Soldaten gehören in Kasernen. Vielleicht noch auf einen Truppenübungsplatz. Aber in der Politik haben sie nichts zu suchen. Für eine militärische Intervention zu plädieren ist deshalb äußerst fragwürdig, auch wenn der Schauplatz weit entfernt liegt. Ein solcher Eingriff darf auf keinen Fall gegen ein Land mit gewählter Regierung – wie etwa in der Ukraine – stattfinden. Und kann – wie in Libyen, Afghanistan und Syrien – fürchterlich schiefgehen. Es gibt nur zwei Szenarien für gerechtfertigte militärische Eingriffe: wenn sie gegen ein mörderisches Unrechtssystem gerichtet sind. Oder wenn Soldaten bereits getan haben, was sie nicht tun sollten: sich in die Politik einzumischen.

In Niger putschte das Militär. In der Hauptstadt Niamey protestierten am Sonntag rund 30.000 Menschen gegen die Ecowas-Sanktionen.
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Kommt es in einem Land zu einem Militärputsch, werden seine Nachbarn zu Recht nervös. In den Satzungen regionaler Staatenbünde sind für diesen Fall Strafmaßnahmen festgeschrieben – so auch bei der westafrikanischen Ecowas. Sie enthalten ein Standardset: die Aussetzung der Mitgliedschaft, Reisebeschränkungen und Wirtschaftssanktionen. In besonders gravierenden Fällen auch militärische Interventionen.

In den vergangenen drei Jahren wandte die Ecowas das Standardset gleich dreimal an: in Mali, Guinea und Burkina Faso. Dort hatten Offiziere mit der Begründung die Macht an sich gerissen, dass die gewählten Regierungen versagt hätten. In allen drei Staaten wurde die Lage danach allerdings nicht besser, sondern schlechter. In Mali holten die Putschisten sogar die russische Wagner-Truppe ins Land, die ihnen im Kampf gegen islamistische Extremisten besser als zuvor französische Truppen beistehen sollte. Doch die Söldner sorgten nur für eine weitere Eskalation der Gewalt.

In keinem der Fälle vermochte die Ecowas mit ihrem Standardset etwas auszurichten. Die Offiziere hielten unbeeindruckt an der Macht fest. Im etwas weiter entfernten Sudan schlagen sich zwei Putschistengeneräle sogar gegenseitig die Schädel ein, richten das Land zugrunde und töten Zigtausende von Zivilisten. Und nun putscht ein weiterer General in einem Sahelstaat – dieses Mal in Niger, das als letztes Bollwerk der Demokratie in der Region galt. Dessen gewählter Präsident kann in der Auseinandersetzung mit Extremisten seltene Erfolge vorweisen, der Wirtschaft des Landes wird ein Wachstum von sieben Prozent prognostiziert. Doch der Putschistenführer und einige seiner Kollegen sind sauer, weil der Sicherheitsapparat reformiert und sie vor die Tür gesetzt werden sollen. Was liegt näher als ein Umsturz wie in den Nachbarländern?

Die verbliebenen demokratisch gewählten Ecowas-Präsidenten ziehen jetzt einen Strich in den Sahelsand. Denn wenn es so weitergeht, sind auch sie bald dran. Und da das Standardset nichts genützt hat, fahren sie starkes Geschütz auf und drohen mit der Militärintervention. Mit der einstigen französischen Kolonialmacht hat das – anders, als die nigrischen Putschisten glauben machen wollen – überhaupt nichts zu tun. Die Offiziere wissen aber, mit welchen Sprüchen sie die Bevölkerung auf ihre Seite kriegen.

Sollen die Ecowas-Präsidenten jetzt klein beigeben? Dann können sie ihren Staatenbund vergessen. Das soll kein Freibrief für säbelrasselnde Einsätze sein. Doch mit den Abenteuern westafrikanischer Offiziere muss endlich Schluss gemacht werden. Schließlich haben Soldaten in der Politik nicht mehr zu suchen wie ein Rugbyspieler vor einem Sinfonieorchester. (Johannes Dieterich, 7.8.2023)