Prachtgastgarten in Döbling, Casino Zoegernitz
Prachtgastgarten in Döbling, großartiges Essen – und leistbar noch dazu? Das gibt’s echt, und zwar auf historischem Boden.
Gerhard Wasserbauer

Okay, an den Innenraum mit Neon am Plafond, grellbunter Möblage, Messing und Marmor satt muss man sich gewöhnen wollen. Andererseits fällt das gerade in Döbling, wo sich das Geld vorzugsweise in Form von Eigenheim-Protz der ausgesucht linkischen Art manifestiert, gar nicht so schwer: Das Restaurant des Casino Zögernitz tut einem wenigstens nicht unabsichtlich weh. Und das Museum ("House of Strauss") dürfte, wenn man vom bereits einsehbaren Shop auf den Rest schließen kann, regelrecht spektakulär werden. Innenarchitekt Denis Košutić ist auf exaltierten Bling-Style spezialisiert, er lässt es gern richtig scheppern.

Dafür ist der Kiesgarten mit alten Bäumen, Plätscherbrunnen und klassischem Eisengestühl einer der schönsten, die man sich denken kann. Dass hintenraus ein aufsehenerregend restaurierter Konzertsaal wartet, wo schon Johann Strauß, aber auch Nikolaus Harnoncourt musiziert hat, muss man gar nicht wissen – als Hintergrundrauschen, wie und warum hier plötzlich alles so besonders ist, ist es aber ganz informativ.

Das Restaurant war schon vor Corona einmal offen und wurde als "Brasserie" vermarktet. Hummer und Moules Frites, Feldhase und Bœuf Bourguignon in einem zur Farbenblindheit animierenden Dekor waren den Döblingern aber zu französelnd – und gar exklusiv kalkuliert noch dazu. Wenn es in Wien eine geografisch-gastronomische Regel gibt, dann die: In den g’stopften Bezirken muss das Essen vor allem günstig sein. Und in Döbling noch einmal ganz besonders.

Im zweiten Anlauf haben die Eigentümer das beherzigt – ohne deshalb Abstriche bei der Qualität zu machen: Mit Stefan Glantschnig wurde ein Koch von Graden als Betreiber geholt. Der Mann war Sous-Chef beim Dreisterner Jan Hartwig in München, davor werkte er beim famosen Manuel Ressi in Hermagor. Glantschnig selbst ist die meiste Zeit in seinem prächtigen Hotel am Weissensee, er hat mit Matthias Sramek (zuvor in Gerhard Schillers Traum-Wirtshaus in Sommerein am Leithagebirge) und Sous-Chef Edi Bauer (war mit Glantschnig schon bei Hartwig) aber ein außerordentlich gut disponiertes Team installiert.

Fischfilet mit bissfestem Gemüse.
Fischfilet mit bissfestem Gemüse.
Gerhard Wasserbauer

Das Programm ist jetzt auch so, wie man sich’s an einem so essenziell wienerischen Ort wünscht: Backhendl, Krautfleckerln, Beuschel und Cremespinat mit Ei. Der Kanon der Wiener Küche, nur halt mit Topkräften in der Küche, die sich mit der nötigen Ehrerbietung zu diesen Lieblingsgerichten hinunterbeugen. Halbes Bio-Backhendl, vor dem Panieren mariniert, wird mit einem grandios angemachten Salat (mit Kernöl, aber auch mit Jalapeño-Emulsion) aufgetragen – die 19 Euro sind eine Mezzie. Krautfleckerln, hausgemacht, mit nicht zu süßem, knackigem Kraut und ein bissl Krautsalat für die Frische, sind schlicht grandios – ewig nicht mehr so perfekt bissfest, süßsauer, heimelig kümmelig serviert bekommen wie hier. Auch das Beuschel, knackig, hauchfein geschnitten, mit ordentlich Gemüsejulienne und wunderbar nachhaltigem Majoranduft, knusprigem Knödel und animierender Säure ist grandios.

Laissez-faire

Kasnudln sind bei einem Kärntner wie Glantschnig natürlich Pflicht, hier kommen sie handgekrendelt und mit souverän abgeschmeckter Fülle zu Tisch – wird man auch in Kärnten kaum wo besser kriegen als hier. Der beste Tipp ist aber, die Küche einfach machen zu lassen. Die Überraschungsmenüs (€ 65 für fünf Gänge, € 42 für drei) sind ein Geschenk, angesichts des Gebotenen schon gar. Da ist oft Wild von einem befreundeten Jäger im Wienerwald dabei, ein Stück Steinbutt, Forelle oder Kabeljau in animierender Sauce – aber auch gebackenes weiches Ei in souverän abgeschmecktem Spinat.

Es gibt nicht mehr viele Orte, an denen unserer Küche so viel Liebe und Zuwendung angetan wird – in einem Garten wie diesem, zu derart zivilisierten Preisen wähnt man sich glatt in einem Traum. (RONDO, Severin Corti, 4.8.2023)