Bodenverbrauch in Österreich
Das Regierungsziel, pro Tag nur noch 2,5 Hektar Fläche zu verbauen, verfehlt Österreich mit 11,5 Hektar bei weitem.
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Normalerweise müssen 16 Fußballplätze herhalten. Um die eklatante Bodenversiegelung in Österreich zu veranschaulichen, könnte man auch den Wiener Stadtpark heranziehen. 11,5 Hektar Boden oder fast zwei Wiener Stadtparks: So viel Fläche wird in Österreich täglich für Häuser, Straßen, Parkplätze und Einkaufszentren geopfert. Diese Bilanz hievt Österreich ins EU-Spitzenfeld beim Flächenfraß – und das seit langem.

Dieser Wildwuchs bringt auch einige Probleme mit sich: Versiegelte Flächen können weder CO₂ aufnehmen, noch können sie die Luft, wie man in Innenstädten spürt, an heißen Tagen abkühlen. Vor allem aber kann das Wasser nicht mehr versickern. Die Gefahr von Überschwemmungen steigt dadurch massiv.

Wenig Zaster bei viel Pflaster

So weit die Theorie. Wie dies in der Praxis aussieht, wurde erst Anfang August auf dramatische Weise sichtbar, als starke Überschwemmungen und Hangrutschungen Südösterreich heimsuchten – und das Thema Bodenfraß wieder aufs politische Tapet brachten. "Man weiß, dass die Bodenversiegelung eine der Hauptursachen für Überflutungen ist", sagte Neos-Generalsekretär Douglas Hoyos Anfang der Woche. Aus dieser Erkenntnis leitete er die Forderung "Kein Zaster bei zu viel Pflaster" ab. Jene Gemeinden, die weiterversiegeln, sollen laut Neos im Rahmen des Finanzausgleichs dort gepackt werden, wo es sie am meisten schmerzt: beim Geld.

Auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) adressierte das Thema Bodenverbrauch am Montagabend im ORF-Sommergespräch – allerdings andersrum: Er will jene Bürgermeisterinnen und Bürgermeister belohnen, die Böden wieder entsiegeln. Supermärkte, die Kogler an "Schuhschachteln" erinnern, sollten zudem verpflichtet werden, Photovoltaikanlagen auf ihren Dächern zu errichten. Der Vizekanzler kündigte in diesem Zusammenhang eine "Allianz für Bodenschutz" an.

Bodenstrategie (vorerst) gescheitert

Doch von so einer Allianz scheint Türkis-Grün gemeinsam mit den Gemeinden und Ländern, bei denen die Hoheit für die Raumplanung liegt, noch weit entfernt zu sein. Die Koalition hatte sich in ihrem Regierungsprogramm darauf verständigt, den Flächenfraß bis 2030 auf 2,5 Hektar pro Tag einzudämmen – ein Zielwert, der schon seit 20 Jahren besteht. Doch die Bodenstrategie scheiterte Ende Juni, wie der STANDARD berichtete.

Der Grund: Die Grünen beharrten auf das Ziel von 2,5 Hektar, welches die Gemeinden und Länder wegen unklarer Auswirkungen ablehnten. Im Sommer werde nun "intensiv weiter diskutiert", hieß es von Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP). Eine Lösung will man dieses Jahr noch präsentieren.

Verpflichtendes Ziel

Dass die Verhandlungen vorläufig gescheitert sind, empfindet Kurt Weinberger als richtig. "Die Bodenstrategie wäre unwirksam, wenn es nur wieder Absichtserklärungen ohne jegliche Sanktionen gebe", sagt der Vorstandsvorsitzende der Österreichischen Hagelversicherung im STANDARD-Gespräch. An dem 2,5-Hektar-Ziel müsse nicht nur aufgrund von EU-Vorgaben festgehalten werden, sondern auch um der Fehlentwicklung, die hierzulande seit vielen Jahre bestehe, entgegenzusteuern. Letztlich sei Österreich beispielsweise bei der Supermarktdichte und der Straßenlänge Europameister – im negativen Sinne.

Doch sollte man den Gemeinden nun das Messer ansetzen oder auf positive Anreize setzen? Für Weinberger müsste zuallererst die Kommunalsteuer in ihrer jetzigen Form überdacht werden, also jene Steuer, die den kommunalen Bodenverbrauch immer noch lukrativ macht. "Die Steuer sollte vom Bund eingehoben werden und mittels Finanzausgleich wieder zurückfließen." Je schonender ein Ort mit den Ressourcen umgehe, desto mehr würde sie dann erhalten, so die Idee.

Abgabe für Leerstand

Generell vergesse man aber, dass es in Österreich rund 40.000 Hektar Leerstand gebe, die man durch eine Leerstandsabgabe, einen "sanften Druck", wieder aktivieren könne, glaubt Weinberger. Die von Kogler angedachte Flächenentsiegelung sei jedenfalls auch ein Hebel – zumindest ließe sich wieder Wasser speichern, Hitzeinseln könnten beseitigt werden. Eine Lösung für Österreichs Lebensmittelversorgungssicherheit sei dies aber nicht: "Getreideanbau ist hier dann nicht mehr möglich." (Elisa Tomaselli, 15.8.2023)