Dank der WKStA-Zeugenvernehmung des ehemaligen Chronik-Ressortleiters der Kronen Zeitung, Thomas Schrems, bekommen wir erstmals eine Ahnung davon, mit wie viel Fingerspitzengefühl dieses Boulevardblatt gestaltet wird: "Bei Inseratenkunden im politischen Bereich gab es die Besonderheit, dass man auch auf deren Konkurrenz achten musste und man deshalb an manchen Tagen nicht von beiden Inserate geschaltet hat. Manchmal gab es Sonderwünsche, dass unmittelbar am Tag des Erscheinens eines Inserates eine begleitende positive redaktionelle Berichterstattung erfolgt. Öfters wurden entsprechende Themen vom Ministerium (Kabinett oder Pressesprecher) gleich mitgeliefert. Wenn z. B. ein Ministerium ein großes Inserat buchte und diesbezüglich gebeten hat, dass an einem solchen Tag kein kritischer Bericht erscheint, wurde dem fast immer entsprochen. Dies wurde gelegentlich auch gezielt eingesetzt, wenn z. B. ein unangenehmes Thema gerade virulent war, konnte man so diesbezügliche Berichterstattung verhindern. Anweisungen wie ‚Bitte heute keine negativen Geschichten über Minister X bzw. Ministerium X‘ gab es immer wieder", weiß Schrems zu berichten.

Kronen Zeitung
Ein ehemaliger Journalist der Kronen Zeitung sagte bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) aus.
APA/ROLAND SCHLAGER

Aber nicht nur Wünsche der Regierung wurden erfüllt. So sei nach Erscheinen kritischer Berichte über die Hausverwaltung der Stadt Wien, Wiener Wohnen, sogar Christoph Dichand persönlich aktiv geworden: "Nach drei oder vier Tagen kam er zu mir ins Büro und hat gesagt: Ja, Herr Schrems, die Geschichten sind alle sehr schön, aber jetzt ist Schluss, weil die Stadt Wien schaltet bei uns Inserate um 400.000 Euro."

Redaktionelle Pannen

Die einst von Frank Stronach formulierte goldene Regel "Wer das Gold hat, macht die Regel" wird hier also auf "Wer das Gold hat, macht die Krone" erweitert. Wobei: Ausgerechnet in der Kronen Zeitung kritisch über einen Bereich des Wiener Wohnbaustadtrates zu schreiben ist nicht erst seit den Tagen Werner Faymanns so, als würde man im Kurier die Parallelen der Führungspersonal-Krisen von ÖVP Niederösterreich und Raiffeisen analysieren.

Zur künftigen Vermeidung solcher redaktionellen Pannen böte sich eine Teilung des Blattes an. Nach dem Prinzip "good cop, bad cop" (Motto: "Zur Krone der Schöpfung als Schöpfung der Krone!" vs. "Die Dornen-Krone") könnte das Angebot klarer ausdifferenziert werden und in einer dritten Variante sogar für Inserenten personalisiert werden ("Die Damokles-Krone" – "das hätten wir geschrieben, wenn Sie nicht bei uns inseriert hätten"). Das würde mühsame Koordinationsarbeit ersparen, wie Schrems sie beschreibt: "Manchmal saß Anton Mahdalik, der Leiter der Anzeigen-Produktion in den Ressortleiterkonferenzen dabei. Der hatte eine politische Ausrichtung, die jedermann kannte, und hat gesagt: Morgen inseriert die FPÖ eine ganze Seite, da müss’ ma schauen, dass wir auf der Gegenseite einen guten Artikel dazu platzieren."

Doch hier dürfte es zu einer bemerkenswerten familiären Läuterung gekommen sein. In einer Gemeinderatssitzung beklagte Mahdaliks Sohn in seiner Funktion als FPÖ-Abgeordneter, dass sich die Grünen "nur für Radfahren" und nicht für "wichtige Themen wie zum Beispiel die Frage dubioser Inserate interessieren". (Florian Scheuba, 27.7.2023)