"Schmeckt pflanztastisch" war auf den Werbeschildern zu lesen. Daneben abgebildet war ein fröhlich lächelndes Mädchen mit geflochtenen Zöpfen, das sich Gurkenscheiben an die Augen hält. Das Versprechen des veganen Burger King am Wiener Westbahnhof: Alles, was man in der Filiale bestellen kann, ist vegan – von den Patties über die Saucen und den Käse bis hin zum Eis. Während bei der Eröffnung die Menschen noch Schlange standen, herrschte später oft gähnende Leere. Nur neun Monate später war dann die Nachricht zu lesen, dass die rein pflanzliche Kost passé ist. Die knalligen Signal-Beklebungen wurden abgezogen und das "100 % vegan" entfernt. Im Burger ist nun wieder Tier.

Vegan; Burger King; Westbahnhof Wien
Im Sommer des Vorjahres eröffnete ein veganer Burger King am Westbahnhof. Er musste aber schon nach wenigen Monaten wieder schließen.
Burger King

Pflanzliches Fleisch stelle sich als "Flop" heraus, verkündete Bloomberg Anfang des Jahres und machte dies an den Börsenkursen fest. Dass wichtige Hersteller veganer Produkte an den Börsen schmerzhaft an Gewicht verlieren, berichtete bereits DER STANDARD im Vorjahr. Die Aktie von Beyond Meat verlor seitdem weiter an Wert, wobei sie im Mai mit 9,82 US-Dollar ihren Tiefpunkt erreichte. Mittlerweile geht es wieder leicht bergauf. Ist der Hype um das Ersatzfleisch wirklich vorbei?

Kopie unverwünscht?

"Das kommt darauf an", sagt Hermann Neuburger. Gemeinsam mit seinem Sohn Thomas leitet er das Mühlviertler Familienunternehmen. Neuburger bot neben dem bekannten Leberkäse schon früh Fleischalternativen an. Produkte, die Fleisch möglichst authentisch nachahmen sollen, würden sich langfristig nicht durchsetzen, schätzt Neuburger. Sie würden immer mit Fleisch verglichen, und die Menschen seien dann enttäuscht, "dass es nicht wie Fleisch schmeckt". Zudem: Um Wurst, Nuggets und Co sowohl vom Aussehen als auch von der Textur her nahezukommen, seien einige Zusatzstoffe nötig. Fleischalternativen müssten sich weiterentwickeln, sagt der gelernte Fleischer und Koch im STANDARD-Gespräch. Er sieht eine neue Generation von Produkten im Kommen, die nicht mehr wie Fleisch aussehen und auch gesünder sind, etwa weil sie weniger schädliche Zusatzstoffe enthalten. "Für diese Produkte sehe ich eine große Zukunft."

"Hermann Fleischlos", die vegetarische Linie des Unternehmens, musste im Frühling des Vorjahres eingestellt werden. Die Pandemie und der Angriffskrieg in der Ukraine hätten die Rohstoffkosten derart in die Höhe getrieben, dass man kein leistbares Produkt mehr anbieten konnte, ohne qualitative Abstriche machen zu müssen. Im März stellte Neuburger jedoch einen neuen Artikel vor: das "Fungi Pad", das unter anderem aus Pilzen besteht. Dass es nicht aussieht wie Fleisch, sei ganz bewusst so entschieden worden, sagt Neuburger: "Wir sind öfter gefragt worden, ob die Produkte wirklich immer wie Fleisch und Wurst aussehen müssen. Das haben wir aufgenommen." Bei der Form des Funghi Pads habe man sich "bei Steve Jobs etwas abgeschaut", und tatsächlich: Es erinnert an ein Mobiltelefon. "Die Leute waren am Beginn irritiert." Doch mittlerweile verzeichne man Umsatzsteigerungen. Mit Rezeptvorschlägen auf der Homepage wolle man potenziellen Kundinnen und Kunden zeigen, was sie mit dem Funghi Pad alles kochen können: Reisfleisch oder Kartoffelgulasch, aber auch Ramen oder Schaschlik-Spieße. 80 Rezepte sind bereits auf der Seite zu finden, 100 sollen es noch werden.

Sandwich; vegane Wurst; Fleischersatz; pflanzliche Wurst
Das Angebot an veganer Wurst und veganem Fleisch steigt stetig. Bei der Frage, ob die Imitate dem echten Fleisch ähneln sollen, scheiden sich die Geister.
Getty Images/nito100

Ein Imagewandel

Dass Fleischalternativen künftig nicht mehr wie Fleisch aussehen dürfen, unterschreibt Verena Wiederkehr nicht. Sie ist Head of Plant-Based Business Development bei Billa, leitet also den Fachbereich für das pflanzliche Sortiment. Zuvor hat sie bei Beyond Meat gearbeitet. Dass pflanzliches Fleisch, das dem tierischen ähnelt, künftig weiter gefragt sein wird, hat für Wiederkehr einen einfachen Grund: "Wir Menschen handeln aus Gewohnheit, und die meisten von uns sind mit tierischen Produkten aufgewachsen. So können sie traditionelle Gerichte wie eine Bolognese auch rein pflanzlich zubereiten." Deshalb habe Billa nach wie vor viele Pendants zu klassischen Fleischprodukten im Sortiment, wie zum Beispiel rein pflanzliche Wurstknödel oder Faschiertes aus Erbsenprotein. Darüber hinaus gebe es auch Produkte wie Tofu. Sie sollen eine Zielgruppe ansprechen, die keine typischen Pendants zu tierischen Produkten sucht.

Wenig überraschend denkt Wiederkehr nicht, dass Fleischalternativen passé sind und der Hype vorbei ist. Der Umsatz mit diesen Produkten steige jährlich, das zeigen auch Analysen des Marktforschungsinstituts Nielsen. Es würden sich auch immer mehr Menschen dazu entscheiden, kein oder weniger Fleisch zu essen, sagt Wiederkehr. Laut Statistik Austria ist der Pro-Kopf-Konsum seit 2012 um fast zehn Prozent gesunken. Jüngere Generationen würden schon viel selbstverständlicher auf tierisches Fleisch verzichten. "Die Nachfrage wird sich also noch vergrößern", prognostiziert Wiederkehr. Um sie zu bedienen, nehme Billa stets neue Produkte in das Sortiment auf. In Wien hat Billa seit einem Jahr sogar einen eigenen Store, der ausschließlich pflanzliche Produkte anbietet, genau genommen 2.500 auf 200 Quadratmetern. Das Geschäft liefe "viel besser als erwartet", sagt Wiederkehr. Den größten Umsatz würden übrigens die pflanzlichen Fleisch-, Wurst- und Milchprodukte generieren.

Allerdings ist sie auch der Meinung, dass sich das Image wandeln müsse. Weil Fleischalternativen anfangs geschmacklich nicht wirklich überzeugten, sei "viel verbrannte Erde entstanden". Aus diesem Grund hat Billa auch seine Eigenmarke Vegavita neu aufgestellt. Das Logo ist nun schwarz statt grün, das neue Design soll zu einem modernen Image beitragen. Anstatt von "veganem Fleischersatz" spreche man nun lieber von "pflanzlichen Fleischprodukten", erklärt Wiederkehr. "Plant-based" sei ein Begriff, der vor allem eine jüngere Zielgruppe anspricht.

Video: Wie vegan is(s)t Österreich?
DER STANDARD

Nachfrage weiter da

Christian Zacherl forscht seit mehr als 15 Jahren am Fraunhofer-Institut in Deutschland zu Fleischersatzprodukten. Zu den sinkenden Börsenkursen sagt er: "Ich habe schon auch gesehen, dass es eine Blase war und gerade amerikanische Unternehmen wie Beyond Meat überbewertet waren." Nun hätten sich die Zahlen auf ein "normales Niveau" eingependelt. Doch auch wenn die Wachstumskurve nicht mehr so steil sei: Der Markt wachse weiterhin, die Nachfrage ebenso. Alles spreche dafür, dass sich Menschen in Zukunft mehr von pflanzlichen Produkten ernähren werden – die Ethik, aber beispielsweise auch, dass die Anbaufläche für Futtermittel begrenzt sei. "Wird irgendwann der wahre Preis auf die Produkte umgelegt, ist Fleisch auch nicht mehr so billig." Das werde die Alternativen nochmal attraktiver machen, ist Zacherl sich sicher.

Vegane Würste; Beyond Meat
Würstchen der Marke Beyond Meat: Werden sie sich langfristig gegen ihr fleischliches Pendant durchsetzen?
Reuters/Mike Blake

Und was denkt der Experte, wie sie künftig schmecken werden? Einige Zeit war es schließlich das oberste Ziel vieler Hersteller, Fleisch möglichst realistisch nachzubilden. Das trübe, schnell schmelzende Rinderfett wurde etwa durch Kokosfett imitiert. Damit der Burger zumindest optisch "saftelt", kam Rote Rübe zum Einsatz. Zudem waren viele Röstaromen enthalten. "Der Trend geht weg von den übertriebenen Fleischgeschmäckern zu eher neutralen Würzungen", meint Zacherl. Gleichzeitig verbessere sich die Textur stetig: "Es muss saftig sein, wenn man hineinbeißt." Erbsen, Linsen, Ackerbohnen und andere Hülsenfrüchte böten "viele Möglichkeiten und spannende Geschmacksnuancen".

"Irgendwann wird es vielleicht sogar so sein, dass man fragt: Willst du eine normale Wurst oder eine mit Fleisch?" (Forscher Christian Zacherl)

Viel Potenzial sieht Zacherl übrigens in Hybridprodukten, die halb Fleisch, halb Gemüse sind. Es gebe bereits innovative Fleischereien, die sich auf solche Produkte spezialisiert haben. Rebel Meat aus Wien ist so ein Beispiel. "Wenn man alles, was Fleisch ist, durch so etwas ersetzt, wäre der ökologische Effekt global gesehen noch größer als jener durch vegane Produkte", sagt Zacherl. Woran er allerdings nicht glaubt, ist das Fleisch aus dem Labor: "Anfang der 2000er-Jahre hieß es schon, dass das In-vitro-Steak bald kommt. Aber was seine Energiebilanz angeht, ist es einfach nicht so effizient wie eine Pflanze, die auf dem Feld wächst." Er ist sich sicher: Fleischalternativen werden in Zukunft einen großen Stellenwert haben. "Irgendwann wird es vielleicht sogar so sein, dass man fragt: Willst du eine normale Wurst oder eine mit Fleisch?" (Lisa Breit, 10.8.2023)