Mindestens 30 Grad sind derzeit für viele Menschen, die im Dachgeschoß wohnen, Alltag. Noch einmal heißer wird es, wenn es keine Außenbeschattung, dafür aber große Glasfronten gibt. Schritt für Schritt habe man in den letzten Jahren jeden Raum mit Klimageräten ausgestattet, erzählt der Bewohner eines Dachgeschoßes im sechsten Bezirk in Wien. An heißen Tagen gehe es nicht ohne, sogar wenn die Wohnung den ganzen Tag abgedunkelt ist. "An besonders heißen Tagen lege ich mir nasse Tücher um den Hals und auf die Oberschenkel", erzählt eine andere Dachgeschoßbewohnerin. Lässt es sich in Zeiten von immer heißer werdenden Sommern unterm Dach noch aushalten?

In vielen Dachgeschoßen ist es jetzt wieder heiß, heiß, heiß - oft, weil nicht gut geplant wird.
In vielen Dachgeschoßen ist es jetzt wieder heiß, heiß, heiß. Gute Planung könnte eine Klimaanlage aber sogar unnötig machen.
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Der Ausbau der Dachböden alter Häuser hat in Wien in den letzten Jahren geboomt. Das Problem: Auf Gründerzeithäusern werden diese Ausbauten aus statischen Gründen meist in Leichtbauweise durchgeführt, erklärt der Sachverständige Remeco Rainer Reichel. Der Aufbau besteht also aus Stahlträgern und Holzplatten mit Wärmedämmung. "Da gibt es nicht viel speicherwirksame Masse", sagt Reichel.

Klimaanlage als Muss

Das bedeutet: Die Wohnungen heizen sich im Sommer besonders schnell auf – kühlen dafür aber auch relativ schnell ab, wenn die Temperaturen für einige Tage sinken. Noch ein oft unterschätztes Problem ist für Reichel die Fassadenfarbe – bei sehr dunklen Farben heizt sich diese auf bis zu 70 Grad auf – und die Dacheindeckung. Ist diese aus dunklem Blech, dann steigt die Temperatur auf dem Dach auf bis zu 80 Grad.

Daher gehört das Klimagerät bei neuen Dachgeschoßwohnungen mittlerweile dazu. Nachgefragt würden diese Wohnungen nach wie vor, sagt Karina Schunker, Geschäftsführerin von EHL Wohnen, vor allem wenn es sich um exklusive Dachgeschoßwohnungen mit großer Wohnfläche handle. Besonders die bonitätsstärkeren Kunden würden bei Eigentumswohnungen mittlerweile auf eine Klimaanlage bestehen und sich jedenfalls die Option wünschen, die Wohnung um einige Grad runterkühlen zu können. Eine Bauteilaktivierung alleine reiche nicht aus, sagt Schunker, obwohl solche Maßnahmen durchaus ergänzend zum Einsatz kommen würden.

Es geht auch ohne

Der Architekt Christoph Treberspurg ist anderer Meinung. Er ist überzeugt: Eine Dachgeschoßwohnung funktioniert auch ohne Klimaanlage. Sein Büro hat sich vor einiger Zeit im Forschungsprojekt Attic Adapt mit den Möglichkeiten des Dachgeschoßausbaus auf sozialen Wohnbauten beschäftigt. Abgesehen vom Klimaaspekt, erklärt Treberspurg, würde sich die Überhitzung durch Klimaanlagen nur verlagern, und zwar in die Innenhöfe, wo das Stadtklima insgesamt und die Nachbarinnen und Nachbarn unter der Wärme aus den Geräten leiden.

Allerdings braucht es dafür eine smarte Planung: Zunächst sollten die Grundrisse so geplant werden, dass gut quergelüftet werden kann. Weiters kann der Wärmeeintrag durch gute Dämmung verringert werden. Große Fensterflächen sind im Dachgeschoß häufig, da sie meist schöne Ausblicke gewähren und so viel Licht in die Wohnungen kommt. Darauf müsse nicht verzichtet werden, aber die Fenster sollten baulich gut verschattet sein.

Auch Raffstores, also spezielle Jalousien, ermöglichen es, die Sonne draußen zu halten, aber dennoch den Ausblick zu genießen. "Wenn im Sommer mal ein Lüftchen weht, dann dort oben", sagt der Architekt. Das könne mit einer automatischen Nachtlüftung ausnutzen: Ein Fühler erkennt, wann die Temperatur draußen kühler ist als drinnen, und die Fenster werden automatisch geöffnet.

Kühldecken als Option

Das Büro Treberspurg & Partner beschäftigt sich auch ausgiebig mit dem Thema Bauteilaktivierung. Dabei werden in Wänden oder Decken Rohrleitungen verlegt, durch die im Winter warmes Wasser zum Heizen und im Sommer kaltes Wasser als Kühlung geleitet wird. In Bauteilen aus Beton, der eine hohe Speicherkraft besitzt, kann auf diese Weise Wärme oder Kälte besonders lange gespeichert werden.

Aber auch im Dachgeschoß, wo Baumaterialien aufgrund der Statik leicht sein sollten, sind Kühldecken eine Option. Dafür gibt es laut Treberspurg auch leichte Baumaterialien, die über eine erhöhte Speicherkraft verfügen. So könne auch die Kälte, die durchs Lüften entsteht, länger gespeichert werden. "Auf 18 Grad, wie bei einer Klimaanlage, wird man es dadurch im Sommer zwar nicht schaffen, aber drei bis vier Grad weniger, um die Spitzen abzufangen, sind auf jeden Fall möglich", sagt der Architekt, der weiß, dass viele Menschen die Aufenthaltsqualität in durch Klimaanlagen gekühlten Räumen ohnehin als unangenehm empfinden.

Kein großer Knick

Ob das Wohnen ganz oben tatsächlich unbeliebter wird, zeigt ein Blick auf die Zahl der Dachgeschoßausbauten. Noch bemerkt man bei der Wiener Baupolizei hier keine große Abnahme: Die aktuellsten Zahlen stammen aus 2021, damals wurden 787 Bewilligungen in Wien ausgestellt – 2017 waren es mit 925 aber noch deutlich mehr, 2020 gab es Corona-bedingt einen ersten Knick.

Die Hitze dürfte sich bei der Wohnungssuche aber sehr wohl bereits bemerkbar machen: So sind Wohnungen mit Garten im Erdgeschoß gefragt. Und wer weiß, vielleicht wird Wohnen im Souterrain bald zum ultimativen Luxus – ganz unten, um nicht zu sagen, unter der Erde, ist es im Sommer nämlich am allerkühlsten. (Bernadette Redl, Franziska Zoidl, 29.7.2023)