Rechtsanwältin Julia Andras erklärt im Gastblog, warum eine Ehefrau den letzten Willen ihres Ehemannes nicht beeinspruchen konnte.

Wem man sein Vermögen nach dem eigenen Ableben vermacht, bleibt einem ganz selbst überlassen. Dass dies nicht unbedingt – wie man vielleicht erwarten möge – die eigene Ehegattin ist, musste eine Frau aus Tirol erkennen und konnte sich gegen den letzten Willen ihres Ehemannes auch nicht durch den Gang zum Obersten Gerichtshof wehren.

Testament
Der Witwe verblieb der Pflichtteil in der Höhe eines Sechstels des Vermögens.
IMAGO/Steinach

Der Ehemann war bereits etwas betagter, und dass das Nachbarsehepaar stets hilfsbereit und schlussendlich auch offiziell die Rollen der Pflegerin und des Pflegers übernahmen – die Nachbarin war ausgebildete Pflegerin –, kam daher sehr gelegen. Der zu pflegende Erblasser zeigte sich für diese Dienste auch entsprechend erkenntlich, und zwar mehr, als seiner Ehegattin lieb war. Nach dem letzten Willen des Erblassers sollte es nämlich das Nachbarsehepaar sein, dem seine Häuser im Wert von rund 1,8 Millionen Euro zukommen. Der Witwe verbliebe damit lediglich der Pflichtteil in Höhe eines Sechstels des Vermögens.

Dies wollte die Witwe nicht auf sich sitzen lassen und zog mit dem Argument vor Gericht, dass der letzte Wille ihres Mannes gegen die in der Pflegeverordnung normierten Standes- und Ausübungsregeln für Pfleger verstoßen würde. Hiernach ist es Betreuerinnen und Betreuern untersagt, ihre berufliche Stellung zur Erlangung persönlicher Vorteile zu missbrauchen. Eine Leistung ohne gleichwertige Gegenleistung anzunehmen ist ebenso nicht rechtens. Ergo wäre das Testament des Mannes aus Sicht der Witwe sittenwidrig und demnach ungültig.

Erbantrittserklärung abgewiesen

Bereits das Erstgericht folgte der Argumentation der Witwe als Drittantragstellerin nicht und stellten das Erbrecht des in der letztwilligen Verfügung des Erblassers eingesetzten Nachbarehepaars, ihrerseits Erst- und Zweitantragsteller, fest. Die Erbantrittserklärung der Witwe wurde hingegen abgewiesen. Ebenso entschied das Zweitgericht und auch die Erhebung des Revisionsrekurses durch die Drittantragstellerin an den Obersten Gerichtshof vermochte keine Änderung herbeizuführen.

Vielmehr pflichtete der Oberste Gerichtshof der Rechtsansicht der Vorinstanzen bei und sprach aus, dass diese ganz richtig auf den Normzweck des angesprochenen Vermögensannahmeverbots für Pflegekräfte abgestellt haben. Dieser läge darin, stets das Wohl des zu Betreuenden zu achten und sich bei der Betreuung an den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu orientieren. Ebenso zielt das Verbot für Pflegepersonen, keine Leistungen ohne entsprechende Gegenleistung anzunehmen, darauf ab, einen Nachteil von der zu betreuenden Person abzuwenden. Ein Vermögenszuwachs, welcher erst nach dem Ablebenden des zu Betreuenden eintritt, steht dem Schutzzweck der Norm dabei nicht entgegen. Eine letztwillige Verfügung, wie sie im vorliegenden Fall der Erblasser getroffen hat, ist somit zulässig: An erster Stelle steht die Testierfreiheit des Mannes.

Der Rechtsansicht der Witwe wurde sohin nicht beigepflichtet. Der Oberste Gerichtshof stellte vielmehr klar, dass zwar unstrittig ein solches "Vermögensannahmeverbot" für Pflegekräfte bestehe, dies aber lediglich zu Lebzeiten gelte. Eine Berücksichtigung im letzen Willen ist daher zulässig, anderes würde in die Testierfreiheit des Erblassers eingreifen. (2 Ob 15/23d) (Julia Andras, 28.7.2023)