Fahnen, Waffen und Munition
Die Ermittler stellten bei Razzien in der Szene der Staatsverweigerer allerlei sicher: neben Fantasiedokumenten und Fahnen auch Waffen samt Munition.
APA/LPD KÄRNTEN

Es war im September 2021, als erstmals vermehrt Schreiben des fiktiven "Bundesstaats Preußen" bei den österreichischen Behörden eingingen. Seither wurden es laufend mehr. In hunderten gleichlautenden Briefen sprach eine stetig größer werdende Gruppe an Staatsverweigerern immer und immer wieder dem geltenden Recht die Legitimation ab und berief sich beispielsweise auf die Besatzungsgesetze oder die Zuständigkeit des britischen Militärgerichts.

Im Polizeijargon wird das "Papierterrorismus" genannt und hat erhebliche Auswirkungen. Es ist ein gängiges Mittel, mit dem Staatsverweigerer versuchen, die öffentliche Verwaltung lahmzulegen.

In den Morgenstunden des 26. Juli hatten die Sicherheitsbehörden genug gesehen. Teams aus Polizisten, Cobra-Beamten, IT-Spezialisten und Verfassungsschützern führten acht Razzien durch, die meisten davon in Kärnten. 36 Personen wurden vernommen. Österreichweit wird gegen 41 Personen in fünf Bundesländern ermittelt.

Die Beamten stießen bei den Hausdurchsuchungen auf fiktive Fahnen, Fantasiekennzeichen und -ausweise. Aber auch auf Schusswaffen samt Munition. Gegen alle Verdächtigen wurde ein vorläufiges Waffenverbot ausgesprochen. Zu Festnahmen kam es nicht.

Der "Bundesstaat Preußen" gilt aus Sicht der Ermittler als eine österreichweit agierende, staatsfeindliche Bewegung. Sie sei vor allem bekannt dafür, unzählige Schriftstücke bei unterschiedlichen Behörden einzureichen, um damit unter anderem Verfahren zu verschleppen.

Es seien aber auch Staatsverweigerer darunter, die in mehreren Fällen Straftaten gegen den Staat sowie Drohungen und Nötigungen begangen hätten. Eine frühere Beteiligte, die sich derzeit in Wien in Haft befinde, soll auch mit dem Verbotsgesetz in Konflikt geraten sein, wie DER STANDARD von einem Sprecher der Kärntner Polizei erfuhr. Das sei allerdings unabhängig von der jüngsten Amtshandlung zu sehen. Es wäre aber keine Überraschung. Der Verfassungsschutz beschreibt die Staatsverweigerer-Szene zumindest als "rechtsradikal orientiert".

Fantasiedokumente, Waffen und Munition
Gegen alle Verdächtigen wurde ein vorläufiges Waffenverbot ausgesprochen.
APA/LPD KÄRNTEN

Im Auto verbarrikadiert

In Kärnten hat man bereits Erfahrungen mit den angeblichen "Preußen". Im September vergangenen Jahres wiesen sich ein 42-Jähriger und seine gleichaltrige Lebensgefährtin an der Grenze zu Slowenien mit Fantasiereisepässen aus. Auf dem Auto war zudem ein Kennzeichen des fiktiven Staats angebracht.

Monate zuvor war eine 64-jährige Kärntnerin ebenfalls mit einem Fantasiekennzeichen unterwegs. Als sie von der Polizei angehalten wurde, schloss sie sich im Auto ein, wies sich mit ausgedachten Dokumenten der "Preußen" aus und beschimpfte den Beamten.

Auf der deutschen Website der Staatsverweigerer wird schnell deutlich, mit wem man es zu tun hat. "Das Deutsche Reich ist nicht untergegangen", heißt es da etwa. Es werden auch "alle deutschen Staatsbürger" begrüßt. Von der "angeblichen Klimakatastrophe" ist ebenso zu lesen wie von allerlei Verschwörungsmythen zu Pharma, Impfen und E-Smog.

4100 Staatsverweigerer in Österreich

Auch auf Österreich und Kärnten wird auf der Website Bezug genommen. So werde Österreich von den Staatsverweigerern weiterhin als "Gliedstaat" von Preußen angesehen. Die Republik Österreich sei der Feind der eigenen Bevölkerung geworden. Laut den Staatsfeinden soll ein ehemaliger Gemeinderat ein Lied über Kinderschnitzel und Kinder-Kannibalen komponiert haben. Der Videolink dazu führt wenig überraschend ins Leere.

Der Gemeindebund Kärnten weiß schon länger von den verschiedenen Schreiben der Staatsverweigerer. Bis November 2022 hätten allerdings nur drei Gemeinden eine Anfrage gestellt, wie mit den Anträgen des "Bundesstaats Preußen" umzugehen sei. Der Gemeindebund habe den Kommunen empfohlen, diese Schreiben direkt an das Landesamt des Verfassungsschutzes oder die zuständige Staatsanwaltschaft weiterzuleiten. Eigentlich hätten die Gemeinden auch einen Verbesserungsantrag zurückschicken können, dies sei aus Sicht des Gemeindebunds allerdings sinnlos. "Ein Schreiben ohne wirklichen Inhalt kann auch nicht bearbeitet werden."

Die Causa erinnert ein bisschen an die Staatsverweigerer des Staatenbunds Österreich, der ebenfalls mit Pseudodokumenten operiert hatte. Deren "Präsidentin" wurde 2019 zu 14 Jahren Haft verurteilt.

Das war der bisher prominenteste Fall einer Szene, die stetig wächst – wohl auch angetrieben durch die Corona-Pandemie. 4100 Staatsverweigerer gebe es laut Verfassungsschutz aktuell in Österreich. (Luca Arztmann, Jan Michael Marchart, 26.7.2023)