Völlig zu Recht hat es der Bundespräsident den drei größeren Parlamentsparteien in seiner Rede zur Eröffnung der Bregenzer Festspiele reingesagt. Er warnte davor, den politischen Diskurs auf eine gefährliche Ebene zu verschieben – hier die Normalen, dort die "Abnormalen"; hier das "Wir", dort "die anderen".

Setzt auf Schlagworte: Kanzler Karl Nehammer (ÖVP).
APA/Georg Hochmuth

Es ist bemerkenswert, dass seine Warnungen bei denen, die sie angingen, nicht nur verhallten – sondern dass der Bundeskanzler persönlich gleich noch eins draufsetzte. Wie zum Trotz veröffentlichte Karl Nehammer am Freitag ein Video, in dem er noch einmal den Kalauer von den "Normalen", der "schweigenden Mehrheit" bemühte. Die ÖVP hat offenbar endlich ihr Generalthema für den kommenden Wahlkampf gefunden – ohne Bedenken, die Spaltung der Gesellschaft womöglich noch weiter voranzutreiben. Etwa beim Thema Klimaschutz: Unter "Normale" fallen da im Nehammer-Video Jäger und Bauern bei der Arbeit, für "nicht normal" hält der Kanzler junge Klimakleber, die trotz zunehmender menschengemachter Sommerhitze auf den Straßen protestieren.

Bisher war es vor allem die FPÖ, die gern mit solchen Gegensatzpaaren aus dem Anfängerhandbuch für Populisten spielte. Jörg Haider beherrschte das hervorragend, Herbert Kickl kann das auch gut. Die Corona-Pandemie hat Land und Leute fast zerrissen. Kickl hat dazu einen nicht unerheblichen Beitrag geleitet.

Jüngste Wahlerfolge

Die ÖVP unter Nehammer ist offenbar gewillt, einen ähnlich toxischen Weg einzuschlagen. Das Motiv dahinter ist klar: Es gilt, die kommenden Wahlen zu gewinnen – oder zumindest nicht allzu viel zu verlieren. Angesichts jüngster Wahlerfolge links und rechts sucht die ÖVP ihr Heil in der "Mitte der Gesellschaft". Diese ist als politischer Begriff etwas angestaubt – da ist man dann schnell bei den "Normalen", egal, was man damit anrichtet.

Wenn SPÖ-Chef Andreas Babler von "unsere Leut’" spricht, meint er damit vor allem die arbeitenden Massen. Hier die "kleinen Leute" – dort gierige, geldige Unternehmer, Kapitalisten. Dass das die linke Version des "Wir" gegen "die anderen" ist, fällt ihm offenbar nicht auf.

All das ist inhaltlich sehr schlicht. Wie wäre es zur Abwechslung mal mit ernsthafter Sachpolitik?

Die ÖVP könnte erklären, mit welcher Politik sie die Mitte der Gesellschaft überzeugen will. Was tun gegen die wachsende Angst vieler Menschen, finanziell abzustürzen? Wie kann man Sicherheit bieten in einer sich rasend schnell verändernden Welt? Apropos Veränderung: Wie sieht der Bildungsplan für die Wissensgesellschaft von morgen aus?

Dümmliche Schlagworte

Die SPÖ könnte erklären, wie sie die Menschen konkret entlasten will, die unter den galoppierenden Kostensteigerungen ächzen. Wie sie gleichzeitig sicherstellen will, dass der wirtschaftliche Erfolg Österreichs nicht gefährdet wird? Eine staatstragende Partei wie die SPÖ kann sich nicht nur darauf fokussieren, "ihren" Leuten zu helfen – sie muss auch aufs wirtschaftliche Ganze schauen.

Politische Antworten auf hochkomplexe Fragen zu geben ist keineswegs simpel – aber letztlich entscheidend für die Zukunft des Landes.

Statt ernsthafter Politik bekommen die Menschen in Österreich dümmliche Schlagworte vorgesetzt. Vielleicht können Nehammer und Co eine sommerliche Nachdenkpause einlegen, bevor sie die nächsten "griffigen" Slogans rauspfeffern. Das wäre sehr zu empfehlen. (Petra Stuiber, 22.7.2023)