Zwei Frauen sitzen am Boden und spielen mit einem Baby, überall liegt Spielzeug
Ein Kind ändert alles, auch Freundschaften.
Getty Images

"Hallooooooo Sandra. Ich vermisse dich! Wann kommst du wieder mal zu mir? Ich hab etwas für dich gebastelt!" Die vierjährige Tochter meiner engen Freundin lacht in das Video, das ihre Mutter gerade an mich geschickt hat. Die Kleine schickt mir ein Flugbussi durchs Telefon. Meine Brust wird eng vor Rührung, während ich im Badeanzug auf meinem Liegestuhl in einem Adults-only-Hotel sitze – ein Buch am Schoß, einen Cocktail in der Hand. "Hallo süße Maus, ich komme dich ganz, ganz bald besuchen. Dann musst du mir alles zeigen! Ich vermisse dich auch!", schicke ich als Video zurück, versende aus Malta ebenfalls ein Flugbussi nach Österreich und gehe zurück zu meinem kinderlosen Leben.

Zwei Welten

Ich bin fast 30 Jahre alt, heirate nächstes Jahr, aber ich möchte keine Kinder. Manchmal habe ich Angst, dass ich irgendwann einsam sein werde. Nicht wegen der fehlenden Kinder, sondern weil ich weiß, dass sich Freundschaften verändern, sobald Kinder kommen.

Als meine gute Freundin mir vor viereinhalb Jahren verkündete, dass sie schwanger ist, ging mein Körper sofort in Alarmbereitschaft. "Oh Gott!", dachte ich, "was macht sie jetzt nur?" Doch dann sah ich in ihr freudestrahlendes Gesicht und erinnerte mich daran, dass dies schon immer ihr Plan war. Sie hatte mit ihrem Ehemann gerade ein Haus gebaut, mit zwei Kinderzimmern.

Während der Schwangerschaft versprach sie mir, nie eine dieser überbesorgten, anstrengenden Mütter zu werden. Wir machten Pläne, wie wir unsere Freundschaft wie gewohnt weiterleben würden – nur eben mit einem Baby im Anhang. Nichts würde uns aufhalten, meinte sie. Natürlich war diese Vorstellung naiv.

Eine Interviewpartnerin sagte mir mal: "Mutter zu sein ist so viel härter, als man es sich je vorstellen könnte. Es ist das Großartigste, aber man sollte es nur dann machen, wenn man es wirklich will." Und genau dieser Punkt trennte uns. Sie wollte, ich nicht.

Zuerst du, dann du

Als das Baby da war, half ich, wo ich konnte: Ich brachte Essen und Geschenke, behielt den Babymonitor im Blick, während sie schnell unter die Dusche sprang. Im Restaurant wechselten wir uns mit Babyhoppern ab, wenn es zu schreien begann, und aßen abwechselnd. Für mich war es selbstverständlich, dass ihre Bedürfnisse – und die des Babys – Vorrang hatten. Doch je älter ihre Tochter wurde, desto sehnsüchtiger wartete ich darauf, dass auch die Geschehnisse meines Leben für sie wieder mehr als eine Fußnote wurden.

"Wie geht es dir eigentlich?" Diese Frage stellte sie mir nicht mehr. Wie gerne hätte ich einmal wieder aus meinem Leben erzählt, ohne ständig von einem Kleinkind unterbrochen zu werden. Diese Momente gab es nicht mehr.

Stattdessen regte sie sich über Bekannte auf, bei denen sie samt krabbelndem Kleinkind zu Besuch war und die sich vorher nicht die Mühe gemacht hatte, Dekoration vom Boden oder aus Regalen bis Kniehöhe wegzuräumen. "Die verstehen nicht, wie es ist, dauernd hinter einem Kind herlaufen zu müssen und zu hoffen, dass es keine teure Vase kaputt macht", jammerte sie.

Wenn Freundinnen sie fragten, ob sie abends essen oder ins Kino gehen will, machte sie das wütend: "Wie stellt sie sich das vor? Ich habe Verantwortung für ein Kind. Schön für sie, wenn sie einfach so entscheiden kann, wie sie ihren Abend verbringen will. Ich kann das nicht." Es war einer dieser Momente, als ich realisierte: Egal, wie müde ich sein würde, sie würde müder sein. Egal, wie viel Verantwortung ich beruflich haben würde, sie würde mehr haben. Egal, wie anstrengend meine Woche wäre, ihre wäre anstrengender. Und egal, wie viel Liebe ich für einen Menschen empfände, ihre Liebe würde bedingungsloser sein.

Einsame Eltern, einsame Kinderlose

Unsere Freundschaft veränderte sich grundlegend. Und damit waren wir nicht allein. Die Wohltätigkeitsorganisation Action for Children befragte im Rahmen einer breitangelegten Untersuchung über Einsamkeit 2.000 Eltern. Dabei wurde festgestellt, dass sich 68 Prozent nach der Geburt eines Kindes von Freunden, Kollegen und der Familie "abgeschnitten" fühlten.

In einer anderen Studie stellten Forscher aus den Niederlanden fest, dass die Festigkeit der Freundschaften typischerweise abnimmt, wenn Menschen Eltern werden. In einer Umfrage der Plattform ChannelMum.com unter 2.025 Müttern gaben 54 Prozent zu, dass sie sich nach der Geburt ihres Kindes "freundschaftslos" fühlten.

Die Studien, die ich zu dem Thema fand, fokussierten sich fast immer auf die Einsamkeit der jungen Eltern. Und die Kinderlosen? Die seit Tagen auf einen Rückruf warten?

Früher war da so viel Freude, wir hatten Lachanfälle, tiefe Gespräche. Kaum war das Baby da, konnten wir das Leben der anderen nicht mehr verstehen. Unsere Freundschaft hatte an Tiefe verloren, sie war zu etwas geworden, das ich unter anderen Umständen aus meinem Leben verabschiedet hätte. Einige unserer Freundinnen taten dies auch. Sie hatten kein Interesse an Babybildern der Kleinen. Sie wollten nicht tagelang auf Rückmeldungen per Whatsapp warten. Sie wollten, dass man sich auch für ihr Leben interessierte. Sie wollten etwas über das Leben der anderen Person hören, das nicht mit Kinderkrankheiten zu tun hatte. Also wandten sie sich von unserer Freundin ab.

Ich verstand das, und das machte mir Angst. Denn sollten sich all meine Freundinnen für Kinder entscheiden, sollten all meine Freundschaften an Tiefe verlieren, wo blieb ich dann? Meine Freundin würde für ihre kleine Tochter vor ein Auto springen. Und das würde ich auch. Doch würden diese Freundinnen auch für mich da sein, wenn ich Hilfe brauche?

Ausgetauscht

Gleichzeitig hatte ich allerdings auch etwas gewonnen. Während mir unsere Freundschaft Woche für Woche mehr aus den Fingern glitt, so war da ein neuer kleiner Mensch, der einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen hatte und bei dem ich wollte, dass er mich kennt.

Ich besuchte meine Freundin nicht mehr, um über Beziehungsprobleme zu sprechen oder Rat bezüglich meiner Krisen zu bekommen. Diese Freundin war nicht mehr die, die ich kontaktierte, wenn ich Hilfe brauchte. Meine Erwartungshaltung bei meinen Besuchen hatte sich verändert. Ich wollte sehen, wie ihre Tochter aufwächst.

Ich wollte das neue Spiel spielen, die neuen Fingerfarben ausprobieren, das Lieblingsbuch zum zehnten Mal vorlesen. Ich wollte raten, ob das Bild, das sie mir gezeichnet hatte, eine Kuh, ein Mensch oder ein Baum war. Und das war für mich ein Gewinn, der den Verlust erträglicher machte. (Sandra Gloning, 29.7.2023)