Der Einfluss der Politik, vor allem der Regierung, auf die Besetzung der obersten ORF-Gremien Stiftungsrat und Publikumsrat wird am 26. September öffentlich vor dem Verfassungsgerichtshof verhandelt. Das Land Burgenland hat zu hohen Politeinfluss in einem Normenprüfungsverfahren moniert. Der Politeinfluss widerspreche dem Verfassungsgesetz Rundfunk, das Unabhängigkeit verlangt, sowie der Menschenrechtskonvention.

ORF-Stiftungsrat
Verfassungsrichter prüfen Politeinfluss auf Stiftungsrat: der Sitzungssaal vor der Generalswahl 2021.
APA Roland Schlager

Das Burgenland argumentiert: Die Bestimmungen im ORF-Gesetz seien nicht geeignet, einen "political bias" zu verhindern, den der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als unvereinbar mit der Menschenrechtskonvention erachte. "Die verfassungsrechtlich gebotene Unabhängigkeit und Regierungsferne ist nicht gegeben", heißt es im Antrag der Landesregierung auf Gesetzesprüfung, beschlossen im Juni 2022.

Die drei zentralen Kritikpunkte des Gesetzesprüfungsantrags:

Auf Hinweis von Armin Wolf

Dem Antrag der Landesregierung ging ein Blogeintrag von ORF-Anchor Armin Wolf voraus, in dem der "ZiB 2"-Moderator und stellvertretende Chefredakteur den Stiftungsrat als "offenkundig verfassungswidrig" besetzt bezeichnete. Wolf berief sich auf eine Aussage von Christoph Grabenwarter, dem Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs, allerdings zum Politeinfluss auf den öffentlichen Rundfunk von Moldawien. Im Ö1-"Mittagsjournal" erklärte Grabenwarter daraufhin 2022, Moldawiens Rundfunk und die Lage in Österreich seien nicht eins zu eins vergleichbar. Auch der Antrag des Burgenlands bezieht sich auf diesen Fall und die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dazu.

Der Verfassungsgerichtshof könnte Bestimmungen über die Zusammensetzung von Stiftungsrat und Publikumsrat aufheben. Der Stiftungsrat bestellt mit Mehrheit den ORF-Generaldirektor oder die -Generaldirektorin sowie die übrigen Direktorinnen und Direktoren.

Verfassungsrichter sorgten für neuen ORF-Beitrag

Eine Aufhebung würde voraussichtlich wieder ein neues ORF-Gesetz erfordern. Das gerade von ÖVP und Grünen beschlossene neue ORF-Gesetz mit einem ORF-Beitrag von Haushalten und Firmen unabhängig vom Empfang ändert nichts an der Besetzung der Gremien. Dieses Gesetz tritt mit Anfang 2024 in Kraft, der Beitrag ersetzt die GIS.

Notwendig wurde die neue ORF-Finanzierung per Beitrag ebenfalls wegen einer Entscheidung des Höchstgerichts: Der Verfassungsgerichtshof hob – mit Wirkung von Ende 2023 – die GIS in ihrer bisherigen Form als verfassungswidrig auf, weil sie wesentliche Nutzungsmöglichkeiten – Streaming insbesondere – von der Zahlungspflicht ausnahm.

Wer besetzt die ORF-Gremien?

Oberstes ORF-Gremium ist der Stiftungsrat, er entscheidet über das ORF-Management, über ORF-Budgets, Programmschemata und wesentliche unternehmerische Fragen.

Die 35 Mandate im ORF-Stiftungsrat beschicken:

Im ORF-Publikumsrat wiederum bestimmt der Bundeskanzler oder eine Medienministerin die Mehrheit – sie wählen aus Vorschlägen von Organisationen aus, die gesellschaftliche Gruppen vertreten.

Die Mitglieder von Stiftungsrat und Publikumsrat sind laut Gesetz bei ihrer Tätigkeit im ORF weisungsfrei und unabhängig von ihren Entsendern. Die Mitglieder organisieren sich aber in – parteipolitischen – Fraktionen, Freundeskreise genannt, besprechen Sitzungen in diesen vor und stimmen häufig entlang der Fraktionsgrenzen ab.

Derzeit haben der ÖVP zugeordnete Mandatare allein eine Mehrheit im ORF-Stiftungsrat. Diese Mehrheit war 2021 entscheidend bei der Bestellung von Roland Weißmann zum ORF-Generaldirektor.

Der Verfassungsgerichtshof gab seine öffentliche Sitzung zum ORF-Gesetz Freitagmittag bekannt. Am Samstag ist der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Christoph Grabenwarter, auf Ö1 im Samstagsinterview "Im Journal zu Gast". (fid, 18.8.2023)