Es ist ein perfides, aber oft genutztes Instrument von Populisten, den Schmerz von Opfern sexualisierter Gewalt für ihre eigenen politischen Anliegen zu benutzen. So geschah es nun auch in Israel, wo gegen jede Expertise der Opferverbände ein Gesetz beschlossen wurde, das Vergewaltigung strenger bestraft, wenn sie "auf nationalistischer Basis" geschah. Gemeint damit sind palästinensische Täter.

Eine neue Gesetzesänderung in Israel sorgt für heftige Kritik: Arabische Sexualverbrecher sollen schärfer bestrafen als jüdische.
EPA/ATEF SAFADI

Niemand weiß, ob diese härteren Strafen auch tatsächlich verhängt werden. Allein, wie die Debatte geführt wurde, ist jedoch ein Schlag ins Gesicht der Opfer sexueller Gewalt. Man denke an die zahlreichen ehemaligen Thorastudenten, die nach vielen Jahren den Mut aufbrachten, über die sexuelle Gewalt zu sprechen, die ihnen von Rabbinern angetan wurde. Der israelische Staat tat nichts, um dieses strukturelle Problem anzugehen. Vielmehr signalisiert man den Leidtragenden nun, dass ihr Trauma weniger schwer wiegt als jenes der Betroffenen, die an einen arabischen Täter gerieten.

Ähnlich steht es um die vielen Frauen und Kinder, sei es in jüdischen, arabischen oder zugewanderten Familien, die mit häuslicher Gewalt leben müssen. Sie leiden immer noch unter fehlenden Notbetreuungsplätzen, mangelnden psychologischen Hilfsmöglichkeiten und einem Gewaltschutz, der viel zu spät ansetzt.

Es gab unter den Betroffenen dieser Arten von Gewalt schon bisher die schmerzvolle Ahnung, dass ihr Leid dem Staat als weniger dringlich erscheint als das Leid der Betroffenen terroristischer Gewalt. Das aktuelle Gesetz bestätigt sie darin. (Maria Sterkl, 1.8.2023)