Wien, Innenstadt, Autos
Der Autoverkehr in der Wiener Innenstadt soll mit Zufahrtsbeschränkungen deutlich reduziert werden.
Tobias Steinmaurer / picturedesk

Weniger Abgase und Parkplätze, dafür mehr Fußgängerzonen und Grünflächen: Wiens Innere Stadt soll verkehrsberuhigt werden. Zumindest wird das seit Jahren von der Wiener Stadtpolitik debattiert.

Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) legte im Vorjahr ein fertiges Konzept vor – nicht zum ersten Mal. Sie wirft der türkis-grünen Bundesregierung vor, eine Umsetzung zu blockieren. Der Hintergrund: Künftig sollen Fahrzeuge maximal 30 Minuten lang im Ersten verweilen dürfen, sonst wird gestraft. Wer länger bleiben will, muss in eine Parkgarage fahren. Damit soll vor allem der Lieferverkehr gesichert werden, Ausnahmen gibt es etwa für Anrainer, Wirtschaftstreibende und Taxis. Kontrolliert werden soll mit Videokameras.

Plan verkehrsberuhigte Innenstadt Wien
Grafik: DER STANDARD

Diese sollen alle Ein- und Ausfahrten am Ring sowie die Parkgaragen überwachen. Anhand der erfassten Autokennzeichen sollen die Behörden die Einhaltung der Regeln prüfen. Der Haken: Der Einsatz eines solchen Überwachungssystems bedarf einer Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO). Das grüne Verkehrsministerium argumentiert, der Verkehr ließe sich auch ohne Kameras beruhigen – und auch Datenschützer kritisieren das Konzept.

Was dafür, was dagegen spricht

FÜR

Für die Stadtregierung ist die verkehrsberuhigte City "eines der größten Klimaschutzprojekte in Wien". So könnte die Zahl der Einfahrten vom Ring in Richtung Zentrum mit den geplanten Beschränkungen wochentags um gut 30 Prozent reduziert werden. Das entspricht 15.700 Einfahrten weniger pro Tag. Diese Zahlen basieren auf Schätzungen des von der Stadt beauftragten Verkehrsplanungsbüros Traffix.

Um die Kontrolle der Ein- und Ausfahrten mit Kameras rechtlich zu ermöglichen, muss aber erst die StVO novelliert werden. Und hier wirft die rote Verkehrsstadträtin Ulli Sima der zuständigen grünen Verkehrsministerin Leonore Gewessler vor, dass sie dies blockiere.

"Immer wieder ins Treffen geführte angebliche Datenschutzbedenken sind längst ausgeräumt", sagt Sima laut einer Stellungnahme. Das habe auch ein Gutachten gezeigt, das von Ministerium und Städtebund in Auftrag gegeben wurde. Dieses Gutachten wurde schon vor einem Jahr vorgelegt.

Sima verweist auch auf Kameralösungen in Städten wie Bologna oder Turin. Unterstützt wird das Verkehrsberuhigungsprojekt auch von den Neos in der Stadtkoalition sowie von Markus Figl (ÖVP), dem Bezirkschef in der City.

Sima rechnet damit, dass die Stellplatzauslastung um 23 Prozent sinken könnte. Nicht mehr benötigte Parkplätze sollen begrünt und als neue Aufenthaltsangebote attraktiviert werden. Auch mehr Rad- und Fußwege sind ein Thema. Acht von 34 Zufahrtsmöglichkeiten vom Ring sollen gestrichen werden. Ein Konzept mit Einfahrtsverboten, aber ohne Kameras ist für Sima kein Thema. Eine Zwischenlösung ist ebenfalls nicht angedacht. Selbst bei einer Einigung mit Gewessler zu einer StVO-Novelle ist aber durch die Verzögerungen eine Umsetzung des Kameramodells vor den Wien-Wahlen 2025 unrealistisch geworden.

WIDER

Aus dem Klimaschutzministerium von Leonore Gewessler heißt es, man würde aktuell weiterhin an der Novelle der StVO feilen. Man wolle nichts "übereilen", da es um Grundrechte gehe, "die es zu schützen gilt". Bis dahin könnten die Gemeinden und Städte bestehende Möglichkeiten "nutzen, um ihre Straßen zu beruhigen".

In Fachkreisen ist das von der Wiener Planungsstadträtin Ulli Sima vorgebrachte Datenschutzgutachten des Bundes und des Städtebundes, das Kameras für rechtlich unproblematisch hält, umstritten: Es würde keine abschließende Abwägung treffen, kritisiert Thomas Lohninger von der Grundrechts-NGO Epicenter Works. So erlaube die aktuelle Rechtslage der Polizei, auf Videomaterial im öffentlichen Raum zuzugreifen. Würden weitere Kameras installiert werden, könnten Behörden, Passanten, Radfahrerinnen und Demoteilnehmende im Ersten überwacht werden – anders als durch Section-Control-Anlagen auf der Autobahn, die schon jetzt Kennzeichen abfotografieren. Überwachung sei gerade in der Inneren Stadt problematisch, da dort häufig demonstriert werde und viele Regierungsgebäude stünden.

Auch sei das Konzept mit Kameras unnötig teuer: Laut Dokumenten aus dem Lenkungsausschuss vom Mai 2022 würde die Einführung geschätzte 18,6 Millionen Euro kosten, bei den Betriebskosten sei mit 2,4 Millionen Euro pro Jahr zu rechnen. Laut Lohninger "braucht Verkehrsberuhigung natürlich keine Innenstadtüberwachung". Er verweist auf ein Konzept, das die Grünen in der Vorgängerregierung in Wien vorgestellt hatten.

Dieses hätte die Streichung von noch mehr Einfahrten und Parkplätzen vorgesehen. Laut den damals in Auftrag gegebenen Gutachten hätte das eine stärkere Beruhigung des Verkehrs erwirkt als der aktuelle Plan. Kontrolliert hätte das die Polizei mit Planquadraten. (Muzayen Al-Youssef, David Krutzler, 25.7.2023)