Der Wohnungsmarkt befindet sich im Umbruch – das zeigt sich auch bei den Baubewilligungen: 2021 wurden österreichweit noch rund 77.000 Wohneinheiten bewilligt, 2022 waren es nur noch 62.600. Und heuer dürften es nur noch 51.400 sein, wie Wolfgang Amann vom Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen am Donnerstag bei einem Pressegespräch vorrechnete. Das sei zu wenig, wenn man den Zuwachs an Haushalten einberechne, stellte der Wohnbauforscher klar. Allein in Wien seien jährlich 17.300 neue Wohnungen nötig, tatsächlich errichtet wurden 2022 aber nur rund 16.000: "Der Wohnbauboom in Wien ist definitiv zu Ende."

Die Baubewilligungszahlen sinken – das dürfte sich auch auf die Wohnungssuche auswirken.
Die Baubewilligungszahlen sinken – das dürfte sich auch auf die Wohnungssuche auswirken.
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Der Rückgang liege an hohen Bau- und Grundstückspreisen, aber auch langen Verfahren, betonten jene sechs Bauträger, die angesichts dieser Situation nun die Initiative "Mehr leistbaren Wohnraum schaffen" ins Leben gerufen und Lösungsvorschläge entwickelt haben. In Wien sei man noch in der Lage, dass die Stadtregierung das Thema Wohnbau ernst nehme. "Aber außerhalb Wiens ist es derzeit nicht möglich, leistbaren Wohnraum umzusetzen", sagte Andreas Weikhart, Obmann der Wien Süd und Sprecher der Initiative. Die Bauträger befürchten, dass durch abnehmende Bautätigkeit und zunehmenden Zuzug in Ballungsräumen die Wohnkosten "explodieren" könnten.

Einsprüche von Anrainern

Die Lösungsvorschläge der Bauträger Arwag, Altmannsdorf-Hetzendorf, EBG, Neues Leben, ÖSW und Wien-Süd: Leistbarer Wohnraum soll – so wie auch große Infrastrukturprojekte – als öffentliches Interesse klassifiziert sowie der Normendschungel abgebaut werden. Baubewilligungsverfahren sollen zudem verkürzt werden, indem man die erste von drei Instanzen beim Bewilligungsverfahren stärkt und baurechtliche und Umweltschutzverfahren gleichzeitig stattfinden. In zweiter oder dritter Instanz soll es nicht mehr zu einem Baustopp kommen können.

Derzeit dauere es vom Kauf eines Grundstückes bis zur Fertigstellung mitunter zehn Jahre oder länger – auch wegen Anrainerinnen und Anrainern, deren Einspruchsrechte, so ein Vorschlag der Initiative, neu gestaltet werden sollen. In der ersten Instanz sollen sie dann Parteistellung haben, sofern sie "konkrete substantiierte Einwände" vorlegen. In zweiter und dritter Instanz sollen Nachbarn zwar noch Beschwerden erheben können – diese sollen sich dann jedoch auf Schadenersatzansprüchen beschränken, um nach erstinstanzlicher Bewilligung mit dem Bau starten zu können. "Lange Verfahren bedeuten hohe Baukosten", sagte Wolfgang Wahlmüller, stellvertretender Generaldirektor des Österreichischen Siedlungswerks (ÖSW). "Und diese Kosten fließen in die Mieten ein."

Auch beim Widmungsprozess will die Initiative ansetzen, indem parallel Ersatz- und Ausgleichsflächen für die Natur geschaffen werden. "Egoismen in Verbindung mit Placebo-Naturschutz" würden viele Projekte auf Jahre verzögen, so Siegfried Igler, Obmann von "Neues Leben". Allerdings solle der Naturschutz nicht gegen den Wohnbau ausgespielt werden.

Familienwohnungen fehlen

Den Bedarf an leistbaren Wohnungen könne man nur durch den geförderten Sektor stemmen, waren sich die Gemeinnützigen einig, weil der freifinanzierte Sektor in den letzten Jahren oft die falschen – weil zu kleinen – Wohnungen gebaut hat und nun die Familienwohnungen am Markt fehlen. Bei den laufenden Verhandlungen zum Finanzausgleich müsse auch über die Wohnbauförderung verhandelt werden, sagte Thomas Drozda, Vorstandsdirektor der Arwag: "Dass man das einnimmt und anderweitig ausgibt, ist nicht im Sinne des Erfinders." Zur Erklärung: Die Zweckwidmung der Wohnbauförderung wurde 2008 abgeschafft, seither werden die Gelder auch für das Stopfen von Löchern im Budget oder Kreisverkehre verwendet – Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte im Frühjahr aber angekündigt, diese Zweckwidmung wiedereinführen zu wollen. (zof, 20.7.2023)