Flammen auf Rhodos
"Das ist kein Feuer, das morgen oder übermorgen vorbei ist", sagte die Feuerwehr auf Rhodos.
AFP/SPYROS BAKALIS

Rhodos – Wegen der schweren Waldbrände auf der Ferieninsel Rhodos sind laut griechischer Regierung seit Samstag 19.000 Menschen aus Dörfern und Hotels in Sicherheit gebracht worden. Das teilte das Büro von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis am Sonntagvormittag mit. Es handle sich um die größte Evakuierungsaktion, die es jemals in Griechenland gegeben habe, hieß es. Viele der Geretteten verbrachten die Nacht zum Sonntag in Notunterkünften wie Schulen und Sporthallen. Andere mussten im Freien übernachten.

Video: „Die Hölle auf Erden“: Rhodos-Rückkehrer berichten von der Flucht aus Brandgebiet
AFP

Am Sonntagabend meldete der griechische Notruf Evakuierungen auch auf der Insel Korfu. Personen, die sich in in den Ortschaften Santa, Megoula, Porta, Palia Perithia und Sinies aufhalten, sollen sich umgehend nach Kasiopi in Sicherheit bringen, heißt es in einer Warnung auf Twitter.

Nach ersten Schätzungen der Polizei seien auf Rhodos 16.000 Menschen auf dem Landweg und 3.000 Menschen von Stränden aus über das Meer in Sicherheit gebracht worden. Vorsorglich seien bisher zwölf Dörfer sowie sämtliche Hotels in den betroffenen Regionen evakuiert worden. Besonders betroffen war die bei Touristen beliebte Region rund um den Ferienort Lindos mit seiner berühmten Akropolis aus dem 4. Jahrhundert.

Viele Menschen flohen aus Hotels, als die Flammenfront die Küstendörfer Kiotari, Gennadi, Pefki, Lindos, Lardos und Kalathos erreichte. Auf der Insel kam es teilweise zu dramatischen Szenen: "Wir gingen um zwei Uhr morgens die Straße entlang, und das Feuer holte uns ein", sagte eine Touristin auf Sky News und fügte an: "Ich hätte nicht gedacht, dass wir es schaffen würden." Die Frau wurde schließlich mit ihrer elfjährigen Tochter in einer Schule im nördlichen Teil der Insel in Sicherheit gebracht.

Österreichisches Außenministerium aktiv

Auch Österreicherinnen und Österreicher sind unter den betroffenen Reisenden, hieß es vom heimischen Außenministerium am Sonntagnachmittag. Nach aktuellem Wissensstand würden sich weniger als 15 Personen noch in Regionen mit akuter Brandgefahr befinden und auf eine Evakuierung warten. "Die österreichische Botschaft in Athen und das Honorarkonsulat in Rhodos stehen mit rund 70 betroffenen Österreicher:innen in Kontakt, die bereits von den griechischen Einsatzteams aus den akuten Brandgebieten evakuiert werden konnten", informierte das Ministerium. Die Lage auf Rhodos bzw. in ganz Griechenland werde mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet, Länderinformationen würden auf der Website laufend aktualisiert. Betroffene Personen können sich jederzeit an das österreichische Außenministerium oder die Botschaft in Athen wenden.

In einem umfunktionierten Sportstadium schlafen und sitzen etliche Touristinnen und Touristen auf Matratzen.
Tausende Urlauberinnen und Urlauber wurden in provisorischen Schlafstellen untergebracht. Im Bild: die Sporthalle Venetiklio in Rhodos.
EPA/DAMIANIDIS LEFTERIS

Auch das britische Außenministerium wurde am Sonntag aktiv. Ein Einsatzteam, bestehend aus fünf Ministeriumsbeamten und vier Mitarbeitern des britischen Roten Kreuzes, seien auf die Insel geschickt worden, um britischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern zu helfen, hieß es in einer Mitteilung.

Der Waldbrand auf der griechischen Insel Rhodos beschädigte auch Hotels.
via REUTERS/EUROKINISSI

Der Reiseanbieter Tui gab auf seiner Homepage bekannt, dass aufgrund der derzeitigen Situation im Südosten von Rhodos "alle Reiseverträge mit Anreise bis zum 25. 7. 2023 nach Rhodos" gekündigt würden. Für alle Anreisen vom 26. bis zum 28. Juli sei eine gebührenfreie Änderung möglich. Die Flugverbindungen blieben aber bestehen, um Gäste zurückzufliegen. Der TUI-Konzern habe insgesamt derzeit etwa 39.000 Gäste auf Rhodos, 7.800 von ihnen seien laut einer Sprecherin vom Feuer betroffen und in Sicherheit gebracht worden. Die britische Fluggesellschaft Jet2 sagte für Sonntag alle Flüge auf die Insel ab. Flüge der irischen Billigfluggesellschaft Ryanair sind laut Homepage nicht von den Waldbränden betroffen und finden normal vom und zum Flughafen Rhodos statt.

Urlauber werden mit Bussen aus dem Ferienort Lindos in Sicherheit gebracht.
IMAGO/Mark Cosgrove/News Images

Die Evakuierungen wurden in der Nacht zum Sonntag fortgesetzt. "Das ist kein Feuer, das morgen oder übermorgen vorbei ist", sagte Feuerwehr-Sprecher Vassilis Varthakogiannis dem Sender Skai TV. Der Brand auf Rhodos werde "uns tagelang zu schaffen machen". Die Feuerwehr kämpfte am Sonntag auf Rhodos mit Unterstützung von Löschflugzeugen und -hubschraubern an drei Fronten gegen die Flammen. Dabei richtete sie Brandschneisen ein.

Ein Schiff ist am Strand zu sehen. Davor stehen Touristen, die auf ihre Evakuierung warten.
Touristen werden von Rhodos weggebracht.
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Feuer versperrt Straßen 

Laut dem griechischen Sender ERT mussten Feuerwehrleute nahe Lardos im Ypseni-Kloster Schutz suchen. Dort hätten sie wiederum versucht, die Mönche zum Verlassen der Anlage zu bewegen.

Regionalgouverneur George Hadjimarkos sagte dem TV-Sender Skai, dass die Evakuierungen durch von den Flammen abgeschnittene Straßenverbindungen erschwert worden seien. "Das Ziel ist es, menschliches Leben zu schützen", sagte er. In manchen Fällen mussten sich die Urlauber wegen der durch das Feuer versperrten Straßen zu Fuß in Sicherheit bringen. Geflüchtete Urlauber und auch einige Einheimische wurden für die Nacht in Turnhallen, Schulgebäuden und Hotel-Konferenzzentren untergebracht.

Der Waldbrand auf Rhodos ist zu sehen. Flammen steigen aus dem verrauchten Wald auf.
Der Waldbrand auf Rhodos.
via REUTERS/EUROKINISSI

Touristen fliehen auch zu Fuß

Von den Stränden Kiotari und Lardos im Osten der Mittelmeerinsel – dort gibt es dutzende Hotels, die in dieser Jahreszeit voll ausgebucht sind – wurden nach Angaben der Küstenwache mehr als 2.000 Menschen von Schiffen abgeholt und zu einem anderen, sicheren Strand der Insel gebracht. An dieser Evakuierungsaktion unter der Führung dreier Schiffe der Küstenwache waren mehr als 30 private Schiffe beteiligt.

Auch offene Lastwägen werden zur Evakuierung benutzt.
AFP/Eurokinissi/STRINGER

Ein Schiff der griechischen Marine befand sich auf dem Weg in das Katastrophengebiet, um bei den Rettungsaktionen zu helfen, wie die Küstenwache ferner mitteilte. Auch dutzende Busse wurden zur Rettung der Menschen losgeschickt. In Kiotari beschädigte der Brand drei Hotels.

Seit am frühen Samstagmorgen der Evakuierungsalarm ausgegeben worden waren, hatten sich Touristen zu Fuß an die Strände begeben. Videoaufnahmen zeigen, dass manche unter der sengenden Sonne mit kleinen Kindern unterwegs waren. Griechische Behörden riefen zu Sachspenden auf. "Wir haben jetzt 4.000 bis 5.000 Menschen in verschiedenen Einrichtungen untergebracht", sagte Thanasis Virinis, ein örtlicher Vizebürgermeister, am Sonntag dem Sender Mega. Benötigt würden etwa Matratzen und Bettwäsche. Ein Sprecher der Feuerwehr sagte dem Sender Skai, die Evakuierten hätten Essen und Wasser erhalten und würden medizinisch versorgt.

Das Bild zeigt einen in Rauch eingehüllten Strand. In der Luft fliegt ein Löschhubschrauber der Feuerwehr.
Fünf Hubschrauber wurden gegen den Waldbrand auf Rhodos eingesetzt.
AP/Argyris Mantikos/Eurokinissi

Hotspot für Touristen eingerichtet

Laut Medienberichten hatten manche der jetzt evakuierten Urlauber ihre Flüge von der Insel verpasst, da die Flammen die normalen Verkehrsverbindungen abgeschnitten hatten. Das griechische Außenministerium hat am Flughafen der Insel Rhodos einen Hotspot eingerichtet, wo Touristen unbürokratisch eine Ausreisegenehmigung erhalten, wenn sie wegen der großen Waldbrände auf der Insel keine Ausweispapiere mehr haben.

Das berichtete am Sonntag der griechische Staatssender ERT. Viele Menschen hätten vor dem Feuer flüchten müssen und unter Umständen keine Zeit mehr gehabt, ihr Hab und Gut mitzunehmen. Viele Menschen hätten nicht nur ihre Koffer zurücklassen müssen, sondern seien nun auch ohne Unterkunft, weil die Hotels und Pensionen in der Hauptsaison ausgebucht sind.

Ein Mann trägt ein Kind, während er vor einem Waldbrand flieht.
AP/Lefteris Damianidis

Der Großbrand auf Rhodos wütete seit fast einer Woche. Er war auf einem Berg im Zentrum der Insel ausgebrochen. Bei der Bekämpfung des Feuers waren fünf Hubschrauber und rund 200 Feuerwehrleute im Einsatz. Die Einsatzkräfte warnten am Sonntag, dass starker Wind die Flammen anfache und so die Löscharbeiten behindere. Es werde erwartet, dass der Wind zwischen der Mittagszeit und dem späten Nachmittag stärker wird, sagte Feuerwehr-Sprecher Vassilis Vathrakoyiannis. Die Behörden fürchten, der Einsatz zur Eindämmung des Feuers werde noch mehrere Tage dauern.

Hitzewelle

Griechenland leidet derzeit unter einer extremen Hitzewelle. Für dieses Wochenende wurden Temperaturen von über 44 Grad erwartet. In dem Land wüten aktuell zahlreiche Waldbrände. Nach Angaben der Feuerwehr brachen zuletzt innerhalb von 24 Stunden 46 neue Brände aus. "Uns stehen noch schwierigere Zeiten bevor", sagte ein Sprecher der Feuerwehr Samstagfrüh im Staatsfernsehen. Die Waldbrandgefahr bleibe extrem hoch, hieß es, zudem flammten die Brände immer wieder auf, weil alles vertrocknet sei.

Die höchste Alarmstufe fünf galt neben Rhodos auch für Mittelgriechenland, den Westen und Nordosten der Halbinsel Peloponnes sowie den Großraum Athen und die Insel Euböa. Seit Tagen hat eine starke Hitzewelle mit Temperaturen von über 40 Grad das Land im Griff. Auch zuvor war es bereits länger heiß und trocken. Der griechische Zivilschutz warnte am Sonntag zudem erneut wegen der anhaltenden Hitzewelle vor einer sehr hohen Waldbrandgefahr in fast der Hälfte des Landes. Dort wurden Temperaturen von bis zu 45 Grad Celsius erwartet.

Hunderte Feuerwehrleute aus mehreren Ländern beteiligen sich an den Löscharbeiten in Griechenland.
IMAGO/Tatiana Bolari / Eurokinissi

Unterdessen sind hunderte Feuerwehrleute aus Rumänien, Bulgarien, Polen, der Slowakei und Malta zur Verstärkung der Feuerwehr in Griechenland angekommen und kämpfen gegen die Flammen. Frankreich, Italien, die Türkei, Zypern, Israel und Jordanien beteiligen sich mit Löschflugzeugen und Hubschraubern an den Löscharbeiten, teilte der griechische Zivilschutz mit.

Mehr Informationen zu den aktuellen Extremwetterereignissen in Italien, den USA, Kanada und Afghanistan finden Sie hier. (red, APA, 22.7.2023)