Ein Mann versucht, einen Brand auf Rhodos zu löschen
Auf der griechischen Insel Rhodos versuchen Menschen, die Flammen zu stoppen.
Foto: AP/Petros Giannakouris

Wie normal sind die Hitzewellen, die gerade nicht nur in Südeuropa wüten und etwa auf der griechischen Insel Rhodos das Substrat für verheerende Waldbrände liefern? Immerhin gab es bereits hohe Temperaturen und Feuerausbrüche, bevor der Klimawandel im Alltagsvokabular angekommen ist. Eine neue Studie macht einmal mehr deutlich, dass Extremereignisse im Zuge der menschengemachten Klimakrise wesentlich wahrscheinlicher geworden sind. Wie die Initiative World Weather Attribution (WWA) berichtet, zeigt die Forschungsarbeit, dass Hitzewellen in Europa und den USA eine mindestens 950- bis 4.400-mal höhere Wahrscheinlichkeit erlangt haben.

Daraus folgt: Hitzewellen wie die heurige im Juli sind mittlerweile einmal in zehn Jahren für Südeuropa zu erwarten. In Mexiko und den USA, wo im Death Valley das Thermometer Werte über 50 Grad Celsius anzeigt, rechnet die Forschungsgruppe alle 15 Jahre mit einem vergleichbaren Ereignis. In China wurde Mitte Juli mit mehr als 52 Grad Celsius ein neuer Höchstwert für das gesamte Land gemessen. Dort sollen ähnliche Hitzewellen sogar alle fünf Jahre auftreten, mit einer 50-mal höheren Wahrscheinlichkeit. Ohne den menschengemachten Klimawandel käme es dort nur einmal in 250 Jahren zu einem derartigen Event.

"So fühlt sich Klimawandel an"

Damit werden die Extremtemperaturen viel häufiger: "Eine maximale Hitze wie im Juli 2023 wäre in der Region USA/Mexiko und in Südeuropa praktisch unmöglich gewesen, wenn der Mensch den Planeten nicht durch die Verbrennung fossiler Energieträger erwärmt hätte", schreiben die Forscherinnen um Mariam Zachariah vom Imperial College London in Großbritannien. Die Erhöhung von CO2 in der Atmosphäre ist in der Geschichte der Erde zwar kein Einzelfall, besonders ist aber ihr Tempo. Zudem betreffen starke Veränderungen im Weltklima nicht mehr vereinzelte kleine Menschenpopulationen, sondern mehrere Milliarden Personen.

Video: Dutzende Tote bei Waldbränden in Algerien.
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Ob Extremereignisse direkt auf den Klimawandel zurückzuführen sind, war lange Zeit mit großen Unsicherheiten behaftet. Doch in den vergangenen Jahren hat sich die Attributionsforschung, die sich genau damit befasst, weiterentwickelt. Sie liefert Zusammenhänge, die immer stärker belastbar sind. Eine der Forscherinnen, die hier maßgeblich beteiligt sind, ist die deutsche Physikerin Friederike Otto vom Imperial College London. Sie wirkte auch an der aktuellen Untersuchung mit und ist Mitgründerin der WWA. "Ein überhaupt nicht überraschendes, aber wichtiges Ergebnis", schreibt Otto. "So sieht der Klimawandel aus, und so fühlt er sich an. Wir müssen uns anpassen, wir müssen aufhören, ihn noch schlimmer zu machen."

Zu den Ergebnissen kommen Forschungsteams, indem sie die Wahrscheinlichkeit für eine bestimmte Wetterlage, wie sie tatsächlich vorkommt, gewissermaßen mit einer alternativen Realität ohne menschengemachten Klimawandel vergleichen. Die Simulationen werden vielfach durchgespielt. Derzeit hat sich die Erde im globalen Durchschnitt um rund 1,2 Grad erwärmt. Für die WWA-Studie nutzten die Wissenschafterinnen Wetterdaten und Computermodelle, um die Auswirkungen dieser Erhitzung und eine Welt ohne diese Entwicklung gegenüberzustellen.

Brandstiftung und Feuerwetter

Mitunter werden solche Studien mit dem Argument kritisiert, dass Brände in Südeuropa in den meisten Fällen auf Brandstiftung zurückzuführen seien. Dabei gehe es aber nicht um den Ursprung eines Brands, ob nun ein Feuer absichtlich gelegt oder versehentlich ausgelöst wurde, sagt Klimawissenschafter Richard Betts von der Universität Exeter: "Wenn ein Feuer, aus welchem Grund auch immer, einmal ausgebrochen ist und die Landschaft aufgrund des heißen Wetters staubtrocken ist, ist es viel wahrscheinlicher, dass es sich zu einem schweren Brand entwickelt." Extrem heißes, trockenes Wetter komme im Mittelmeerraum immer häufiger vor.

Betts veröffentlichte mit Kolleginnen und Kollegen eine Forschungsarbeit, die den Zusammenhang zwischen Erderhitzung und Bränden analysiert. Dabei geht es um "Feuerwetter" ("fire weather"), also Wetterbedingungen, die hohe Temperaturen, Trockenheit und stärkere Winde kombinieren und daher Brände begünstigen. In der Studie, die 2022 im Fachjournal "Reviews of Geophysics" veröffentlicht wurde, heißt es: "Klimamodellen zufolge haben sich die Häufigkeit und die Extremität von Bränden im Mittelmeerraum aufgrund des Klimawandels bereits über die vorindustrielle Variabilität hinaus entwickelt und werden bei einer weiteren Erwärmung weiter ansteigen."

El Niño und das warme Meer

Einen gewissen Einfluss auf die weltweit höchsten Julitemperaturen dürfte auch das Wetterphänomen El Niño haben, wenngleich nur einen kleinen, wie das Forschungsteam um Otto schreibt. Es sorgt vor allem in der Pazifikregion für höhere Temperaturen, sagt Daniela Matei vom Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie: "El Niño wirkt sich nur sehr begrenzt auf das Wetter in Europa aus. Wenn überhaupt, könnte das nächste Frühjahr kühler ausfallen als gewöhnlich." Zu den europäischen Hitzewellen habe jedoch auch der Atlantik beigetragen, der überdurchschnittlich warm ist, insbesondere im Vergleich zu den Vorjahren. Matei führt aus, dass im Juni "die Wassertemperaturen an der Oberfläche mehr als ein Grad über dem langjährigen Durchschnitt" lagen. "Im Moment addieren sich also natürliche Schwankungen und die generelle Erwärmung auf. Dies führt zu Extremwetterereignissen, wie wir sie künftig immer häufiger erleben werden."

Im Mittelmeer ist diese Woche etwa ein neuer Temperaturrekord gemessen worden. Am Montag habe die Temperatur an der Wasseroberfläche 28,71 Grad betragen, teilte das in Barcelona ansässige Institut für Meereswissenschaften (ICM) am Dienstagabend unter Berufung auf Daten des EU-Erdbeobachtungsprogramms Copernicus mit. Dies sei die höchste jemals im Mittelmeer gemessene Tagestemperatur. Der bisherige Rekord hatte demnach bei 28,25 Grad gelegen. Er war während der extremen Hitzewelle im Sommer 2003 erreicht worden.

Auch in dem jüngsten Berichtzyklus des Weltklimarats IPCC wird deutlich gemacht, dass Extremereignisse öfter vorkommen, je stärker die globale Erwärmung voranschreitet. Das betrifft nicht nur Hitzewellen, wenngleich diese am ehesten in einen direkten Zusammenhang mit der Klimakrise gesetzt werden können. Auch bei Dürren und Überschwemmungen rechnen Klimafachleute mit heftigeren und häufigeren Ereignissen, die sich katastrophal auf Menschen und Ökosysteme auswirken können. "Eine Hitzewelle wie die jüngsten würde in einer Welt, die um zwei Grad wärmer ist als das vorindustrielle Klima, alle zwei bis fünf Jahre auftreten", heißt es von der WWA. In den kommenden Jahren dürfte in Sachen globale Durchschnittstemperatur der Schwellenwert von 1,5 Grad mehr als vor der Industrialisierung dauerhaft übertroffen werden.

Mehr Hitzetage in Österreich

Am Beispiel Österreich lässt sich der Trend zu vermehrten Hitzewellen beschreiben, wenngleich nicht im selben Ausmaß wie im Mittelmeerraum. Seit 1961 hat sich die Zahl der Hitzetage, an denen es 30 Grad oder mehr hat, verdoppelt bis verdreifacht. Wie die damalige Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), heute Geosphere Austria, im Vorjahr berichtete, galten in den Landeshauptstädten 1961 bis 1990 zwanzig Hitzetage bereits als Rekordwert. Bis 2020 war dies bereits "normal", besonders heiße Jahre brachten es auf mehr als 40 Hitzetage. Wenn der CO2-Ausstoß ungebremst fortgesetzt wird, könne es durch vermehrte Hitzewellen mitunter 60 bis 80 Hitzetage pro Jahr geben.

Dringend nötig sei nicht nur der schnelle und starke Rückgang der Treibhausgasemissionen, schreibt die Forschungsgruppe. Auch Anpassungsmaßnahmen müssen implementiert werden, um vermehrte Todesfälle durch hohe Temperaturen zu vermeiden. Dies müsse in der Stadtplanung berücksichtigt werden, um den Wärmeinseleffekt abzuschwächen, der für noch höhere Werte und zahlreiche Tropennächte sorgt, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad sinkt. Beides sei gerade angesichts der Urbanisierung und der alternden Bevölkerung in den drei untersuchten Regionen dringend erforderlich.

Kritik an Politik

Der wichtigste Aspekt ist für Otto: "Diese Extreme töten Menschen und zerstören vor allem das Leben und die Lebensgrundlagen derjenigen, die am Verletzlichsten sind", wird sie im "Guardian" zitiert. "Politiker behaupten oft, dass sie sich um normale Menschen und arme Menschen kümmern. Wenn uns die Menschen wichtig wären, wäre es ziemlich offensichtlich, was wir tun müssen. Ich glaube nicht, dass jemals bessere Beweise für eine wissenschaftliche Frage vorgelegt wurden." Beim UN-Klimagipfel im kommenden Winter, der COP 28, sei es dringend notwendig, das Ende der fossilen Energieträger einzuläuten.

Angesichts des Gastgebers, der Vereinigten Arabischen Emirate, dürfte dies aber ein hochgestecktes Ziel sein. "Wir haben noch Zeit, für eine sichere und gesunde Zukunft zu sorgen", hebt Otto einen optimistischen Aspekt hervor. "Wenn wir das nicht tun, werden weiterhin jedes Jahr Zehntausende von Menschen an hitzebedingten Ursachen sterben."

Zu berücksichtigen ist auch eine gewisse Verzögerung: Auch bei einem plötzlichen Stopp aller Emissionen setzt sich die Erwärmung noch bis zu einem gewissen Punkt fort. Je früher die Emissionen sinken, desto eher lassen sich manche Extremereignisse der Zukunft abschwächen. (Julia Sica, 25.7.2023)