Angepasste Flugrouten sollen klimaschädliche Kondensstreifen verhindern.
AFP / Joe Klamar

Auf 10.000 Meter Höhe, dort wo Flugzeuge meist unterwegs sind, ist es kalt. Um die minus 40 Grad hat es dort. Der ausgestoßene Wasserdampf bildet dann viele winzige Eiskristalle, die bei hinreichend feuchter Luft Kondensstreifen bilden. Diese können über Stunden oder sogar Tage am Himmel bleiben. Sie erhitzen das Klima – vermutlich sogar etwas stärker das CO₂, das bei der Verbrennung von Kerosin entsteht.

Grob funktioniert das so: Die dünnen Eiswolken halten die Wärmestrahlen zurück, die von der Erde zurück ins All reflektiert würden. Zusammen mit den CO₂-Emissionen und weiteren Effekten des Luftverkehrs bringen sie den Anteil der zivilen Luftfahrt an der Erderhitzung auf rund fünf Prozent. Allerdings gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen der Wirkung von CO₂ und jener von Kondensstreifen: CO₂ kann über hunderte Jahre in der Atmosphäre bleiben. Die Erhitzung durch Kondensstreifen ist kurzlebiger – ihre Vermeidung zeigt dafür sehr schnell Wirkung auf das Klima. Immer mehr Unternehmen weltweit beginnen deshalb, nach Wegen zu suchen, besonders klimaschädliche Kondensstreifen zu vermeiden.

Gelingen soll die künftige Vermeidung mit einer besseren Planung von Flugrouten. Immer mehr Unternehmen weltweit beginnen, nach Wegen dafür zu suchen. Einer der Vorreiter unter diesen Unternehmen hat seinen Sitz im 6. Bezirk in Wien. Hier berechnete es bislang vor allem Routen, auf denen ein Flugzeug möglichst wenig Treibstoff verbrennt – das spart den Airlines Kosten. "Fünf bis acht Prozent des Treibstoffs werden unnötig verbrannt, weil aufgrund von Luftraumregulierungen ineffiziente Routen geflogen werden müssen", erklärt Raimund Zopp, Mitbegründer von Flightkeys. Besonders groß sei das Problem in Europa, wo die Flugsicherung fragmentiert ist. Die Systeme der verschiedenen Staaten seien oftmals schlecht abgestimmt und zu wenig automatisiert, kritisiert Zopp. Das Ergebnis seien, dass die optimalen Routen nicht geflogen werden können – und damit mehr CO2 in die Atmosphäre geblasen wird.

Zusätzlich zur Einsparung von Treibstoff spiele nun zunehmend auch die Vermeidung von Kondensstreifen eine Rolle, so Zopp. Die Routen könnten mittlerweile mit minimalen Mehrkosten auf die Vermeidung von Kondensstreifen optimiert werden. "Wenn wir hier einsparen, fallen rund zwei Prozent des gesamten menschgemachten Klimawandels weg", wirbt er.

Bislang gibt es sonst noch keine Flugroutenplaner, die Lösungen für Kondensstreifen anbieten. Zopp erwartet, dass dieser Faktor in Zukunft immer wichtiger wird.

Neues KI-basiertes System

Auch in den USA entwickelt ein Team von Google Research, American Airlines und der Bill Gates-Initiative Breakthrough Energy derzeit eine Lösung, die unter anderem mithilfe Künstlicher Intelligenz Satellitenbildern auswertet und mit Modellen ideale Flugrouten erstellt. Kürzlich teilte das Team ein erstes Ergebnis: Über sechs Monate wurden die Vorhersagen, die sowohl durch die KI-basierte Software als auch durch Modelle von Breakthrough Energy erstellt wurden, auf 70 Testflügen von American Airlines geprüft. Laut Google konnten die Pilotinnen und Piloten über die Hälfte der Kondensstreifen verhindern, die sich auf deren regulären Flugrouten gebildet hätten.

Allerdings warnen einige Forschende davor, nicht auf die Anpassung von Flugrouten zu setzen, wenn durch die Umwege in den Flugrouten höhere CO2-Emissionen entstehen. Auch Google Research hatte zu seinem Projekt bekanntgegeben: Weil auf den durchgeführten Testflügen teils längere Routen gewählt wurden, verbrannten die Flugzeuge rund zwei Prozent mehr Kerosin als sie für den ursprünglichen Weg gebraucht hätten.

Immer mehr Flüge

Besonders viel Aufmerksamkeit erhält die Forschung zu Kondensstreifen derzeit, weil auch Flugzeuge, die mit synthetischen Kraftstoffen oder Wasserstoff unterwegs sind, Kondensstreifen erzeugen – wenngleich die Zusammensetzung ihrer Kondensstreifen anders ist als jene von Kerosin-betriebenen Flugzeugen.

Eine Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) erklärt dazu: Je weniger Rußpartikel ein Flugzeug ausstößt, desto weniger Eiskristalle bilden sich hinter den Flugzeugen. Damit zerfallen diese menschgemachten Wolken schneller. Der Einsatz von manchen emissionsarmen Kraftstoffen könnte also auch beim Kondensstreif-Problem helfen.

Dennoch warnt das DLR, bis 2050 könnte die Klimawirkung von Kondensstreifen dreimal größer sein als noch 2006. Der Grund: Der Flugverkehr nimmt rasant zu. So geht etwa der Luftfahrtkonzern Airbus davon aus, dass die Flugbranche über die kommenden zwanzig Jahre jährlich um 3,6 Prozent zulegen wird. "Selbst wenn ein 90-prozentiger Rückgang der emittierten Partikel gelingt, wird es wahrscheinlich nicht ausreichen, um die Klimaauswirkung von Kondensstreifen auf das Niveau von 2006 zu begrenzen", so Burkhardt. Das enorme Wachstum der Branche mache die Einsparungen zunichte. (Alicia Prager, 15.08.2023)