Feuer, Waldbrand, Hitze
Ein Waldbrand in Syrien. Durch die hohen Temperaturen können Feuer stärker ausfallen und sich länger halten.
via REUTERS/SANA

Wenn der Ozean so warm ist wie das Wasser im Thermalbad, ist das ein Grund zur Sorge. Denn es sind keine heißen Unterseequellen, die die Wassertemperatur in der Manatee Bay im US-Bundesstaat Florida auf 38,4 Grad Celsius steigen ließen. So hohe Temperaturen wurden an der Meeresoberfläche womöglich noch nie gemessen. Der gesamte Monat sprengt den Rahmen bisheriger Maxima, heißt es nun auch offiziell von der Weltwetterorganisation (WMO) und dem EU-Erdbeobachtungsprogramm Copernicus: Der Juli 2023 geht weltweit als heißester Monat seit Beginn verlässlicher Messungen um 1940 in die Geschichte ein. Dafür muss nicht einmal das Ende des Monats abgewartet werden, da alles darauf hindeutet, dass der Trend in den letzten Julitagen anhält. Die bedrohlichen Brände im Mittelmeerraum bezeugen die anhaltende Hitze und Trockenheit.

Der Graph zeigt eine Kurve mit den gemessenen Temperaturen seit den 1940er-Jahren pro Jahr
Seit den 1940er-Jahren war es noch nie so heiß wie im Juli 2023, wie die täglich gemessenen Temperaturen zeigen.
C3S/ECMWF

Am heißesten war es demnach am 6. Juli 2023, die globale Durchschnittstemperatur betrug 17,08 Grad. Zuvor galt der August 2016 als heißester Monat, der 13. August mit 16,8 Grad als heißester Tag. Mindestens 17 Tage im Juli übertrafen diesen Wert. Die US-amerikanische Wetter- und Ozeanografiebehörde NOAA gibt zwar den Juli 2021 als heißesten Monat an, sie dürfte aber weite Teile der Polarregionen nicht berücksichtigen.

Je nachdem, wie sich die Hitzewellen im kommenden August entwickeln, könnte bereits der nächste Extremwert folgen. Fachleute warnen, dass die dauerhaft hohen Temperaturen an Land und im Wasser auch im August anhalten werden.

1,5 Grad übertroffen

Die globale Durchschnittstemperatur überschritt in der ersten und dritten Juliwoche zeitweise sogar die Schwelle von 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau. Darauf hatten auch die überdurchschnittlich warmen Meere Einfluss. Seit Mai liegen die Temperaturen der Meeresoberflächen über den üblichen Werten.

Biscayne Bay in Florida, hohe Ozeantemperaturen
Florida kämpft mit einer Hitzewelle, auch die Gewässer (hier die Biscayne Bay) sind extrem warm.
APA/AFP/GETTY IMAGES/JOE RAEDLE

Ob die Messung von 38,4 Grad in Florida wirklich der höchste bisherige Messwert ist, ist mit gewissen Unsicherheiten behaftet. Es werden nämlich keine Aufzeichnungen über "Rekorde" bei Oberflächentemperaturen geführt, merkte der US-amerikanische Extremwetterexperte Jeff Masters an. Doch in einer Studie aus dem Jahr 2000 schrieb ein Forschungsteam aus Kuwait von einem weltweiten Maximum von 37,6 Grad, das im Persischen (oder Arabischen) Golf dokumentiert wurde.

In der floridianischen Gegend konnten Messbojen am Montag auch in anderen Buchten Werte zwischen 32 und 38 Grad bestimmen. Normalerweise sollten dort die Wassertemperaturen zu dieser Jahreszeit nur 23 bis 31 Grad betragen.

Whirlpool Ozean

Gemessen wurde die Temperatur in etwa 1,5 Metern unter der Oberfläche. Da sich die Boje in Landnähe befindet, könne es auch sein, dass organisches Material die Messung etwas verfälsche, gibt Masters zu bedenken. Beispielsweise ist es möglich, dass Wasserpflanzen oder Pflanzenteile, die sich am Rand der Bucht sammeln können, die Temperatur erhöhen. Um den Wert mit der Messung im Persischen Golf zu vergleichen, bräuchte es also ein Beweisfoto, das dies ausschließt. Nichtsdestotrotz sei ein Bad in der Bucht wohl temperaturmäßig einem Abstecher in einen Whirlpool gleichgekommen, schreibt der Wissenschafter. Und, dass die Messung jedenfalls zu den heißesten Oberflächentemperaturen zähle, die jemals auf der Erde gemessen wurden. Auch wurden an zwei aufeinanderfolgenden Tagen Temperaturen von über 37,7 Grad gemessen.

Korallen an der Küste Floridas
Korallenriffe werden bei hohen Temperaturen einer gefährlichen Belastungsprobe ausgesetzt.
AFP/JOSEPH PREZIOSO

Wie andere Regionen in den USA und weltweit hat Florida mit einer Hitzewelle zu kämpfen. Schon in der vergangenen Woche sprach Korallenforscher Derek Manzello von der US-amerikanischen Wetter- und Ozeanografiebehörde NOAA von einem noch nie dagewesenen Ereignis: "Wir haben nicht damit gerechnet, dass die Erhitzung so früh im Jahr und so extrem stattfinden würde."

Tote Fische

Die Hitze sorgt unter Meereslebewesen für großen Stress und könnte Populationen dezimieren. Dies sei vergleichbar mit einem Waldbrand unter Wasser, sagte der Meeresbiologe Dan Smale vor vier Jahren. Damals erschien eine Studie, der zufolge sich die Zahl mariner Hitzewellen in den vergangenen Jahren verdreifacht hat. Dadurch werden nicht nur Seegras und selbst widerstandsfähigere Korallen zerstört, sondern auch unzählige andere Organismen, die diese zum Leben brauchen.

Dies hat auch Folgen für die Menschen, die dort etwa vom Fischfang leben. Der "Guardian" zitiert etwa den Fischerbootkapitän Dustin Hansel, dem immer öfter tote Fische aufgefallen sind. In den vergangenen fünf Sommern habe er immer weniger gefangen. "In allen unseren Buchten und küstennahen Gewässern ist alles sehr, sehr heiß."

Extremwerte in Mittelmeer und Antarktis

Nicht nur an der Westküste des Atlantiks sprengen die Temperaturen den Rahmen des bisher Gekannten. Erst in dieser Woche vermeldete das Institut für Meereswissenschaften (ICM) in Barcelona die höchste gemessene Temperatur im Mittelmeer, ebenfalls am Montag: Die Temperatur an der Wasseroberfläche habe 28,7 Grad betragen, wie Daten des EU-Erdbeobachtungsprogramms Copernicus zeigten. Der bisherige Rekord von 28,25 Grad kam während einer Hitzewelle 2003 zustande.

Erschreckend stellt sich auch die Situation in der Antarktis dar. Auf der Südhalbkugel, wo gerade der Winter vorherrscht, ging das antarktische Meereis noch nie so stark zurück wie 2023. Beinahe jeder Julitag übertrumpfte die bis dahin höchste Durchschnittstemperatur. Bereits 2022 wurde ein bisheriges Minimum erreicht. Der Mathematiker und Klimaaktivist Eliot Jacobson hält fest: Es handle sich um ein Ereignis, das bei stabilem Klima nur alle 30 Millionen Jahre auftreten sollte – und damit zeigt, dass die Hypothese eines stabilen Klimas "so falsch ist wie statistisch möglich".

Warum es zu einer solchen Erhitzung kommt, ist Fachleuten bisher noch nicht klar. Ein so warmer Winter könnte sich aber für viele Spezies als katastrophal herausstellen, wenngleich manche Auswirkungen erst in einigen Monaten erkennbar werden. Das Meereis beeinflusst Strömungen, die beispielsweise Nährstoffe in obere Schichten des Meeres transportieren und so nicht nur die Grundlage der Ernährung von Pinguinen und Walen bilden.

Kein Einzelfall

"Es ist unwahrscheinlich, dass der Juli-Rekord in diesem Jahr ein Einzelfall bleibt", sagt Carlo Buontempo, Direktor des Copernicus-Klimawandeldiensts. "Die Rekordtemperaturen sind Teil des Trends zu einem drastischen Anstieg der globalen Temperaturen." Er betonte auch, dass die von Menschen verursachten Emissionen die Hauptursache für den Temperaturanstieg seien. Darauf wies auch eine kürzlich erschienene Untersuchung hin, die zeigte, dass es die aktuellen Hitzeextreme ohne den anthropogenen Klimawandel nicht gäbe.

Für Österreich zeigen die Daten: 2023 liegt um 0,8 Grad über dem Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2020, der Juli übertrifft den Durchschnitt sogar um 2 Grad.

Wie die WMO mitteilt, dürfte wiederum eines der kommenden fünf Jahre das neue heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen werden. Die Wahrscheinlichkeit dafür liege bei 98 Prozent. Auch stehen die Chancen 2 zu 1, dass in mindestens einem dieser fünf Jahre die globale Durchschnittstemperatur vorläufig um 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegt. Das bedeutet zwar noch keine langfristige Überschreitung der 1,5-Grad-Marke, die bei der Pariser Klimakonferenz 2015 als Obergrenze festgelegt wurde. Doch dies dürfte nur eine Frage der Zeit sein. Sollte sich CO2 aus der Atmosphäre entnehmen und einspeichern lassen, könnte der Wert in fernerer Zukunft wieder untertroffen werden.

"Klimamaßnahmen sind kein Luxus, sondern ein Muss", hob der WMO-Generalsekretär Petteri Taalas in der Aussendung hervor. "Das extreme Wetter, von dem im Juli viele Millionen Menschen betroffen waren, ist leider die harte Realität des Klimawandels und ein Vorgeschmack auf die Zukunft." (Julia Sica, 27.7.2023)