Für die Arbeiterkammer (AK) sprudelt das Geld. Denn: Inflationsbedingt steigen die Löhne und Gehälter. Dadurch fällt auch der Betrag höher aus, den die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Rahmen der Lohnnebenkosten automatisch an die Interessenvertretung abführen – die sogenannte AK-Umlage. Diese beläuft sich auf 0,5 Prozent des Bruttoeinkommens. Steigt Letzteres durch inflationsbedingte Gehaltserhöhungen, fällt auch die Abgabe an die Kammer entsprechend höher aus.

Euro-Geldscheine
Für ihre Wahl im kommenden Jahr hat die Arbeiterkammer 37 Millionen Euro zurückgestellt. Eine Nationalratswahl kostet 20 Millionen Euro.
imago images/Jens Schicke

Für die AK bedeutet das aktuell Rekordeinnahmen. Bis 2024 könnten sie laut Schätzungen um gut 100 Millionen auf Jahreseinnahmen von rund 700 Millionen Euro steigen – auch wenn die AK selbst diese Einschätzung nicht teilt. Steigende Einnahmen sind in jedem Fall gut für die Kammer – aber was macht die eigentlich mit dem ganzen Geld? Vor allem bildet sie damit hohe Rücklagen und Rückstellungen – etwa für die kommendes Jahr anstehenden kammerinternen Wahlen. Für die AK-Wahl 2019 betrug die Rückstellung noch 24 Millionen Euro. Für die Wahl 2024 hat die Kammer die Rekordsumme von 37 Millionen Euro zurückgestellt. Das entspricht einem Plus von rund 50 Prozent binnen vier Jahren.

"Null Impetus, sparsam zu sein"

Der Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialsprecher der Neos, Gerald Loacker, der zu dem Thema eine parlamentarische Anfrage an Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher gestellt hat, argumentiert im STANDARD-Gespräch, die AK sollte die Umlage senken und damit die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlasten.

Es gebe schließlich gleich drei Faktoren für die hohen AK-Einnahmen, sagt Loacker. Erstens stiegen die Löhne inflationsbedingt. Zweitens steige die Beschäftigung insgesamt – was zu mehr Beitragszahlern führt. Und drittens steige die Höchstbemessungsgrundlage, die in den vergangenen Jahren mitunter stärker angehoben wurde als die Inflation. "Die wissen einfach gar nicht, wohin mit dem vielen Geld", sagt Loacker. Deshalb seien verschiedene Landesarbeiterkammern etwa "Meister im Anstellen zusätzlicher Mitarbeiter" oder im Bauen neuer Gebäude. Oder es werde eben Geld in "dubiose Rücklagen" gebucht.

Loacker hält es aus unternehmerischer Sicht zwar für "durchaus richtig", dass die AK für kommende Jahre "vorsichtig budgetiert". Bei den sprudelnden Einnahmen sei aber mehr als genug Spielraum vorhanden, um die Beiträge abzusenken. "Und wenn ohnehin klar ist, dass jedes Jahr mehr Geld hereinkommt, gibt es auch null Impetus, mit den Ausgaben ein bisschen sparsam zu sein." Ein Absenken der Umlage von 0,5 auf 0,45 Prozent hielte Loacker für einfach, "weil ein Zehntel der Einnahmen ohnehin in Rücklagen gebunkert ist." Auch ein Absenken auf 0,4 Prozent erachtet er als gut durchführbar.

Steigender Beratungsaufwand

In der Arbeiterkammer sieht man das auf STANDARD-Nachfrage naturgemäß anders. Der Hauptgrund für die seit langen Jahren steigenden Einnahmen sei nicht die Inflation, sondern die binnen der vergangenen zwei Jahrzehnte stark gestiegene Zahl der Beschäftigten – und damit der AK-Mitglieder. Heute vertrete man rund vier Millionen Mitglieder, vor 20 Jahren sei es noch eine Million weniger gewesen. Rund ein Viertel der Mitglieder zahle zudem ohnehin keinen AK-Beitrag, weil das Einkommen zu gering oder nicht vorhanden sei – etwa Personen, die unter der Geringfügigkeitsgrenze verdienen, Arbeitslose oder Eltern in Karenz.

Durch die steigende Mitgliederzahl steige aber auch der Aufwand für die AK. Einerseits wegen mehr Beratungen, andererseits, weil "Arbeitgeber, die es mit den Rechten der Beschäftigten nicht allzu genau nehmen, nicht unbedingt weniger werden", wie man es in der Arbeitnehmervertretung formuliert.

Rücklagen für Infrastruktur

Zur Forderung Loackers nach Senkung der Beiträge verweist man darauf, dass wegen der Höchstbeitragsgrundlage selbst Spitzenverdienerinnen und Spitzenverdiener nicht mehr als rund 16 Euro netto im Monat an AK-Abgabe bezahlen. Bei einem mittleren Einkommen sein es rund acht Euro im Monat. Weil der AK-Beitrag zwölf und nicht 14-mal anfalle, betrage die Umlage auf das Jahreseinkommen umgerechnet zudem nicht 0,5, sondern nur 0,43 Prozent.

Die gebildeten Rücklagen würden etwa verwendet, um Infrastruktur wie Beratungszentren und Bildungseinrichtungen zu finanzieren und für größere Projekte wie ein in Wien geplantes "Haus der Jugend" anzusparen.

Und die hohen Rückstellungen für die AK-Wahl? Während dafür 37 Millionen zurückgelegt werden, belaufen sich die Kosten einer Nationalratswahl auf rund 20 Millionen Euro. Grundsätzlich sind Rückstellungen in der AK-Haushaltsordnung gesetzlich vorgeschrieben – die genaue Höhe allerdings nicht. "Sie müssen jedenfalls so aufgebaut sein, dass man mit dem Budget seriös geschätzt gut auskommt", sagt AK-Direktorin Silvia Hruška-Frank zum STANDARD.

Nachdem es neun Landesorganisationen der AK gebe, müsse man die Kosten für die AK-Wahl, wenn, mit den neun Landtagswahlen vergleichen, sagt sie gefragt nach dem so hohen Betrag, den man für die Kammerwahl zurückstellt. Demokratiepolitisch halte sie es für problematisch, wenn Kosten für demokratische Wahlen von politischen Proponenten als "unerhört" dargestellt würden, sagt die AK-Direktorin. (Martin Tschiderer, 21.8.2023)