Pensionen hätten in der Teuerungskrise "massiv" an Wert eingebüßt: Zu diesem Schluss kommt das gewerkschaftsnahe Momentum-Institut. Selbst nach Erhöhung um die für 2024 vorgesehenen 9,7 Prozent liege eine Durchschnittspension immer noch um 24 Euro pro Monat unter dem Kaufkraftniveau von 2020. Ganz zu schweigen von den bereits erlittenen Verlusten, die ohnehin nicht ausgeglichen würden.

Die Nachricht kommt den trotz der Urlaubszeit hochaktiven Vertretern der Seniorinnen und Senioren höchst gelegen. Rechtzeitig bereiten sie die Stimmung auf, damit die Regierung im Herbst doch noch etwas extra drauflegt. Schließlich, so das Kernargument, habe ihre Klientel über zwei Jahre Kaufkraftverluste hinnehmen müssen.

Ist der Teuerungsausgleich von 9,7 Prozent für Pensionen angemessen oder zu wenig?
IMAGO/Michael Gstettenbauer

Ertönt der Ruf nach mehr also zu Recht? So eindeutig ist die Sachlage nicht. Denn die präsentierten Rechnungen zeigen nur eine Seite der Wahrheit.

Es stimmt schon: Weil sich die Inflationsanpassung von Pensionen wie auch von Löhnen an länger zurückliegenden Bemessungszeiträumen orientiert, hinken die Erhöhungen steigenden Preisen hinterher. So geschehen in den vergangenen beiden Jahren.

Doch gerade um diesen Verzögerungseffekt zu kompensieren, hat die Regierung Antiteuerungspakete geschnürt. Auch das haben die Pensionisten, diesmal positiv, gespürt. Knausrig waren ÖVP und Grüne entgegen der landläufigen Meinung nicht. Zumindest für 2022 kommen Untersuchungen zu dem Schluss, dass die staatlichen Hilfen mitsamt den Einkommenssteigerungen den Inflationseffekt für die Allgemeinheit weitgehend ausgeglichen hätten.

Teuerungswelle

Nun kann man über die Aussagekraft von Durchschnittswerten streiten. Wie stark eine Person oder eine bestimmte Gruppe von der Preisexplosion gebeutelt wird, hängt von der jeweiligen Lebenslage ab. Es gibt Hinweise, dass die Teuerungswelle ältere Menschen stärker traf, etwa weil sie größere Anteile ihres Einkommens für lebensnotwendige Güter wie Nahrung oder Heizen ausgeben. Doch dass all die von der Regierung ausgeschütteten Hilfen – weil vielfach Einmalzahlungen – "verpufft" seien, ist mutwillig verzapfter Unsinn. Auch mit diesem Geld lassen sich Rechnungen bezahlen.

Anzumerken ist überdies: Der vielbeklagte Verzögerungseffekt beim Teuerungsausgleich wird sich in der Zukunft ins Gegenteil kehren. Sinken die Inflationsraten wieder, sorgen die am hohen Niveau der Vergangenheit bemessenen Pensionserhöhungen für real steigende Einkommen.

Was die Regierung aus all dem schließen soll? Die Diskussion über ein Extra ist dann gerechtfertigt, wenn es gezielt um Armutsbekämpfung geht; für die Bezieher der Ausgleichszulage vulgo Mindestpension zählt jeder Euro. Für die große Masse aber soll es bei den gesetzlich vorgesehenen 9,7 Prozent bleiben, alles andere würde den Staat finanziell überfordern. Schließlich werden die Ausgaben für die Altersversorgung aus demografischen Gründen in den nächsten Jahren ohnehin beträchtlich steigen.

Dass die Pensionistenvertreter gerne über diesen Umstand hinwegsehen, kann man ihnen schwer vorwerfen: Sie tun das, was Lobbyisten eben tun. Doch die Regierung muss das Gesamte im Auge behalten – und erkennen, dass sie in Zukunft viel Geld für andere wichtige Zwecke braucht: vom Klimaschutz über die Pflege bis zur ärztlichen Versorgung. (Gerald John, 21.8.2023)