In ihrem Gastkommentar schreibt die Wirtschaftswissenschaftlerin Heike Lehner über die Übergewinnsteuer der italienischen Regierung und warum diese langfristig vor allem in Krisenzeiten eher Probleme schafft, als löst.

Giorgia Meloni, Matteo Salvini
Wollen mit einer Sondersteuer Bankengewinne abschöpfen: Italiens rechte Premierministerin Giorgia Meloni und ihr Vize Matteo Salvini.
APA/AFP/FILIPPO MONTEFORTE

Es war eine überraschende Ankündigung vergangene Woche: Italien möchte eine Übergewinnsteuer auf Banken einheben. Nachdem die Aktienkurse der Banken daraufhin auf Talfahrt gegangen waren, ruderte die Regierung nicht einmal 24 Stunden später zurück und begrenzte die maximal mögliche Steuer. Doch Italien ist nicht das einzige Land, das Übergewinnsteuern für Banken befürwortet. Auch Spanien, Ungarn, Litauen und Tschechien haben in den vergangenen Monaten Ähnliches eingeführt. Zu stark ist der Unmut über die hohen Gewinne der Banken, die mit den steigenden Zinsen einhergehen. Aber die Lösung der Übergewinnsteuer für Banken wurde nicht zu Ende gedacht. Sie ist alles andere als ein Geniestreich. Im Gegenteil: Sie macht die Wirtschaft in Zeiten der Unsicherheit noch fragiler und verhindert gleichzeitig eine effektive Inflationsbekämpfung.

Es scheint so einfach: Die steigenden Zinsen belasten die Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer, während die Sparzinsen von den Banken bisher nicht in gleichem Ausmaß erhöht wurden. Unter anderem das beschert den Banken riesige Gewinne, bekommen sie doch hohe Kreditzinsen, müssen aber den Sparerinnen und Sparern bei weitem nicht diese Zinsen zahlen. Die daraus resultierenden Gewinne teilweise abzuschöpfen sei die einzig logische Konsequenz. Gerade in Krisenzeiten soll doch jeder seinen Teil beitragen, oder? Bei dieser Frage hört der beschriebene Gedankengang bei den Befürworterinnen und Befürwortern der Übergewinnsteuer leider auf. Denn gerade in Zeiten von wirtschaftlichem Abschwung wäre es genau die falsche Entscheidung, Banken zusätzlich zu belasten.

Notwendiger Geldpuffer

Banken benötigen Geldpuffer, um etwa die in Krisen oft steigende Anzahl von ausfallenden Krediten abzufedern. Durch die zusätzliche Abschöpfung der Gewinne ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie eben diese Stressfälle abfedern könnten. Ohne ausreichend finanziellen Spielraum werden insbesondere Banken noch fragiler. Das kann wiederum das Vertrauen in den Bankensektor infrage stellen. Und wir alle wissen, dass Vertrauen in das Bankensystem maßgeblich ist, um die Finanzmarktstabilität aufrechtzuerhalten. Das vermeidet Bankenrettungen, die dann erst recht Milliarden an Steuergeldern verschwenden werden. Diese Kosten wären übrigens weitaus höher, als durch eine Übergewinnsteuer jemals eingenommen werden könnte.

Hohe Nettozinserträge, also die Differenz zwischen gezahlten und erhaltenen Zinsen, helfen den Banken in der EU in aktuell möglichen Stressszenarien und würden in diesem Fall ihre Eigenkapitalpositionen stabilisieren. Das wurde übrigens auch von der europäischen Bankenaufsicht beim Stresstest vom Juli bestätigt. Diese Zinserträge würden etwa steigende Kreditausfälle gut abfedern. Dass bei der Debatte die Resultate der Aufsicht derart unter den Tisch gekehrt werden, spricht Bände.

Doch die Bankenaufsicht ist nicht die einzige unabhängige Institution, die komplett außer Acht gelassen wird. Offenbar ist es noch nicht zu allen durchgedrungen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) gerade versucht, die Inflation in den Griff zu bekommen. Das macht sie vor allem durch steigende Leitzinsen, die dann unter anderem via erhöhten Kreditzinsen an die Haushalte und Unternehmen weitergegeben werden. Diese sollen weniger investieren und konsumieren, um die Nachfrage zu senken und somit den Inflationsdruck. Jedoch plant Italien, die Einnahmen durch die Übergewinnsteuer zum Beispiel an Personen mit Hypothekarkrediten zurückzugeben, um deren Zinsbelastung zu reduzieren. Genau das würde die Bemühungen der EZB allerdings wieder zunichtemachen. Auf der einen Seite erhöht die Zentralbank die Zinsen, deren Auswirkungen werden auf der anderen Seite durch die italienische Regierung wieder abgefedert.

Nicht Kredite zahlen

Die Regierungen sind dafür verantwortlich, für die Schwächsten die Auswirkungen der Inflation abzufangen. Aber nicht, die Kredite für die Bevölkerung zu bezahlen. Denn die Wahrheit ist: Inflationsbekämpfung ist nicht gratis. Sie birgt ökonomische Kosten und beeinträchtigt die Wirtschaftsleistung. Die Teuerungskrise wird durch diese Herangehensweise sogar unnötig verlängert und die Inflationsbekämpfung noch schmerzhafter.

Nach den Instabilitäten im Bankensystem im Frühling nun im Sommer nach einer Übergewinnsteuer für diese zu rufen ist unverständlich. Es scheint, als hätten die Regierungen die wochenlange Unsicherheit und Angst vor einem Crash nur wenige Monate später vollkommen vergessen. Viel zu attraktiv scheint eine populistische Maßnahme, die Steuereinnahmen bringen soll. Dabei sollte der Fokus jetzt darauf liegen, die schwächelnde Wirtschaft nicht noch weiter zu belasten und die Inflation so rasch wie möglich zu reduzieren.

Wenn man die Idee der Übergewinnsteuer zu Ende denkt, wird klar, dass die langfristigen Risiken den kurzfristigen Nutzen in Form von zusätzlichen Steuereinnahmen klar überwiegen. Und gerade in Krisenzeiten sollte man sich dreimal überlegen, ob man hier dem Populismus nachgibt und einen möglichen Brandbeschleuniger wie eine Übergewinnsteuer einführen möchte. (Heike Lehner, 15.8.2023)