New York – Die Ratingagentur Fitch hat den USA überraschend die Spitzenbonität entzogen und damit heftige Reaktionen in Washington ausgelöst. Die Note für die Kreditwürdigkeit werde angesichts der steigenden öffentlichen Defizite und des wiederkehrenden Streits um eine Anhebung der Schuldenobergrenze um eine Stufe von "AAA" auf "AA+" gesenkt, kündigten die Bonitätswächter in der Nacht auf Mittwoch an.

Firmenschild Fitch Ratings.
Fitch ist eine Agentur für bankaufsichtliche Risikogewichtung mit Sitz in New York.
AP/Henny Ray Abrams

Trotzdem werden Investitionen in US-Staatsanleihen damit immer noch als sichere Anlage bewertet, mit einem so gut wie vernachlässigbaren Ausfallrisiko. Dennoch könnte es künftig für die Regierung teurer werden, am Finanzmarkt neue Schulden aufzunehmen.

US-Finanzministerin Janet Yellen kritisierte die Entscheidung als "willkürlich". "Ich stimme mit der Entscheidung von Fitch Ratings absolut nicht überein", sagte die Demokratin. "Die Arbeitslosenquote liegt nahe einem historischen Tiefstand, die Inflation ist seit vergangenem Sommer deutlich zurückgegangen, und die Konjunkturdaten von voriger Woche zeigen, dass die US-Wirtschaft weiter wächst." Der Wahlkampfsprecher von Präsident Joe Biden, Kevin Munoz, machte dessen Vorgänger Donald Trump verantwortlich. "Diese Herabstufung ist eine direkte Folge einer extremen Agenda der Republikaner, die von Chaos, Gefühllosigkeit und Rücksichtslosigkeit geprägt ist und die die Amerikaner weiterhin ablehnen", sagte Munoz. Trump habe die Republikaner im Kongress angestachelt, beim Streit um die Schuldenobergrenze auf eine Zahlungsunfähigkeit hinzuarbeiten.

Schuldendeal gefährdet Volkswirtschaft

Seit vielen Jahren ringen die jeweiligen Regierungen und die Opposition regelmäßig über einen Schuldendeal, was die weltgrößte Volkswirtschaft immer wieder an den Rang einer Staatspleite treibt. Zuletzt wurde Anfang Juni nach zähem Ringen ein Kompromiss zur Aussetzung der Schuldenobergrenze von derzeit 31,4 Billionen Dollar (28,6 Billionen Euro) vereinbart – wenige Tage später hätte den USA sonst die Zahlungsunfähigkeit gedroht. Unter diesem wiederkehrenden Problem leide das Vertrauen in die Finanzpolitik, ein mittelfristiger Finanzrahmen fehle, begründete Fitch die Herabstufung. Zudem wird auf eine steigende Neuverschuldung verwiesen, die heuer bei 6,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (Bip) liegen soll – nach 3,7 Prozent 2022. Zudem erwarten die Bonitätswächter, dass die US-Wirtschaft um den Jahreswechsel 2023/24 in eine Rezession abrutschen wird.

Fitch ist bereits die zweite führende Ratingagentur, die den USA die Spitzennote entzogen hat. Standard & Poor's stufte die Bonität schon 2011 herab auf "AA+". Auch damals wurde auf die zunehmende politische Polarisierung im Land verwiesen, die eine solide Haushaltsführung erschwere.

Globale Vorsicht

Die Herabstufung ließ Anleger rund um den Globus vorsichtiger werden. An der japanischen Börse in Tokio schloss der 225 Werte umfassende Nikkei-Index. In China lag die Börse Schanghai 1,1 Prozent im Minus. "Die Herabstufung zeigt uns, dass die Regierung der größten Volkswirtschaft der Welt ein Problem mit ihren Ausgaben hat", erklärte Chefökonom Steven Ricchiuto von der Investmentbank Mizuho Securities die Börsenentwicklung.

Kurzfristig dürfte die Herabstufung kaum Auswirkungen auf die US-Staatsfinanzen haben, schrieben die Commerzbank-Ökonomen Bernd Weidensteiner und Christoph Balz in einer Analyse. US-Staatsanleihen blieben wegen ihrer hohen Liquidität "unschlagbar". Zudem würden sie in der Weltleitwährung Dollar ausgestellt. "Dies ändert allerdings nichts daran, dass sich die US-Staatsverschuldung auf einem nicht tragfähigen Kurs befindet", so die beiden Volkswirte. (APA, 2.8.2023)