Offiziere in der Schule
In einer breiten Informationskampagne sollen gezielt Milizsoldatinnen, Militärmusiker und Heeressportler angesprochen werden.
HBF/Carina Karlovits

Es war ein ungewöhnlicher Vorstoß einer ebenso ungewöhnlichen Kooperation zwischen Bildungsminister Martin Polaschek und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (beide ÖVP), die am Wochenende die Wogen hochgehen ließ: Aus den Reihen des Bundesheers wollen beide vermehrt Quereinsteiger für die Schulen gewinnen. Gleichzeitig sollen Schülerinnen und Schüler im Rahmen der neuen Lehrpläne mehr über das Bundesheer, dessen Aufgaben und die Neutralität lernen. Auf Korrektheit überprüfen sollen dies zwei Offiziere, verkündeten die beiden Ministerien.

Querelen zwischen Grünen

Dieses schulische Militärpaket war dann einigen zu viel: Die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) sah darin eine "Militarisierung des Schulwesens"; Kritik kam auch von SPÖ-Chef Andreas Babler, der zu einem Rundumschlag gegen die ÖVP ausholte. Sogar zwischen einigen Grünen kam es deswegen zu Querelen: Bildungssprecherin Sibylle Hamann sprach sich im STANDARD-Gespräch zwar dafür aus, dass auch gezielt Quereinsteiger aus dem Kunst- und Kulturbereich angeworben werden sollten.

Allerdings sah Hamann sonst keinen Grund zur Aufregung, wie sie in den sozialen Medien wissen ließ. "Es ist leider sehr symptomatisch, dass einmal mehr von grüner Seite ÖVP-getriebene Policy verteidigt statt problematisiert wird", schrieb darauf eine andere Grüne, nämlich die Wiener Gemeinderätin Viktoria Spielmann. Für sie haben "Soldat:innen im Klassenzimmer nichts verloren".

Lehrpläne massiv ausgeweitet

Im Grunde war der Neuigkeitswert überschaubar. Quereinsteiger werden derzeit aus allein Bereichen gesucht – für sie alle gelten die gleichen Voraussetzungen. Und: Bereits vergangenes Jahr wurden die neuen Lehrpläne vorgestellt, in denen künftig die "umfassende Landesverteidigung" sowie eine Vielzahl verschiedenster Themen in den Schulfächern Niederschlag finden sollen – darunter Klimaschutz, Gesundheitsförderung und Menschenrechtsbildung. Viele sprachen damals von einer "Überfrachtung" der Lehrpläne, weil gleichzeitig nicht entrümpelt wurde.

Dass all das nun medienwirksam aufgeblasen wurde, war dann doch überraschend. Ebenso wie die Tatsache, dass das Bundesheer bei den Quereinsteigern herausgepickt wurde – und mit zwei Offizieren im Vergleich zu anderen neuen Themengebieten auch in zwei Gutachterkommissionen prominent vertreten ist: einem in Geschichte und einem in Psychologie. Doch was tun sie nun dort?

Die Hüter der Schulbücher

Die drei- bis 20-köpfigen Kommissionen der jeweiligen Fächer (und Freifächer) beurteilen grundsätzlich, ob sich Schulbücher für den Unterricht eignen und ob diese alle Aspekte der jeweiligen Lehrpläne abdecken. Wer in diesen Gremien sitzt, entscheiden die Fachabteilungen des Bildungsministeriums per Nominierung. Grundsätzlich bestünden diese aus "Fachexpert/innen sowie Lehrer/innen, Schulleiter/innen und/oder Schulqualitätsmanager/innen", heißt es dazu aus dem Bildungsministerium.

Einer der Offiziere, Alexander Gstrein, präzisierte: Es gehe nicht um das Reinreklamieren oder Herausstreichen von Inhalten, sondern nur um die Überprüfung, ob das Werk lehrplankonform sei, sagte der Politikwissenschafter am Montag auf Ö1. Theoretisch sei es schon ausreichend, wenn die Wörter "umfassende Landesverteidigung" und "Bundesheer" einmal genannt werden. Auch könne er darauf hinweisen, wenn etwas nicht korrekt dargestellt sei. Aus Kommissionskreisen heißt es gegenüber dem STANDARD, dass die Aufnahme des Offiziers auf die Arbeit der Kommission keine Auswirkungen gehabt habe.

Keine Hauruckaktion

Die Kritik, dass hier nun auch zwei Offiziere mitreden können, kann das Ministerium nicht nachvollziehen: "Die beiden Offiziere sind im Rahmen der Nominierung 2022 – im selben Verfahren wie alle anderen der über 200 Gutachter/innen – aufgrund ihrer Expertise in die Gutachterkommissionen ernannt worden", heißt es. Sie seien also nicht erst jetzt als externe Experten ins System geholt worden.

Doch warum wurde ein zweiter Offizier für die Gutachterkommission Psychologie nominiert? Dieser sitze in dem Gremium, weil er Psychologe sei, heißt es dazu aus dem Bildungsministerium. Seine Nominierung hatte demnach nichts mit seinem militärischen Hintergrund zu tun – das Bundesheer spiele hier gar keine Rolle. Doch warum fehlen Klimaschutzexpertinnen oder andere Fachleute, wie viele monieren? Dafür gebe es sehr wohl Expertise in den jeweiligen Kommissionen, wird behauptet. Eine konkrete Auflistung blieb das Bildungsministerium dem STANDARD allerdings schuldig.

Mehrheit gefragt

Der Einfluss der beiden Offiziere dürfte sich jedenfalls in Grenzen halten: Denn grundsätzlich werden neu eingereichte Schulbücher in der Regel von drei Sachverständigen begutachtet. Ob Änderungen zur Erfüllung des Lehrplans letztlich notwendig sind, entscheidet die Kommission. Dafür braucht es eine Mehrheit. (Elisa Tomaselli, 8.8.2023)