Bayreuth
Richard Wagner hat mit den Bayreuther Festspielen eine sehr spezielle Institution geschaffen.
AFP/CHRISTOF STACHE

Aufregung, dass es während der Bayreuther Festspiele noch Karten gibt? Dies passierte natürlich schon früher, die Aufregung ist ein wenig künstlich. Der Zwist zwischen Christoph Schlingensief und Bayreuth-Herrscher Wolfgang Wagner, der mit dem Parsifal-Regisseur die Modernität der Festspiele demonstrierte und ihn doch als einzufangenden Zauberlehrling behandelte – das waren echte Aufreger! Heftig auch der Abgang von Andris Nelsons: Statt Parsifal zu dirigieren, reiste er entnervt ab. Der damalige Musikchef Christian Thielemann sei ihm mit Ratschlägen bei Proben gehörig auf die Nerven gegangen.

Und was für ein Theater rund um die Nachfolge von Langzeitherrscher Wolfgang Wagner! Er wollte Tochter Katharina installieren, da wagte es der Stiftungsrat, Eva Wagner-Pasquier, Wolfgang Wagners Tochter aus erster Ehe, als Nachfolgerin zu nominieren.

Man hatte allerdings nicht bedacht, dass der machtbewusste alte Herr einen Vertrag auf Lebenszeit hatte. Er trat nicht zurück, worauf sich Eva zurückzog. Doch ging das aufregende Stück weiter: 2008 bewarben sich Nike Wagner (Tochter von Wieland Wagner, Wolfgangs Bruder) und dies sogar zusammen mit Gerard Mortier für die Leitung. Um dies zu verhindern, schmiedete Wolfgang einen Bund zwischen Katharina und Eva, die zunächst auf der Seite Nikes gewesen war. Das Duo übernahm Bayreuth, bis sich Eva nach ein paar Jahren zurückzog.

Interne Defizite

Das war wirklich aufregend und hielt spannungsmäßig mit den jährlichen "Regietheaterskandalen" mit, die später oft zu Kultinszenierungen wurden. Stichwort Jahrhundert-Ring von Patrice Chéreau. Im Vergleich dazu ist das Kartentheater klein dimensioniert, es könnte aber natürlich größer werden. Zeigt es zwar noch nicht, dass der Nimbus der Festspiele Schaden leidet, so verweist das Kartenthema doch auf strukturelle Defizite, die auch Katharina Wagner "hausgemacht" nennt.

Die Süddeutsche Zeitung berichtet etwa, dass 2000 Neukundendaten gelöscht wurden. Manche Gelöschte waren denn auch verwundert, nicht mehr angeschrieben worden zu sein. Zusatzproblem: Karten seien Monate später als üblich in den Verkauf gelangt. Zu spät für einige, die den Ring, also vier Aufführungen in sechs Tagen, erleben wollten. Natürlich wurden inflationsbedingt auch die Kartenpreise erhöht. Für den Parsifal mit "Digitalbrillenbeilage" legte man schon bis zu 540 Euro hin.

Einnahmen durch Tickets sind wichtig. Sie tragen 50 Prozent zum Budget von rund 32 Millionen Euro bei. Wenn da etwas nicht stimmt, steigt auch der Druck der Festspiele GmbH, in der neben dem Bund, Freistaat Bayern, der Stadt Bayreuth auch die Freunde der Festspiele sitzen, die sich eher traditionell geben. Man hat etwa eine Inszenierung Jonathan Meeses gekippt, weil er angeblich das Budget um 100.000 Euro überschritten hatte.

Nicht näher genannte Reformen

Wer Geld gibt, redet drein, heißt es offenbar in Bayreuth. Alle machtbewussten GmbH-Beteiligten steuern im Durchschnitt jeweils an die drei Millionen jährlich bei. Kürzlich sickerte durch, dass der Freundesverein, der 29 Prozent der Anteile an der Festspiele GmbH hält, ab 2024 womöglich eine Million Euro weniger zahlen möchte. Prompt äußerte der Freistaat Bayern den Wunsch, seinen Anteil auf 37 Prozent zu erhöhen. Zugleich verlangte Kunstminister Markus Blume nicht näher genannte Reformen.

Bei alledem dürfte es sich auch um ein Warmlaufen für die Entscheidungsfrage handeln, ob Katharina Wagner nach 2025 weiter die Leitung innehaben oder erstmals kein Mitglied der Wagner-Familie übernehmen soll. Alle anderen infrage kommenden Wagners sind in einem Alter, das sie nicht als innovative Zukunftslösung erscheinen lässt. Für Katharina Wagner spricht, dass sie mutige Regiekonzepte ermöglicht. Unvergessen auch ihre eigenen Meistersinger, bei denen zum Schluss mit einer Bücherverbrennung an die Schattenseiten der deutschen Historie erinnert wurde, deren unrühmlicher Teil auch Bayreuth zeitweise gewesen war. Da wurde es mal plötzlich ganz düster in der Komödie.

Satzung als Vorteil

Katharina Wagner, die schwere Zeiten hinter sich hat, 2020 wegen einer Lungenembolie zeitweise im Koma lag, ist nicht gesetzt, heißt es seitens des bayerischen Kulturministers. Die Urenkelin des Komponisten hat durch die Satzung der Wagner-Stiftung aber einen Vorteil. Geschrieben steht, dass ein Mitglied der Familie Bayreuth leiten soll, außer "andere, besser geeignete Bewerber" tauchten auf.

Doch wer soll das beurteilen? Die Stiftung kann Vorschläge machen, aber die Mitglieder der Festspiele GmbH können dagegen sein. Auch Katharina Wagner stellt Bedingungen. Sie nennt Bereiche wie Sponsoring, Marketing, Modernisierung der Organisation und Gesellschafterstruktur. Natürlich auch die Finanzen. Sie hat ihre Erfahrungen mit Macht und Machtlosigkeit gemacht.

Interne Innovation tut not, eine künstlerische ist schwer zu bewirken. Wagner hat verordnet, dass auf dem Grünen Hügel nur seine Werke gespielt werden dürfen. Natürlich gab es schon Konzepte, die das Dogma über Bord werfen wollten. Solche Gedanken wälzte etwa seinerzeit Gerard Mortier. (Ljubisa Tosic, 4. 8.2 023)