Kellner trägt drei Teller mit Speisen
Das Gastgewerbe hat einen schlechten Ruf – zu Recht? Beschäftigte geben Auskunft.
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Rauer Umgangston, viele Überstunden und schlechte Bezahlung: Die Arbeitsbedingungen in Gastronomie und Tourismus stehen immer wieder in der Kritik. Und das macht sich auch bei den Beschäftigungszahlen bemerkbar. Jedes Jahr verlassen rund 140.000 Menschen ihren Job im Gastgewerbe oder kehren nach einer Saisonbeschäftigung nicht wieder in den Betrieb zurück. Die Personalfluktuation ist damit in keiner Branche so hoch wie in dieser. Das belegte kürzlich eine Studie des Instituts für Höhere Studien. Haben Gastronomie und Hotellerie also zu Recht einen schlechten Ruf?

Um dieser Frage nachzugehen, haben wir mit aktuellen und ehemaligen Beschäftigten aus der Branche gesprochen. Sie gefragt, warum sie sich für den Job entschieden oder ihn verlassen haben. Die zahlreichen Rückmeldungen auf einen Social-Media-Aufruf des STANDARD machen deutlich: Die Arbeit im Gastgewerbe kann sehr erfüllend sein. Viele machen und machten den Job mit Leidenschaft. Es herrscht aber auch Einigkeit darüber, dass sich künftig etwas in der Branche ändern muss. Schuld seien aber nicht nur die Arbeitsbedingungen, sondern auch die Anforderungen der Gäste.

Mara Feißt (33), Restaurantleiterin

Porträt von Gesprächspartnerin Mara Feißt
Mara Feißt aus Wien tauschte vor sieben Jahren ihren Bürojob gegen die Gastronomie.
Rupert Rechling

"Das Arbeiten in der Gastro hat mir immer schon viel Freude bereitet, und es war eine gute Möglichkeit, mein Studium zu finanzieren. Gegen Ende meines Studiums habe ich begonnen, nebenbei und schließlich auch Vollzeit in verschiedenen Büros als Texterin zu arbeiten – bis ich bemerkt habe, dass mir das überhaupt nicht liegt. Ich hasse den Büroalltag, das lange Sitzen und vor sich hin zu arbeiten. Vor etwa sieben Jahren habe ich mich deshalb entschieden, als Quereinsteigerin hauptberuflich in die Gastronomie zu wechseln.

Vor kurzem habe ich die Sommelierausbildung abgeschlossen, um mir mehr Fachwissen anzueignen. Davon habe ich mir zudem ein besseres Gehalt erhofft – auch wenn der Unterschied nicht allzu groß ausfällt. Seit einiger Zeit arbeite ich als Restaurantleiterin in einem kleinen Betrieb mit einer Viertagewoche. Das Arbeitsklima ist wirklich gut, und meine Führungskraft achtet sehr darauf, dass wir ein gesundes Umfeld haben. Es war aber kein leichter Weg bis hier hin. Mit jeder schlechten Erfahrung habe ich gelernt, was mir wichtig ist und wo meine Grenzen sind.

Leistung, Arbeitsmoral und Pünktlichkeit sind natürlich wichtig in dem Job, aber man sollte kein dickes Fell haben müssen. Man muss sich nicht anschreien, beschimpfen oder belästigen lassen. Die Machtgefälle sind aber teilweise so groß, dass sich viele Beschäftigte nicht trauen, gegen solche Vorfälle vorzugehen. Gemeinsam mit Kolleginnen habe ich deshalb das Female Wine Collective gegründet, um einen Safe Space für Menschen aus der Branche zu schaffen und Austausch zu ermöglichen.

Aber auch die Einstellung der Gäste ist Teil des Problems. Vielen ist es mittlerweile wichtig, dass die Lebensmittel fair produziert sind, aber ob die Angestellten gerecht bezahlt werden, interessiert kaum jemanden. Durch den Personalmangel tut sich nun aber zum Glück etwas in der Branche. Weil den Beschäftigten endlich mehr Gehör geschenkt wird und die Betriebe sich nicht mehr alles erlauben können. Wenn ich in die Zukunft blicke, habe ich schon vor, mein Leben lang in der Branche zu arbeiten, und hoffe, dass sie für die nächsten Generationen ein schönes und erfüllendes Arbeitsumfeld bieten kann." (dang)

Florian Prutsch (31), ehemaliger Konditor

Porträt von Gesprächspartner Florian Prutsch
Seit Kindheitstagen hat Florian Prutsch aus Vorarlberg gerne gekocht und gebacken.
privat

"Ich habe den Job verlassen, weil es für mich keine Zukunft in der Brache gab. In quasi jedem Betrieb wurde ich ausgebeutet. Lange Arbeitstage, Verstöße gegen das Arbeitsrecht und toxisches Arbeitsklima – all das habe ich in der Branche erlebt. Um die Gastronomie attraktiver zu machen, muss sich viel ändern. Lehrlinge werden immer noch viel zu oft nur als billige Arbeitskräfte gesehen. Wenn Betriebe Fachkräfte haben wollen, müssen sie auch in die Ausbildung investieren. Die Arbeitsbedingungen müssen sich verbessern und Kontrollen seitens der Behörden öfter und unangekündigt stattfinden.

Viele meiner Freunde, die in der Gastronomie und Hotellerie arbeiteten, haben die Branche verlassen. Und anstatt dass nun versucht wird, durch höhere Löhne oder Benefits die Leute zu halten, werden die, die noch da sind, nochmals ausgepresst. Aber nicht nur die Mentalität der Vorgesetzten, auch die der Gäste muss sich ändern. Statt handwerklich hergestellte Torten zu kaufen, gehen viele lieber zu Fastfoodketten ins Café. Gutes Handwerk kostet etwas und Fachpersonen – wie ich eine bin – ebenso.

Meine Liebe zum Beruf entwickelte sich schon früh. Bereits als Kind habe ich mit meinem Opa gekocht und gebacken. Nach der Hauptschule entschied ich mich für eine Hotelfachschule, anschließend absolvierte ich eine Lehre zum Konditor. Nach dem Zivildienst und einigen Jahren Arbeit in einem Hotel-Restaurant und in der Konditorei durchlief ich erfolgreich einen Diplom-Patisserielehrgang. Mehr als zwölf Jahre war ich im In- und Ausland tätig. Doch die vielen negativen Erfahrungen haben mir den Job, für den ich eine Zeitlang wirklich lebte, derart madiggemacht, dass es für mich unmöglich war, weiter in der Branche zu bleiben.

Als die Pandemie begann, war für mich klar, dass ich gehen werde. Wie viele andere nutzte ich die Zeit, mich beruflich neu zu orientieren. Ich startete ein Pflegestudium, welches ich heuer im Juni abschloss. Ab September werde ich in einer Notaufnahme arbeiten. Meine Zeit in der Gastro möchte ich dennoch nicht missen. Fähigkeiten wie Stressresistenz kann ich auch im neuen Job gut gebrauchen." (dang)

Sarah S. (23), Hotelfachfrau

Sarah macht kurz Pause im Klappstuhl, bevor das Abendessen im Hotel los geht.
Die gelernte Hotelfachfrau übersiedelte von Friedrichshafen am Bodensee ins Salzburgerische und damit in ihren "Traumjob".
Karin Bauer

"Ich wollte weg vom Schulischen und habe auf dem Weg von Praktika viel probiert: im Kindergarten, als Krankenschwester, in der Hotellerie – dort wollte ich bleiben und habe eine Lehre als Hotelfachfrau begonnen. Dann waren meine Eltern 2018 im Urlaub in Salzburg und haben die Eigentümerin vom Hotel Kristall in Großarl zufällig bei einer Bergtour kennengelernt. Ich war damals noch am Bodensee in der Region Friedrichshafen, ich komme von dort, habe mir dann das Hotel im Salzburgerischen angesehen, bin hingefahren, habe mich vorgestellt. Und es hat gepasst. Am Anfang war der Umzug aus der Heimat manchmal schwierig, vor allem während der Corona-Lockdowns, da war es sogar schlimm – aber mir gefällt die Landschaft hier so gut, im Sommer und im Winter!

Die ersten Jahre hatte ich praktisch keine Ausgaben, weil ich ja Kost und Logis dabeihatte. Seit ein paar Monaten habe ich eine eigene Wohnung. Für mich ist Spaß die Hauptsache in der Arbeit, und den habe ich! Das ist mir wichtiger, als viel Geld zu verdienen. Wenn die Gäste glücklich sind, dann bin ich's auch – wir haben Glück, weil ganz selten komplizierte Gäste dabei sind, meistens offene, nette. Überstunden gibt's bei uns – wir sind zwischen 15 und 20 Leute hier – eigentlich kaum. Wir sind auch wie eine große Familie hier im Hotel, die Chefin weiß, wann es jemandem nicht so gut geht, und kümmert sich. Es ist eine Arbeit auf Augenhöhe.

Das negative Image der Arbeit in der Hotellerie kann ich gar nicht bestätigen. Aber wenn du total gegen Arbeiten am Wochenende oder am Feiertag bist, geht das natürlich nicht so gut. Das bin ich aber nicht. Ich möchte auch auf jeden Fall in der Branche bleiben. Wenn ich einmal Kinder habe, will ich weniger Stunden arbeiten, aber sicher trotzdem bleiben." (kbau)

Thomas Achleitner (43), ehemaliger Koch

Porträt von Gesprächspartner Thomas Archleitner
Seine Gastroausbildung absolvierte Thomas Achleitner im Salzkammergut.
privat

"Meine Laufbahn in der Gastronomie hat bereits mit 16 Jahren begonnen. Für mich war es aber nie meine große Leidenschaft. Es war eher so etwas wie eine Notlösung. Ich habe es im neunten Schuljahr mit der Handelsakademie versucht, war jedoch einfach zu faul – oder sagen wir: zu bequem –, eine ordentliche Leistung zu bringen. Ich wusste nicht recht, was ich stattdessen machen sollte, also wurde es eine Kochlehre. Die einzigen positiven Sachen, die ich aus meiner Lehrzeit mitnehmen konnte, waren: Werde niemals wie deine Chefs – und dass ich meine zukünftige Frau kennenlernen durfte.

Im Arbeitsalltag gab es nur Geschrei und Beschimpfungen. Mit viel Bauchweh habe ich die Ausbildung durchgezogen. Nach meiner Lehrzeit durchlief ich einige Betriebe, zum Großteil in Österreich. Solange ich jung war, hat es auch ganz gut mit den täglichen Belastungen geklappt. Aber je älter man wird, desto schwieriger wird der Arbeitsalltag, der an manchen Tagen Dauerstress von früh bis spät bedeutet. Auch Alkoholkonsum ist ein Thema, das man in der Gastro nicht unterschätzen darf.

Mit 39 Jahren habe ich beschlossen, einen Neustart zu wagen. Ich machte eine neunmonatige Ausbildung zum Fahrdienstleiter. Diesen Beruf übe ich nun seit vier Jahren aus und muss sagen, dass das die beste Entscheidung meines Lebens war. Dass die Arbeit in der Gastro für viele so unattraktiv ist, liegt vor allem an der Bezahlung. Aber auch die zum Teil herabwürdigende Behandlung durch manche Gäste sowie die Vorgesetzten. Dass sich daran künftig etwas ändern wird, glaube ich nicht. Hinzukommen unregelmäßige Dienstzeiten: geteilte Dienste, das Arbeiten an Wochenenden und Feiertagen, all das gehört oft dazu. Für viele ist das schwer mit dem Privatleben vereinbar – vor allem wenn man Familie hat. Ich bin selbst Vater von zwei Kindern und spreche daher aus Erfahrung." (dang)

(Anika Dang, Karin Bauer, 20.8.2023)