Unlängst war ich mit dem Fahrrad auf einer Straße in Wien-Ottakring unterwegs. Mir kam eine junge Frau mit zwei Kindern auf ihrem Lastenrad entgegen, sie wollte links abbiegen und gab ein deutliches Handzeichen. Dennoch überholte ein Autofahrer sie in einem Affentempo auf der linken Seite. Im nächsten Moment wurde ich – mit Zweijährigem im Kindersitz – so geschnitten, dass mir nichts anderes übrigblieb, als in eine Parkbucht am Straßenrand zu fliehen. Auch die junge Frau hatte mittlerweile kapituliert, war abgestiegen und versuchte, zu Fuß die Straße zu überqueren. Wir schauten uns ratlos an, als sie sagte: "Es ist eine Welt für Autofahrer."

Mother making sure her son is safe to have a ride with a bicycle.
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Leider hat sie recht. Im Straßenverkehr bleiben die Schwächsten auf der Strecke. Manche Autofahrer glauben, ihnen allein gehöre die Straße. Eltern mit Kindern geben in diesen Situationen oft nach, weil sie viel zu verlieren haben. Ich kenne das auch von mir. Selbst wenn ich Vorrang habe, fahre ich ganz langsam in jede Kreuzung ein, halte Abstand von parkenden Autos und versuche, auf jedes mögliche gedankenlose Handeln anderer vorbereitet zu sein.

Mehr Selbstvertrauen

Gelegentlich sehe ich Fahrradfahrer– freilich ohne Kinder hinten drauf –, die weit mutiger sind. Dann bin ich beeindruckt und nehme mir mehr Selbstvertrauen beim Radfahren vor. Kurz gelingt mir das meistens auch. Doch dann ernte ich Beschimpfungen aus SUV-Fenstern, nur weil ich mir den Vorrang genommen habe, der mir ohnehin zusteht.

Es wäre höchste Zeit, dass Vorrangregeln sich zugunsten von Fahrradfahrern ändern, immerhin sitzen sie nicht allein in klimaschädlichen Blechkisten, die einen ganzen Fahrstreifen blockieren. Dann trauen sich vielleicht auch die schwächsten Verkehrsteilnehmer, endlich mutiger zu sein. (Bernadette Redl, 28.7.2023)