Das Bild zeigt symbolische Bitcoinmünzen rund um ein Smartphone, das Kryptowährungskurse anzeigt.
Ein komisches Paar: Als Produkt der Bequemlichkeit befinden sich Bitcoin und ETF derzeit in einem Genehmigungsprozess der SEC.
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Eine Art Sinneswandel von Vermögensverwalter Blackrock sorgt in der Kryptowelt seit längerer Zeit für Aufsehen: Mit dem Versuch einen Bitcoin-ETF einzuführen, hofft das Investmenthaus, die langjährigen Bedenken der US-Regulierungsbehörde SEC gegenüber dieser Idee zu überwinden. Ein Vorhaben, das aus dreierlei Hinsicht bemerkenswert ist.

Blackrock-CEO Larry Fink stellte Bitcoin vor wenigen Jahren zunächst noch mit der weltweiten Nachfrage nach Geldwäsche gleich, um sich später einzugestehen, dass Bitcoin vielleicht doch die Vormachtstellung des US-Dollars gefährden könnte. Weitere drei Jahre später scheint er im Jahr 2023 die Blockchain-Technologie verstanden zu haben und wittert plötzlich digitales Gold.

Mit einer gewissen Ironie des Schicksals ist aber auch eines klar: Eine nahezu perfekte Bilanz bei der Erteilung von Genehmigungen legt nahe, dass einer der größten Kritiker von Bitcoin über die Jahre nicht nur von der zukünftigen Nachfrage nach der Kryptowährung überzeugt worden ist. Er ist dazu bereit, den Vermögenswert im Sinne seines Antrags auch in seiner Verwahrung zu halten. Ein Schritt, dem womöglich viele weitere Player aus dem traditionellen Finanzsystem folgen werden.

Bemerkenswert sind Bitcoin-ETFs aber auch, weil sie für Retail-Investoren zwar "watscheneinfach", aber nur schwierig in Einklang mit den Kernprinzipien von Kryptowährungen und Bitcoin zu bringen sind. Tatsächlich scheint es auf den ersten Blick so, als würde Bitcoin dadurch noch mehr Charakter verlieren, als er es durch zentrale Kryptobörsen ohnedies schon getan hat. Der zunehmende Verlust an Dezentralisierung und die damit einhergehenden "trustless transactions", also Transaktionen ohne Vermittlungsinstanz, stehen jedenfalls einmal mehr diametral zum Grundgedanken der Funktionsweise von Krypto.

Exkurs: ETFs

ETFs sind "Exchange-Traded Funds". Es handelt sich um börsengehandelte Indexfonds, die meist bei Kleinanlegerinnen und -anlegern beliebt sind. Sie sollen Risiko streuen und langfristig viel Ertrag bringen – mit vergleichsweise wenig Aufwand und geringen Kosten. Mehr Informationen über diese Anlageform können hier im Podcast nachgehört werden.

Aber wie ist diese Entwicklung zu bewerten? Was bedeutet das für den Kurs von Bitcoin? Ist so eine Vereinfachung wirklich notwendig? DER STANDARD hat bei Kryptoökonom Alfred Taudes von der WU Wien nachgefragt, was es mit den Bitcoin-ETFs auf sich hat.

STANDARD: Bitcoin und ETFs – passt das überhaupt zusammen?

Taudes: Ja und nein. Tatsächlich ist es so, dass zwei Drittel der österreichischen Bitcoin-Halter die Währung auch nicht selber halten, sondern sie von Bitpanda und Co, also zentralisierten Kryptobörsen, verwalten lassen. Private Schlüssel zu verwalten ist nämlich gar nicht so einfach, da muss man wirklich aufpassen. Daher ist es durchaus bequem, wenn man diese Aufgabe an einen Custodian abtritt – im Wesentlichen so, wie man es auch von den klassischen Aktien gewohnt ist, wo die Banken entsprechende Depots verwalten.

Aber eigentlich stimmt es, im Kern ist Bitcoin-ETF ein Widerspruch in sich, der mit der Bequemlichkeit der Menschen zu begründen ist. Zumindest besteht aber immer noch die Möglichkeit, dass man seine Assets selbst verwaltet. Gerade nach den Ereignissen der letzten Monate, um mit dem Crash von FTX nur ein Beispiel zu nennen, ist es wieder populär, Kryptovermögenswerte auf eine Hardware-Wallet zu transferieren. Mit dem Nachteil, dass man eben selbst darauf aufpassen muss.

STANDARD: Welche Absichten sehen Sie in dem Vorhaben, ETFs zu lancieren?

Taudes: Der Sinneswandel von Blackrock lässt den Vermögensverwalter nun das propagieren, was Bitcoin-Verfechter seit Jahren sagen: Bitcoin ist digitales Gold, es schützt gegen Währungsentwertung, ist global und einzigartig. Und der Vorteil, den ein ETF hat, liegt darin, dass das Halten von Bitcoin noch bequemer wird. Wenn man bei einer zentralisierten Kryptobörse Bitcoin kaufen möchte, muss man sich anmelden und über KYC identifizieren. Ein ETF hingegen wird wie alle anderen Aktien im Portfolio auch ganz normal gehalten, da ist kein weiterer Handlungsbedarf gegeben.

STANDARD: Sollte der Antrag von Blackrock von der SEC genehmigt werden, kann man dann davon ausgehen, dass mehrere ETFs dieser Art folgen werden?

Taudes: Anträge wie diesen haben schon mehrere versucht, auch parallel zu Blackrock. Blackrock ist im Gegensatz zu vielen anderen Mitbewerbern aber sehr erfahren und pflegt ein gutes Verhältnis zur SEC. Bislang wurde meines Wissens nach auch nur ein einziger Antrag von ihnen nicht genehmigt. Es ist daher wahrscheinlich, dass auch dieser Antrag durchgehen könnte – und dann bricht natürlich der Damm für andere.

Tatsächlich ist es auch so, dass es Bitcoin-ETFs von anderen Anbietern in gewisser Weise schon gibt. Das Besondere beim Blackrock-ETF ist allerdings, dass der so ähnlich funktioniert wie zentrale Kryptobörsen: Das heißt, Blackrock wird für Retail-Investoren Bitcoin – mit Coinbase als Custodian – halten. Im Gegensatz dazu sind bestehende Bitcoin-ETFs synthetisch, die laufen über Futures. Das geht aber auch mit höheren Kosten einher, und die Werte sind ungenau.

STANDARD: Macht Blackrock Bitcoin – zugespitzt formuliert – salonfähig?

Taudes: Blackrock ist ein derartiger "elephant in the room", dass er mit seiner Marktmacht viel bewegen kann. Als logische Konsequenz werden weitere große Namen wie JPMorgan Anträge stellen und dürften damit bewirken, was ich schon vor sieben Jahren gesagt habe: Das klassische Banksystem wird sich mit der Kryptobranche vermischen.

Die MiCA-Regulierung ist in Europa schon ein bedeutender Schritt, über den Banken in ihren Portofolios beginnen, entsprechende Kryptoangebote zu machen, aber ETFs wie diese werden den Einstieg in die Kryptowelt noch einfacher machen. Bitcoin ist im Mainstream angekommen.

STANDARD: Welche Auswirkungen könnten Bitcoin-ETFs auf den Kurs von Bitcoin haben? Ist nach dem Prinzip "Buy the rumour, sell the news" von einem Kurssturz auszugehen, sobald die SEC durchwinkt?

Taudes: Eher nicht. Was die Kurse wirklich treibt, sind die Halvings. Das mag vollkommen irrational erscheinen, weil sie ja rein deterministisch im Protokoll programmiert sind. Aber die Märkte und ihre Akteure sind eben nicht perfekt rational.

Hinzu kommt, dass die wirklichen Bitcoin-Verfechter ja nicht verkaufen. Die Tendenz zur Akkumulation ist da, weil viele davon ausgehen, dass der Aufschwung kommt. Und wenn eine relativ geringe Nachfrage auf ein Angebot von null trifft, weil keiner verkauft, dann kommt es zu Kurssteigerungen. Sollte der Blackrock-ETF genehmigt werden, wird es allerdings noch eine Weile dauern, bis er populär wird.

STANDARD: Sehen Sie die Notwendigkeit, Kryptowährungen auf diese Weise zu "vereinfachen"?

Taudes: Abgesehen davon, dass man natürlich die Protokolle selbst vereinfachen kann, ist es in Wahrheit so, dass nur die wenigsten Menschen die Zeit haben, sich selbst um eine sichere Aufbewahrung ihrer Kryptoschlüssel zu kümmern. Alle Methoden erfordern viel Wissen, sind aufwendig, und nicht selten landet man dann erst wieder bei einem Custodian, etwa, wenn man den Schlüssel in einem Bankschließfach aufbewahrt.

Die meisten Leute, denen heutzutage Geld übrigbleibt, wollen es nicht selbst verwalten. In diesem Fall bedeutet das, dass man Bitcoins eben nicht selbst bei einer zentralisierten Kryptobörse hinterlegt, sondern dass es Blackrock macht. Anlegerinnen und Anleger kaufen ein normales Wertpapier von Blackrock. Die dahinterliegenden Prozesse sind sicherlich komplexer, aber mehr ist es eigentlich nicht.

STANDARD: Wo ergeben sich aus Bitcoin-ETFs Chancen, wo Gefahren?

Taudes: Die Chance ist natürlich, dass der Markt massiv verbreitert wird und Endkunden erreicht werden, die ganz bequem von Bitcoin profitieren wollen. Für die Kryptobörsen ist es natürlich eine große Konkurrenz, weil Banken über solche ETFs eine ähnliche Dienstleistung anbieten. Das heißt also, dass sich diejenigen, die in den letzten Jahren Pionierarbeit geleistet haben, mittelfristig etwas anderes überlegen müssen. Die heimische Kryptobörse Bitpanda hat das rechtzeitig erkannt und bietet schon White-Label-Solutions für Banken an, um nur ein Beispiel zu nennen. Man darf aber nicht vergessen, dass spezielles Know-how für Dienstleistungen rund um Krypto benötigt wird, das traditionelle Banken nicht haben. Man ist also gut beraten, vorerst auf Zusammenarbeit zu setzen. (Benjamin Brandtner, 14.8.2023)