt Wifo-Forscher Josef Baumgartner, als generellen Inflationstreiber sieht er das aber nicht. Dennoch, nicht nur Nahrungsmittel sind hierzulande teurer als beim deutschen Nachbarn, auch die Inflation liegt in Österreich seit Monaten beharrlich deutlich über der deutschen. Zum Vergleich: Der Höchstwert lag in Deutschland bei 8,8 Prozent, hierzulande bei 11,2 Prozent. Im Juni ist der Abstand aber auf 1,6 Prozentpunkte geschmolzen, da die Teuerung dort gegen den Trend in der Eurozone angestiegen ist, nämlich von 6,1 auf 6,4 Prozent.

Anstieg in Deutschland

Für den Anstieg in Deutschland sorgt hauptsächlich die Mobilität. Vor einem Jahr wurden dort das befristete Neun-Euro-Ticket sowie der Tankrabatt eingeführt. Da diese Vergünstigungen weggefallen sind, erhöht dies nun die Teuerung – ein genereller Effekt von Preiseingriffen. Zunächst dämpfen sie die Inflationsrate, bei deren Auslaufen treiben sie diese tendenziell wieder nach oben.

Zurück nach Österreich: Trotz des Rückgangs der Inflation im Juni bleibt der Preisdruck hoch. Im Vergleich zum Vormonat hat sich das Preisniveau von Waren und Dienstleistungen im Vergleich zum Vormonat um 0,5 Prozent erhöht, was hochgerechnet auf ein Jahr immer noch einer Teuerungsrate von 6,2 Prozent entsprechen würde. Hat die befürchtete Lohn-Preis-Spirale bereits eingesetzt? Im Jahr 2022 seien besonders im Bausektor, der Energie- und Landwirtschaft die Bruttobetriebsüberschüsse stark gestiegen, sagt Wifo-Experte Baumgartner. Die Preise wurden also stärker erhöht, als dies durch den Kostenanstieg bei den Unternehmen erklärbar gewesen wäre. 2023 dürften, sagt Josef Baumgartner, Gewinne und Löhne in Österreich gleich stark zum Preisauftrieb beitragen. 2024 sollten aus seiner Sicht Löhne der stärkere Faktor sein.

Um die Inflationswelle zu brechen, hat die Europäische Zentralbank nach sechs Jahren Nullzinspolitik innerhalb eines Jahres die Leitzinssätze um vier Prozentpunkte nach oben getrieben. Wahrscheinlich wird die Notenbank am 27. Juli nochmals nachlegen, es wird ein weiterer Zinsschritt um einen Viertelprozentpunkt erwartet. Offen bleibt, ob dies ausreichen wird, um die Teuerung in der Eurozone auf das Zielniveau von zwei Prozent zu drücken. (Regina Bruckner, Alexander Hahn, 19.7.2023)