Sollte Werner Kogler tatsächlich so sitzen, wenn er sich "sehr wohl" fühlt, dann möchte man nicht wissen, welche Haltung er beim weniger Wohlsein einnimmt. Kogler hat im "Kammerl" der diesjährigen Sommergespräche, einem holzgetäfelten Sprechzimmer des Parlaments, schon vieles verhandelt, erfolgreich natürlich, wie er sagt. Nun muss er ORF-"Report"-Anchorwoman Susanne Schabl die Regierung und die Grünen dort erklären. Er wird in den gut 50 diesmal aufgezeichneten Minuten mit der Rückenlehne seines Lederfauteuils höchstens unmerklich in Berührung kommen.

Werner Kogler, Susanne Schnabl, Sommergespräch 2023, Sprechzimmer Parlament
Werner Kogler hält sich kerzengerade auf dem "Sommergespräch"-Fauteuil mit Interviewerin Susanne Schnabl.
ORF Sommergespräche 2023 Screenshot

Der Bundessprecher der Grünen und Vizekanzler sitzt bei Inflation und Misstrauen in Konzerne, bei Maßnahmen gegen die Diskrepanz zwischen Habenzinsen und Kreditzinsen, bei Vertrauensverlust in die Politik, Klimakatastrophe und noch ausständigem Klimaschutzgesetz ganz vorne auf der Sitzfläche, auf dem Sprießerl, würde man vielleicht in Wien und Umgebung sagen. Hoch aufgerichtet und oft Richtung Interviewerin vorgebeugt. Erinnert fast mehr an eine "Verhör"-Situation, in der sich vorige Woche Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger bei ihrem "Sommergespräch" wähnte, denn an das Wohlsein, von dem Kogler eingangs spricht, als er die Kammer als "alte Heimat" begrüßt.

Dabei nehmen Schnabls betont ruhiger Fragestil, die Aufzeichnung statt des üblichen Live-Showdowns und das Setting viel von der gewohnten "Sommergespräche"-Aufregung und schaffen eine andere Atmosphäre für den ORF-Fernsehklassiker.

Werner Kogler im Sommergespräch über Visionen für die Zukunft
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"Ich find's echt schiach"

Die Bankenabgabe könnte man erhöhen, einst laut Kogler in diesem "Kammerl" zusammen mit Rettungsmaßnahmen für den Finanzsektor auf Drängen der Grünen verhandelt. Um Banken zu motivieren, nicht alleine die Kreditzinsen rasch und weit zu steigern, bei den Sparzinsen aber eher zögerlich vorzugehen. Kogler verweist zudem auf den Auftrag von Sozialminister Johannes Rauch an den Konsumentenschutzverband, eine große Bank deshalb zu klagen. Zu handeln sei, "wenn der Beweis erbracht ist, dass Zinsdiskrepanzen ökonomisch nicht mehr erklärbar sind".

Große Klammer des Gesprächs sind Koglers bekannt ausufernde Sätze, vom rituellen Stehplausch im Plenarsaal zu Sendungsbeginn bis zum Schulheft als Präsent zum Schluss, in das Kogler einen kurzen Satz über vier Jahre seiner Vizekanzlerschaft schreiben soll. Einen ohne Beistrich. "Es geht um die Zukunft unseres Planeten", schreibt er. Schaut drauf und feststellt: "I find's echt schiach." Seine Handschrift, nicht das Thema. Und auch nicht um das Kammerl.

"Wenigstens nicht falsch"

Als Kogler etwas weitschweifig erklärt, was mit einem Drittel der Mittel aus den gesenkten Steuersätzen passieren soll (untere Einkommensstufen sollen mehr profitieren), kann Schnabl festhalten: "Das war jetzt eine Werner-Kogler-Erklärung." Viel interessanter aber ist Koglers Konter. Er sagt darauf: "Aber sie war wenigstens nicht falsch."

Schnabl hat sich nach dem ersten "Sommergespräch" mit Meinl-Reisinger überraschend von ihrer Lieblingsformulierung getrennt: Vielfach wollte sie mit der Neos-Chefin noch Themen "auf den Boden bringen". Vielleicht formuliert der Grünen-Chef ja aus ihrer Sicht zwar ausufernd, aber doch erdig genug. Oder diese Formel wäre beim Bundessprecher der Bodenschutzpartei einfach zu viel Erdung gewesen.

"Machen wir's verständlich", auch ein Standard im Repertoire, kommt dann doch beim Bodenschutz. "Ich glaube, das verstehen die Leute schon", sagt Kogler. Warum sagt dann keiner den vielen jungen Menschen, die sich ein Eigenheim wünschen, dass es das "klimapolitisch nicht spielen wird"? "Sag ich eh", gibt der Grünen-Chef zurück, und: "Wir sollten den Menschen nicht einreden, dass wir neun Millionen Einfamilienhäuser haben können." Mit dem Nachsatz: "Das tut kein vernünftiger Mensch." (Harald Fidler, 15.8.2023)