Fotorealistische Rekonstruktion eines Tyrannosaurus rex, der auf zwei andere Saurier in seichtem Wasser zurennt.
Im Schlamm wurden auch Fußspuren eines Tyrannosauriers konserviert.
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Es ist ein regelrechtes Wimmelbild prähistorischer Fußabdrücke: Steilwände im Denali-Nationalpark in Alaska sind mit einer Vielzahl an Einkerbungen versehen, die sich bei genauerem Hinsehen als Dinosaurierspuren entpuppten. Das bedeutet nicht, dass die Tiere die vertikalen Wände hinaufspazierten – vielmehr haben sich die Erdschichten so gefaltet und verschoben, dass der einst flache Boden nun beinahe senkrecht steht und so hoch reicht wie etwa 20 Stockwerke eines Hauses oder mehr als 60 Meter. Alaska befindet sich auf der nordamerikanischen Erdplatte in der Nähe der pazifischen Platte. Die neu entdeckte Fundstätte wird von Fachleuten "Kolosseum" genannt und im Fachjournal "Historical Biology" beschrieben.

Eine Steilwand mit Vorsprüngen aus der Vogelperspektive. An den vertikalen Seiten sind die Einbuchtungen zu erkennen, bei denen es sich um Dinosaurierspuren handelt.
Mehrere Generationen an Dinosaurier-Fußspuren sind in einem Nationalpark in Alaska zu sehen. Unten rechts kann man in der Gesteinswand die Spur eines "Entenschnabelsauriers" erkennen.
Patrick Druckenmiller

Es handelt sich um die größte bisher bekannte Fundstätte von Dinosaurierfußspuren in Alaska. "Das ist nicht nur eine einzelne Gesteinsschicht mit Spuren darauf", sagt Hauptautor Dustin Stewart, der das Paper im Rahmen seiner Masterarbeit an der University of Alaska Fairbanks veröffentlichte. Stattdessen haben sich dort mehrere Schichten mit Saurierspuren erhalten. "Bislang sind zwar andere Spuren aus Denali bekannt, aber keine in dieser Größenordnung." Sie ist etwa 7.500 Quadratmeter groß, in Fußballfeldern ausgedrückt umfasst sie eineinhalb Felder. Dass man sie heute bestaunen kann, ist der Tatsache zu verdanken, dass sich die Tiere vor beinahe 70 Millionen Jahren über schlammigen Untergrund bewegten: In der Nähe befand sich offenbar eine Wasserstelle, an der sich die Fußabdrücke im Schlamm im Laufe der Zeit verhärteten.

Dort, wo heute der Denali-Nationalpark liegt, wimmelte es vor 70 Millionen Jahren vor Dinosauriern.

Natürliches "Kolosseum"

Über die Strukturen, die heute an ein Amphitheater erinnern mögen, schoben sich während der Kreidezeit zahllose junge und ausgewachsene Kolosse. Vor allem große Pflanzenfresser haben ihre Spuren hinterlassen, darunter Hornsaurier und Hadrosaurier. Letztere werden aufgrund ihrer flachen, breiten Schnauzen auch als Entenschnabelsaurier bezeichnet; die sozialen Tiere bewegten sich vor allem auf vier Beinen fort, wechselten auf der Flucht aber mitunter auf ihre Hinterbeine. Doch auch Fleischfresser wie Tyrannosaurier konnten anhand ihrer Abdrücke als Besucher ausgemacht werden.

Bild des Fußabdrucks eines fleischfressenden Dinosauriers mit drei klauenbewehrten Zehen, ein Farbverlauf von Rot über Gelb und Grün bis Blau streicht das Relief des Abdrucks heraus.
Dieser Fußabdruck stammt wahrscheinlich von einem Tyrannosaurus. Das 3D-Bild wurde durch die Kombination mehrerer Fotos aus unterschiedlichen Winkeln erstellt.
Dustin Stewart

Zu dieser Zeit war es in der Region wärmer als heute. Die Gegend "war bewaldet, und es wimmelte von Dinosauriern", sagt der Paläontologe Patrick "Pat" Druckenmiller, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. "Es gab einen Tyrannosaurier, der in Denali herumlief und um ein Vielfaches größer war als der größte heute lebende Braunbär. Dann gab es noch Raptoren, fliegende Reptilien und Vögel. Es war ein erstaunliches Ökosystem." Auch versteinerte Pflanzen, Pollenkörner, Muscheln und andere wirbellose Tiere fand das Forschungsteam.

Auf dem Highway

Die Formation wurde noch nicht in allen Details analysiert, dafür ist sie zu groß und nicht ganz leicht zu begehen. Als Mitglieder der Forschungsgruppe erstmals die Besonderheit der Stätte bemerkten, hatten sie eine mehr als siebenstündige Wanderung hinter sich. Zunächst seien sie nicht sehr beeindruckt gewesen, sagt Stewart. Erst bei Anbruch der Dämmerung stellte sich heraus, dass die Abdrücke erst bei einem bestimmten Einfallswinkel des Sonnenlichts deutlich werden. "Dann sagte Pat: 'Holt eure Kamera'", erinnert sich der Wissenschafter. "Wir sind ausgeflippt."

Die Gesteinsformation aus größerer Distanz von oben.
Nur bei bestimmtem Lichteinfall treten die Fußspuren deutlich zutage.
Patrick Druckenmiller

Beeindruckend sind Fußabdrücke auch, weil sich von ihnen andere Dinge lernen lassen als von fossilen Skeletten. So ist etwa Weichteilgewebe rekonstruierbar, das in der Vergangenheit etwa zeigte, wie gut gepolstert Langhälse unterwegs waren. Druckenmiller ist begeistert von den "wunderschönen" Abdrücken im Denali-Nationalpark: "Man kann die Form der Zehen und die Beschaffenheit der Haut erkennen." Der Nationalpark – und Alaska generell – ist nicht zum ersten Mal Schauplatz bemerkenswerter Saurierfunde. Selbst nördlich des Polarkreises wurden Überreste von Hadrosauriern gefunden. Fachleute vermuten, dass Alaska eine Art "Super-Highway" für Dinosaurier war, weil es als Teil einer Landbrücke Asien und Amerika verband und Tiere von einem Kontinent zum anderen wandern konnten. (Julia Sica, 17.8.2023)