Winzer Ben Kugel inmitten von Weinreben
Mit Plastikfolien versucht der südsteirische Winzer Ben Kugel die tiefen Risse quer durch den Weingarten der Familie abzudichten, damit bei neuerlichem Regen nicht noch mehr Wasser ins Erdreich eindringt.
Alexander Danner

Weiße Plastikbänder, gute 60 Meter lang, schlängeln sich den Weinberg zwischen den alten Rebstöcken hoch. Ben Kugel hebt die Folie kurz hoch, darunter offenbart sich ein tiefer Spalt. "Gestern waren es noch 20 Zentimeter, heute ist die Kante schon 70 Zentimeter hoch", sagt der Winzer, dessen Familie oberhalb von Spielfeld in der Südsteiermark einen bekannten Weinbetrieb führt.

Mit den Plastikfolien versucht Kugel mit den Feuerwehrleuten die Spalten abzudichten, damit bei einem neuerlichen Regen nicht noch mehr Wasser ins Erdreich eindringt und die Hangrutschungen beschleunigt.

Gefährlich am Rande

Oben auf dem Plateau des Weinbergs wurde bereits drainagiert – eine aufwendige und teure Angelegenheit. Es bedürfe umfangreicher und extrem kostspieliger Umbauarbeiten, um einen Hang wie diesen damit abzusichern, sagt Kugel. Einige Hunderttausend Euro seien für derartige Wasserabflusssysteme mit Rohren und Schotter notwendig.

Auf der anderen Seite des Berges sieht die Sachlage auf dem dortigen Weinberg noch um eine Spur dramatischer aus. Hier sind bereits Rebstöcke mit in die Tiefe gerissen worden. Oben auf dem Hügel steht ein modernes Gebäude mit einem großen, auf Säulen platzierten Vorbau, der in den Hang ragt. "Die Geologen versichern, dass hier nichts passieren wird. Das ist stabil", sagt Michael Hanscheg von der Feuerwehr in Spielfeld.

Von den südsteirischen Topweinbauern hat es etwa das Weingut der Winzerlegende Willi Sattler in Gamlitz erwischt. Am Montag, als es schon schien, als beginne sich die Erde zu setzen, "war noch nichts zu sehen", sagt Sattler. Dienstag in der Früh jedoch riss ein Hang eineinhalb Meter ab, es entstand eine 100 Meter lange Schneise.

Feuchte Monate

"Der Hang ist gewaltig abgerutscht, das wird enorme Kosten nach sich zu ziehen, und es ist noch nicht vorbei. Es ist noch extrem viel Wasser in den Hügeln", sagt Sattler. Andere Winzer in der Umgebung habe es noch viel stärker erwischt, ergänzt die Winzerin Maria Sattler. Aber die Hangrutschungen sind nicht das einzige Problem, mit dem die südsteirischen Weinbauern momentan zu kämpfen haben.

Die extrem feuchten Monate – "als Folge der Klimaveränderung", sagt Willi Sattler – gefährdeten auch die Qualität der Trauben, speziell durch die Schadpilze wie den Mehltau. Da herrsche jetzt extrem hohe Infektionsgefahr. Die Weinbauern müssten verstärkt Schutzmittel einsetzen. Sein Betrieb arbeite biodynamisch, und daher sei der Aufwand hier noch massiver, um die Trauben zu schützen. Einer der Einsatzmittel: Brennnesseltee. "Am schönsten wäre es natürlich, wenn es bis November nicht mehr regnet", hofft Willi Sattler auf Unmögliches.

Die Hangrutschungen haben hier in der Steiermark, aber auch in Kärnten und im angrenzenden Slowenien wie berichtet ganze Wirtschaftsgebäude und Wohnhäuser zerstört. Straßen mussten gesperrt, ganze Häuser mussten evakuiert werden.

Haus auf Weinberg
Unterhalb des Neubaus haben sich im Weingarten tiefe Gräben aufgetan. Laut Auskunft der Geologen ist das Haus aber sicher.
Alexander Danner

Kein Trinkwasser

In der südoststeirischen Region an der slowenischen Grenze bei Mureck mussten wegen des Hochwassers auch zahlreiche Brunnen aufgrund extremer Verschmutzungen gesperrt werden. Teile der Bevölkerung werden mit Wasser in Flaschen versorgt. In öffentlichen Gebäuden wie Schulen wurden die Sanitäranlagen geöffnet.

In Gosdorf konnte die am stärksten von Hochwasser betroffene Familie Leitgeb im letzten Augenblick noch die Waschmaschine retten. Ansonsten hatten die Wassermassen so ziemlich alles im kleinen Anwesen, das nun als Rohbau dasteht, zerstört. Jetzt kommen Nachbarn hierher, um ihre Wäsche zu waschen, da die eigene Wasserversorgung gesperrt wurde.

Die Pegelstände der Flüsse in der Steiermark waren am Dienstag wieder rückläufig, auch jener der Mur, was vor allem für das angrenzende Slowenien und Kroatien von Bedeutung ist. Denn hier fürchtete man ein weiteres Ansteigen der Mur-Pegel. "Da sind wir mittlerweile überall safe", sagte Harald Eitner, Leiter der Katastrophenschutzabteilung des Landes, im Gespräch mit der Austria Presse Agentur. Alle Pegel seien längst wieder im gelben, dem mittleren von drei Bereichen.

Entspannung in Kärnten

In der Steiermark waren seit Freitag, seit Ausbruch der Unwetter, 12.450 Feuerwehrleute im Einsatz. Mehr als 4.200 Feuerwehrleute in Kärnten. Neben jenen aus den betroffenen Bezirken waren auch Mitglieder des Katastrophenschutz-Zuges aus Oberkärnten und Feuerwehrleute aus Niederösterreich im Hilfseinsatz, die mit Großpumpen angerückt waren. Die Feuerwehren in den Hochwassergebieten im Süden Österreichs fahren ihre Einsatzstärken jetzt herunter, nun stehen Aufräumarbeiten an.

Wachsame Helfer

Eine gewisse Entlastung war am Dienstag jedenfalls bei den Kärntner Feuerwehren bemerkbar. Die Zahl der Einsätze ging zurück, allerdings blieb man auch hier wegen der weiteren Gefahr von Rutschungen und Muren wachsam. Im Bezirk Völkermarkt werden ja täglich noch immer neue Hangrutschungen gemeldet. Wegen Unwetterschäden wurde auch die Kabinenbahn auf die Petzen bis auf weiteres geschlossen.

"Was die Hangrutschungen in der Steiermark angeht, so hat sich hier die Lage stabilisiert", bekräftigt Katastrophenschutzleiter Eitner. Aber, wie der Winzer Willi Sattler warnend anmerkt: Die Weinberge in der Südsteiermark sind noch immer voller Wasser. Die Gefahr sei noch nicht gebannt. (Walter Müller, 8.8.2023)