Eher skurril als täuschend echt. Wenn man in eine KI-Software "Marilyn Monroe demonstriert in Hollywood" eingibt, kommt so etwas dabei heraus. Noch.
Midjourney/Der Standard

Als scharfer Kritiker künstlicher Intelligenz (KI) ist jüngst der Regisseur Christopher Nolan aufgetreten. Anlässlich seines neuen Films über den Erfinder der Atombombe warnte er vor einem Oppenheimer-Moment, dem Augenblick also, in dem eine Erfindung als Waffe ein- und menschliche Verantwortung ausgesetzt wird. Und auch wenn der Vergleich hinkt – der Zweck der Atombombe war letztlich von Beginn an klar –, so fühlen sich doch einige Berufsgruppen in Hollywood von den neuen Entwicklungen der KI in ihrer Existenz bedroht.

Chatbots statt Autoren?

Namentlich die Drehbuch- und Schauspielgilde, deren gemeinsamer Streik seit dem 14. Juli die Traumfabrik lahmlegt. Eine Reglementierung der Verwendung von KI ist eine der zentralen Forderungen, auf die beide Gilden bei der Neuverhandlung ihrer Verträge bestanden haben. Die Drehbuchautoren und -autorinnen sorgen sich konkret darum, dass sie durch Chatbots ersetzt werden. Bereits jetzt arbeiten sie unter misslichen Bedingungen, da Streamer die Serienstaffeln und Teamgrößen eingedampft und die Praxis des Drehbuchadaptierens am Set großteils abgeschafft haben. Drehbuchautoren und -autorinnen sollen nur noch in die Vorbereitung von Projekten involviert sein.

In finanziell schwierigen Zeiten, in denen der Traum eines jeden Produktionsstudios ist, vorhersehbare Erfolgsgaranten zu produzieren, wird Kreativität – wie man ohnehin schon am Remake-Boom bemerken konnte – immer unwichtiger. Hier soll ebenfalls auf KI gesetzt werden.

Prompts als Währung

Ähnliches droht nun Schauspielern und Schauspielerinnen. Die Produzentenvereinigung AMPTP wolle, so heißt es, in Zukunft nur einen Arbeitstag eines Nebendarstellers bezahlen, um ihn zu scannen und in der jeweiligen Produktion beliebig oft einzusetzen.

Zur Debatte steht somit auch das Recht am eigenen Bild. Was mit digital reproduzierten Bewegtbildern von Menschen – auch wenn sie bereits verstorben sind – passiert, ist unklar. James Dean etwa blüht eine neue Karriere, ebenso wie Marylin Monroe (leider vorwiegend als digital reanimierter Pornostar). Und der Regisseur Alexander Sokurow hat erst letztes Jahr mittels Deep Fake Stalin, Hitler, Churchill und Mussolini in einem Brueghel’schen Höllenszenario aufeinandertreffen lassen.

“Fairytale” directed by Alexander Sokurov trailer
Ruslan Akhmetov

Damit Deep Fake so faszinierend aussieht wie in Sokurows Fairytale, müssen allerdings die Prompts stimmen, also die schriftlichen Anleitungen, wonach die künstlichen Bilder generiert werden. Diese seien "die Währung der Zukunft", prophezeit bereits die Mediadesignerin Kessy Eberlein in der SZ. Wieviel diese den Studios dann kosten werden, ist noch nicht abzusehen.

Es geht auch um Tantiemen

Der erste Hollywoodstreik, in dem Drehbuch- und Schauspielgilde gemeinsame Forderungen stellten, war 1960, als das Fernsehen eine Zweitverwertung für Hollywoodfilme schaffte und neue Fernsehformate popularisierte. Damals führte der spätere US-Präsident Ronald Reagan die Schauspielgilde an. Nun ist es "die Nanny" Fran Drescher, die allerdings auf der antikapitalistischen Seite des politischen Spektrums beheimatet ist.

Doch eigentlich geht es damals wie heute – sieht man von KI ab – um das Gleiche: Tantiemen, also Honorare, die aus der Weiterverwertung von Filmen oder Serien stammen. In einem Land, in dem eine basale Gesundenversorgung etwa 26.000 Dollar pro Jahr kostet, sind Tantiemen für projektbezogene Filmberufe überlebensnotwendig.

In den sozialen Netzwerken mehren sich Berichte, wie niedrig Tantiemen bei Otto-Normalschauspielern sind. Kimiko Glenn, eine Darstellerin im Netflix-Hit Orange is the New Black, hat kürzlich die ihrigen veröffentlicht: Für ihre Mitwirkung in 44 Serienfolgen bekommt sie ganze 27 Dollar. Auch Drehbuchautoren künden von massiven Einbußen durch Streaming. Wo es früher für Network-TV-Formate noch 7000 Dollar gab, sind es nun schon mal nur 74 Dollar für eine Show.

"Ich bin schockiert darüber, wie die Leute, mit denen wir Geschäfte gemacht haben, uns behandeln. Wie sie behaupten, dass sie links und rechts Geld verlieren, während ihre CEOs Hunderte und Millionen von Dollar verdienen. Das ist ekelhaft", erzürnte sich denn auch Schauspielgildenpräsidentin Fran Drescher.

Sieht man sich nun aber die neuen Entwicklungen in Asien an, dann könnten sich auch die Studiobosse fürchten: Dort wurde jüngst die Führungsposition einer Softwarefirma erfolgreich durch KI ersetzt. Das größte Einsparungspotenzial liegt womöglich in der Chefetage. (Valerie Dirk, 25.7.2023)