Ein geschlossener Gastgarten geschmückt mit eiförmigen Luftballons anlässlich der behördlich verordneten Osterruhe im April 2021 beeinträchtigte vor allem Handel, Gastgewerbe und Freizeitwirtschaft.
Lockdowns und Geschäftsschließungen sind im Jahr 2023 längst vorbei. Die Folgen für Unternehmen nicht.
imago images / Viennareport

Wer in Österreich auf Corona-Hilfszahlungen angewiesen ist, der kann was erzählen. Wohl unterliegt die eigens für die Corona-Unternehmenshilfen eingerichtete Covid-19-Finanzierungsagentur (Cofag) der gesetzlichen Vorgabe, die Zahlungsfähigkeit der Unternehmen während der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu erhalten und Liquiditätsschwierigkeiten effizient, transparent und nachvollziehbar zu überbrücken. In der Praxis gestaltet sich das bisweilen aber schwierig.

Einen wahren Hürdenlauf musste ein auf Automatisierung spezialisiertes Unternehmen im Waldviertel absolvieren. An die 400 Tage vergingen, bis die in Wien und Kautzen ansässige Der Automat Harrer Gmbh & Co KG auch die letzten Schwierigkeiten überwunden und nun die Zusicherung in Händen hat, dass auch die letzten Tranchen an Zahlungen angewiesen werden. Bis dahin ging Geschäftsführer und Kommanditist Roman Harrer durch Höhen und Tiefen – bis hin zur Androhung einer Versteigerung der Ware seitens des zuständigen Finanzamts in Horn, das im Juli vehement auf Rückzahlungen gestundeter Steuerforderungen pochte.

Wie ein Strudelteig

Aber der Reihe nach. Zunächst verlief die Beantragung und Bewilligung von Corona-Hilfen wie zuvor beim Ausfallsbonus unauffällig und relativ zügig. Erst beim Verlustersatz II, den der auf Automatenlösungen für Retail und Einzelhandel spezialisierte Gewerbebetrieb im Juni 2022 beantragte, begann es sich zu ziehen wie der sprichwörtliche Strudelteig.

Im November 2022, also fünf Monate nach der Antragstellung, wurde von der Cofag nach eingehender Prüfung des Falles bei der Finanzverwaltung ein sogenanntes Ergänzungsgutachten angefordert. Dies sei in gewissen Fällen notwendig und Usus, sobald Risikokriterien in der Vorprüfung identifiziert würden, betont die Cofag. So sei es auch bei Der Automat Harrer der Fall gewesen.

Und die Erstellung so eines Gutachtens, die kann dauern. Unterlagen müssen angefordert, beigebracht und geprüft werden. Um Überförderung zu vermeiden oder zumindest hintanzuhalten, werden beispielsweise vom Arbeitsmarktservice gewährte Kurzarbeitsbeihilfen noch einmal überprüft und verlustmindernd erfasst, also in Abzug gebracht, erschließt sich aus dem Mailverkehr zwischen dem Finanzbeamten und dem Steuerberater.

Fragen und Rückfragen

Fragen und Rückfragen, das kostet Zeit – und verursacht Kosten, denn die Kommunikation läuft über die Steuerberater, die im Normalfall den Überblick über Gebarung und Gestion ihrer Klienten haben. Erst am 1. Juni 2023 bewegte sich wieder etwas. Die Cofag erhielt das Ergänzungsgutachten von den Finanzbehörden und leitete wenige Tage später eine neuerliche Überprüfung ein. Am 13. Juni kam die erlösende Mitteilung: Der Zuschuss ist bewilligt.

Doch zu früh gefreut. Der angekündigte Betrag war nicht so hoch wie beantragt. Zur Überweisung gelangten rund 29.000 Euro, die Differenz auf den ursprünglich beantragten Verlustersatz in Höhe von rund 24.000 Euro wurde ohne Angabe von Gründen nicht ausbezahlt. Irritiert fragt die Steuerberatungskanzlei beim zuständigen Prüfer der Finanzverwaltung nach, ob er in seinem Ergänzungsgutachten eine Kürzung kalkuliert habe. Der Prüfer meldet binnen acht Minuten zurück, dass er den Antrag in seinem Gutachten für plausibel erklärt habe. "Zahlenmäßig habe ich natürlich keine Änderungen vorgenommen, denn dann hätte ich mit Ihnen darüber eine Niederschrift aufnehmen müssen", teilt der Beamte mit und verweist bezüglich weiterführender Informationen auf die Cofag.

Steuerstundungen laufen aus

Ab hier wird es mühsam. Denn die noch immer der zugesagten 24.000 Euro harrende Der Automat Harrer GmbH bekommt Druck an einer anderen Front. Die vom Fiskus während der Corona-Krise gewährten Steuerstundungen laufen aus, und das bringt insbesondere Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe in die Bredouille, die mehr als ein Jahr nach Auslaufen der letzten Corona-Beschränkungen auf Corona-Hilfen warten.

Kann das Unternehmen die ausstehenden Steuern und Abgaben nicht leisten, drohe die Exekution. Spätestens mit 23. Juli würde die Versteigerung der Handelsware in die Wege geleitet, stellt das Finanzamt Horn in Aussicht, das zugesagte Corona-Hilfsgeld könne gemäß Bundesabgabenordnung nicht mit der Steuerstundung gegengerechnet werden. Aber so heiß gegessen wie gekocht wurde dann doch nicht.

Mit dem Rücken zur Wand

In seiner Verzweiflung setzt der Geschäftsführer über das auf Finanzierungen für Klein- und Mittelbetriebe spezialisierte Beratungsunternehmen Finanzombudsteam eine Reklamation ab. Sie habe, teilt die Cofag auf Anfrage des STANDARD mit, am 21. Juli, also tags darauf, mit dem Parteienvertreter Kontakt aufgenommen, um zu klären, ob die Corona-Ausfallsbonus-Förderungen verlustmindernd berücksichtigt wurden.

Die Cofag fragte somit ab, was die Finanz bereits einen Monat zuvor positiv beschieden und für rechtmäßig erklärt hatte. Der Antrag war "nicht vollständig und korrekt ausgefüllt", rechtfertigt die Cofag auf STANDARD-Anfrage die neuerliche Prüfung. Aber jetzt sei der Fall erledigt. "Die Auszahlung wurde bereits am 28. Juli 2023 (!) beauftragt." Am 4. August war das Geld freilich noch nicht auf dem Konto.

Aber der Weg des Geldes kann auch in Zeiten der elektronischen Überweisung lang sein: Freigegebene Anträge werden zur Abbuchung vom Konto der Cofag an die Buchhaltungsagentur des Bundes übermittelt, klärt die Cofag auf. Die Auszahlung dauere im Regelfall nicht länger als sechs Tage.

"Wir sind froh, dass hier aufgrund unserer Reklamation Maßnahmen des Finanzamts verhindert werden konnten", gab sich auch der Chef von Finanzombudsteam, Gerald Zmuegg, erleichtert. "Die Frage ist, ob das Unternehmen sonst noch länger warten hätte müssen." (Luise Ungerboeck, 5.8.2023)