Besucher gehen auf der Electronic Entertainment Expo an einem Microsoft Xbox-Schild gegenüber einem Sony PlayStation-Schild vorbei
Ist ein Bedarf für Pro-Modelle der Xbox Series und Playstation 5 wirklich schon gegeben?
REUTERS

Was haben 2017 und 2023 gemeinsam? Die Spielerinnen und Spieler unter uns wissen: Es gibt nur ganz wenige Jahrgänge, die so eine Vielzahl hochkarätiger Videospiele hervorgebracht haben. Im Gegensatz zu 2017 wurde heuer allerdings keine populäre Konsolen-Hardware neu eingeführt – damals schlug im Frühling auch noch die Switch hohe Wellen. So wie es derzeit aussieht, dürften sich Nintendo, aber auch Sony und Microsoft neues Spielgerät für 2024 und danach aufheben.

Der Fahrplan steht fest

Dass Nintendo im kommenden Jahr die nächste Switch vom Stapel lassen wird, pfeifen die Spatzen schon länger von den Dächern. Tatsächlich sollen die ersten Developer-Kits ausgeliefert worden sein. Nach und nach verdichten sich aber auch die Gerüchte, dass sich der Zyklus der letzten Generation für die anderen beiden großen Konsolenhersteller wiederholen dürfte: Bevor die zehnte Generation eingeläutet wird, sollen Pro-Modelle der Series X und der Playstation 5 als Überbrücker herhalten.

Wie so oft in den letzten Wochen, gibt Microsofts rechtliche Auseinandersetzung mit der FTC auch in diesem Zusammenhang interessante Einblicke in die Spieleindustrie. Aus Gerichtsdokumenten geht zunächst hervor, dass Microsoft die nächste Generation von Spielekonsolen für das Jahr 2028 erwartet, acht Jahre nach der Veröffentlichung der Xbox Series und der Playstation 5. Das stimmt auch mit früheren Aussagen von Sony überein, wonach die nächste Playstation nicht vor 2027 herauskommen soll.

Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg, und das anfängliche Vertrauen in eine starke Konsolen-Hardware scheint bei den Herstellern stärker zu schwinden als bei der Spielerschaft. Anders als bei der letzten Generation geht es Gerüchten zufolge nicht darum, eine höhere Zielauflösung zu erreichen. Schließlich wären 8K-Ambitionen mangels der Marktdurchdringung entsprechender Displays auch ziemlich fehl am Platz.

Vielmehr soll der Fokus darauf liegen, hochwertige 4K-Grafik bei flüssiger Darstellung zu ermöglichen. Aufgrund der begrenzten GPU-Leistung könnten zukünftige Spiele auf Playstation 5 oder Xbox Series immer öfter nur mit 30 Bildern pro Sekunde laufen. Die Pro-Modelle könnten jedoch für wieder konstante 60 oder in vereinzelten Fällen sogar 120 Bilder pro Sekunde sorgen.

Ein klarer Fall: Die Super Switch

Nintendo kocht indes sein eigenes Süppchen. Bereits im Mai deutete das Unternehmen an, dass der Nachfolger der Hybridkonsole Switch in der zweiten Jahreshälfte 2024 veröffentlicht wird, die Verkaufszahlen des aktuellen Modells seit zwei Jahren kontinuierlich sinken. Dass sich die Entwicklung der nächsten Nintendo-Konsole schon in einem fortgeschrittenen Stadium befindet, hat aber einen weiteren Grund.

Die Hardware der Switch war schon zum Marktstart im Jahr 2017 nicht mehr die jüngste und würde größere Entwickler vor das Problem stellen, künftige Titel nicht einmal mehr als abgespeckte Version für die bald siebenjährige Plattform veröffentlichen zu können. Das kann Nintendo nicht mehr egal sein, weil man damit weitere Verluste in Kauf nehmen würde.

Tatsächlich plant man stattdessen schon einen reibungslosen Übergang zur nächsten Generation und will ausreichende Stückzahlen vorproduzieren, um die interessierte Kundschaft keinen Scalpern – also Menschen, die das reguläre Angebot aufkaufen, um die Produkte dann zu höheren Preisen im Netz zu verkaufen – auszusetzen.

Ein Contra zu den Pros von Sony und Microsoft

Was aber wollen Sony und Microsoft überbrücken? Sieht man sich an, was die beiden in Bezug auf Spiele-Hardware als Nächstes aushecken, ist der Handlungsbedarf nicht mehr ganz so klar wie bei Nintendo. Argumentiert man die möglichen Pro-Modelle mit dem Zyklus der letzten Konsolengeneration, dann mag eine Veröffentlichung für 2024 einigermaßen logisch erscheinen. Tatsächlich wirken sie aus einigen Gründen aber fragwürdiger als noch in der Konsolengeneration davor.

Die Schablone der Vorgänger über die aktuelle Generation zu legen, erscheint zunächst einmal aus zeitlicher Perspektive sehr unglücklich, weil der Kauf einer aktuellen Konsole erst seit kurzem ohne längere Wartezeit möglich ist. Kaum ist eine breitere Verfügbarkeit also endlich gegeben, kommt der Hersteller mit der nächsten Hardware ums Eck, die dann erst wieder vergriffen sein wird? Gutes Timing sieht anders aus.

Abgesehen davon wecken etliche Spiele nicht unbedingt den Eindruck, als würden sie die Konsolen technisch schon ausreizen. Die Flut hochkarätiger Titel im heurigen Jahr in Ehren, aber grafisch anspruchsvolle Kracher waren auf Konsole nur mit der Lupe auszumachen. Am ehesten noch bei Sony, wo man sich von Beginn an mit exklusiven Titeln wie "Ratchet & Clank" oder "Spider-Man" etwas weiter aus dem Fenster lehnte.

Aber Microsoft? Die im Vergleich zur Playstation 5 angeblich um zwanzig Prozent stärkere GPU ist bislang als Randnotiz auf einem Datenblatt verpufft – zu sehen hat man seit 2020 nichts bekommen, von technisch fordernden Exklusivtiteln ganz zu schweigen. Selbst mittelfristig darf man sich leider nicht allzu viel erwarten.

Der technische Sprung dürfte bei künftigen Pro-Modellen auf den ersten Blick zudem geringer ausfallen als bei der letzten Generation. Eine höhere Framerate mag Spielerinnen und Spieler zwar freuen, die Grafik wird dadurch aber klarerweise nicht hochauflösender oder aufwendiger. Das lässt sich erstens schwieriger verkaufen. Zweitens würde ein Kompromiss zwischen höherer Qualität und besserer Performance als Alternative mit der Zeit nur noch weiter segmentieren. Schließlich will man Millionen bestehender Kunden, die dann eine "alte" und "schwächere" Konsole besitzen, nach wie vor mit aktuellen Titeln abholen.

Mit Strauss Zelnick, CEO von Take-Two, zeigte zuletzt auch ein bedeutender Publisher, dass er der Idee eines Mid-Gen-Updgrades nicht viel abgewinnen kann. Gegenüber IGN merkte er in einem Interview an, dass sie in seinen Augen "nicht besonders bedeutsam" seien, weil sich bei ihrer Veröffentlichung quasi nichts verändern würde.

Auf die Spiele kommt es an

Die Aussicht auf neue Pro-Modelle erweckt aus technischer Sicht momentan den Eindruck, Konsolen endgültig zu "Einweg-PCs" machen zu wollen. Fortschritte dürften beim nächsten Zwischenschritt in noch kleineren Dosen zu genießen sein – allerdings reicht es nicht aus, eine einzelne Komponente wie zum Beispiel eine Grafikkarte zu tauschen: Es muss gleich ein komplett neues Gerät her. Fairerweise ist anzumerken, dass allein eine gute Grafikkarte für den PC schon ein Vielfaches von Konsolenpreisen ausmachen kann.

Am Ende sollte der Fokus natürlich nur auf den Spielen selbst liegen, die dahinterliegende Technik sollte nicht in den Vordergrund rücken – und das führt wieder an den Anfang zurück: Welcher Spielejahrgang hat Sie eigentlich besonders beeindruckt? Und können Sony, Microsoft und Nintendo die nächste Hardware-Generation überhaupt schon auf die Spielerschaft loslassen? Lassen Sie es uns im Forum wissen. (Benjamin Brandtner, 11.8.2023)