Die Inflation in Österreich hält sich länger als erwartet auf sehr hohem Niveau, im Juni waren es laut Schnellschätzung der Statistik Austria acht Prozent. Das macht vielen Haushalten schwer zu schaffen. Etwa zwei Drittel geben an, dass ihr Haushaltseinkommen nicht mit der Teuerung Schritt gehalten hat oder sogar gesunken ist, geht aus einer Erhebung des Vergleichsportals Durchblicker hervor. In anderen Worten: Zwei Drittel aller Haushalte beklagen einen Kaufkraftverlust im ersten Halbjahr 2023.

Eine ältere Frau betrachtet nachdenklich die Tiefkühlware in einem Supermarkt.
Neben den Mieten machen auch die gestiegenen Kosten für Lebensmittel vielen Menschen schwer zu schaffen.
IMAGO/Bihlmayerfotografie

Zur Deckung der Lebenshaltungskosten greifen laut Umfrage 34 Prozent auf Erspartes zurück, 17 Prozent überziehen ihr Konto oder nehmen einen Konsumkredit in Anspruch. "Die stark gestiegenen Mieten und Lebensmittelkosten machen immer mehr Haushalten Sorgen", sagt Durchblicker-Experte Martin Spona. Als Folge treten die Menschen bei den Ausgaben auf die Bremse: Gespart wird bei der Gastronomie, Bekleidung und Reisen.

Preise hängen Löhne ab

"Die finanzielle Lage der privaten Haushalte bleibt trotz rückläufiger Inflation angespannt", heißt es auch in einer Analyse des Konsumklimas des Instituts für Handel, Absatz und Marketing der Linzer Johannes-Kepler-Universität. Trotz einer leichten Verbesserung verglichen mit dem Herbst bleibt das Konsumklima hierzulande sehr schwach – auch im Vergleich mit anderen EU-Staaten. Institutsvorstand Christoph Teller führt dies auf die unterschiedlich hohe Inflation zurück. Österreich verzeichnet seit Monaten höhere Teuerungsraten als die gesamte Eurozone.

Denn in Österreich sind die Preise seit 2019 deutlich schneller gestiegen als die Löhne, besonders bei niedrigen Einkommen. Laut einer Auswertung des gewerkschaftsnahen Momentum-Instituts hat sich die Kaufkraft der Mindestlöhne in diesem Zeitraum um 5,1 Prozent verringert und damit den tiefsten Stand seit elf Jahren erreicht. Noch weniger Waren und Dienstleistungen konnten Betroffene zuletzt im Dezember 2012 erwerben.

Inflation vorfinanziert

"Die Preise ziehen seit zwei Jahren den Löhnen davon", sagt Momentum-Ökonom Jakob Sturn. Die Preise seien um etwa ein Drittel stärker angestiegen als die Löhne – trotz höherer Einkommen können sich Arbeitnehmende also weniger darum kaufen. "Die Inflation wurde durch höhere Löhne bisher nicht vollständig abgegolten."

"Die Löhne können so schnell nicht mithalten", erläutert Sturn, "weil sie erst auf Basis der Inflationszahlen des Jahres zuvor erhöht werden." Die Einkommen folgten der Preisentwicklung also mit beträchtlicher zeitlicher Verzögerung, die bis zu eineinhalb Jahre betragen könne. In diesem Zeitraum müssen Arbeitnehmende die Inflation – abgesehen von den Regierungshilfen – gewissermaßen vorfinanzieren. Besonders betroffen seien niedrige Einkommen. "Die Teuerung hat für Beschäftigte am unteren Ende der Lohnskala den Einkommensgewinn eines ganzen Jahrzehnts vernichtet", sagt Sturn. "Ohne eine ordentliche Lohnrunde im Herbst bleiben sie auf dem Großteil ihrer Verluste sitzen." (Alexander Hahn, 11.7.2023)