In ihrem Gastkommentar schreibt Wifo-Ökonomin Christine Mayrhuber, wie die finanzielle Absicherung von Frauen im Alter gelingen kann.

Eine Illustration eines Mannes und einer Frau, die mit dem Rücken zueinander stehen.
In den 1970ern wurden Frauen und Männer am Arbeitsmarkt gleichgestellt. Geschlechtsspezifische Unterschiede beim Einkommen und in der Folge auch bei der Pension gibt es aber weiterhin.
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Österreich weist bei Frauen zwischen 20 bis 64 Jahren eine Erwerbsquote von 73,4 Prozent auf und übertrifft damit den EU-Durchschnitt von 69,3 Prozent deutlich. Bei Männern beträgt diese Quote 81,2 im Vergleich zu 80,0 Prozent. Allerdings liegt auch die Pensionslücke, der Gender-Pension-Gap, klar über dem EU-Durchschnitt. Der durchschnittliche Pensionsbezug für Frauen über 65 Jahren ist um 34,4 Prozent niedriger als jener bei Männern. Nur in Luxemburg, Malta und den Niederlanden bestehen größere Unterschiede, während die Lücke in Dänemark bei acht Prozent liegt. Wie kann die überdurchschnittliche Erwerbsteilnahme der Frauen im europäischen Vergleich mit ihrem überdurchschnittlichen Nachteil bei den Pensionshöhen in Einklang gebracht werden?

Betrachten wir die Ursachen. Die erste Pension ist eine Bilanz des persönlichen Erwerbsverlaufs. Dieser ist jedoch von komplexen strukturellen Gegebenheiten geprägt, die Jahrzehnte in die Vergangenheit zurückreichen. Erst durch die Familienrechtsreformen und das Gleichbehandlungsgesetz für Frauen und Männer am Arbeitsmarkt in den 1970er-Jahren wurden Frauen in Österreich in rechtlicher Hinsicht gleichgestellt. Die Angleichung der Altersgrenze zur Alterspension beginnt folgerichtig im Jahr 2024, da Frauen, die 1979 im Alter von 16 Jahren in das Berufsleben eintraten, zum ersten Mal die Möglichkeit eines rechtlich gleichberechtigten 45-jährigen Erwerbsverlaufs hatten.

Immer noch Nachteile

Jedoch führte die rechtliche Gleichstellung nicht automatisch zur wirtschaftlichen Gleichstellung. Die 2022 neu gewährte Alterspension für Frauen war um 38 Prozent niedriger als die durchschnittliche Alterspension für Männer. Allerdings bleiben bei diesen Durchschnittspensionen erhebliche Unterschiede unberücksichtigt. Selbstständig erwerbstätige Frauen oder Arbeiterinnen erhalten zum Beispiel eine wesentlich niedrigere Pension – ihre finanzielle Situation wird in der Durchschnittspension damit nicht angemessen dargestellt.

Analysen des Wifo zeigen, dass die geschlechtsspezifische Pensionslücke deutlich höher ist als die geschlechtsspezifische Einkommenslücke. Während die Einkommenslücke die Gehälter von Frauen und Männern in einem Jahr vergleicht, stellt die Pensionslücke den strukturellen Einkommensnachteil der Frauen über ihr gesamtes Berufsleben dar. Tatsächlich resultieren 55 Prozent der Pensionslücke aus den niedrigeren Erwerbseinkommen der Frauen und 40 Prozent aus ihrer im Durchschnitt um sechs Jahre kürzeren pensionsrelevanten Versicherungszeit.

Nur 2,5 Jahre Unterschied

Frauen verdienen weniger, da sie überdurchschnittlich oft in Niedriglohnbranchen beschäftigt sind und viele von ihnen in Teilzeit arbeiten. Die Unterschiede in den Versicherungsjahren werden weniger durch die fünf Jahre Unterschied im regulären Antrittsalter verursacht, weil Männer aufgrund der Option vorzeitiger Pensionsantritte im Durchschnitt mit 63,3 Jahren ihre Pension in Anspruch nehmen, also nur um 2,5 Jahre später als Frauen. Hauptsächlich führen Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit aufgrund von Betreuungspflichten dazu, dass Frauen weniger Versicherungsjahre sammeln können. Zwar werden die Versicherungszeiten von Frauen durch die Anrechnung von Betreuungszeiten (beispielsweise bis zu vier Jahre Kindererziehung pro Kind) erhöht, die ungleiche Verteilung unbezahlter Sorgearbeit und die Beeinträchtigungen, die Frauen dadurch in ihrer beruflichen Laufbahn haben, werden damit aber nicht ausgeglichen.

Über Lohnniveau informieren

Was muss sich ändern? Die geschlechtsspezifischen Unterschiede auf dem Arbeitsmarkt setzen sich durch das Versicherungsprinzip im Pensionssystem fort. Um die finanzielle Absicherung von Frauen im Alter zu gewährleisten, müssen daher Maßnahmen ergriffen werden, die sowohl in der Erwerbsphase als auch im Pensionsrecht ansetzen.

Auf dem Arbeitsmarkt ist nach wie vor eine gut ausgebaute und hochwertige Betreuungsinfrastruktur sowie die Beteiligung von Männern an der Betreuungsarbeit eine Voraussetzung für eine verbesserte Erwerbsintegration von Frauen.

Es ist besonders wichtig, dass Mädchen und junge Frauen schon während der Schulzeit Einblicke über das Lohnniveau und -muster verschiedener Berufe und Branchen erhalten, um diese Informationen bei ihrer Berufswahl berücksichtigen zu können.

Damit das Prinzip der gleichen Bezahlung für gleiche Arbeit auch innerhalb von Unternehmen umgesetzt werden kann, müssen die Gehaltsstrukturen transparent dargestellt werden.

Arbeit neu bewerten

Die Lohnhöhe in klassischen systemrelevanten Frauenberufen muss neu bewertet werden. Warum wird der Umgang mit Kundinnen und Kunden im mittleren Management höher entlohnt als der Umgang mit Kundinnen und Kunden in Kinderbildungseinrichtungen? Eine in Deutschland durchgeführte Studie ("‚Evaluative Diskriminierung‘: Arbeitsbewertung als blinder Fleck in der Analyse des Gender-Pay-Gaps") hat strukturelle geschlechtsspezifische Bewertungsunterschiede bei gleichwertigen beruflichen Anforderungen festgestellt, die weder durch Unterschiede im Humankapital noch in der Produktivität erklärbar sind.

Eine verstärkte Berücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung und Pflege bei der Berechnung der Pensionshöhe würde eine Anerkennung der gesellschaftlich unverzichtbaren Arbeit bedeuten, die immer hauptsächlich von Frauen geleistet wird.

Man muss sagen, wie es ist: Das österreichische System der Alterssicherung kompensiert strukturelle geschlechtsspezifische Ungleichheiten des Arbeitsmarktes nicht gänzlich, sondern mildert sie lediglich. Um die wirtschaftliche Gleichstellung zwischen Frauen und Männern voranzutreiben, müssen die Erwerbseinkommen und die Arbeitsbedingungen von Frauen verbessert werden. (Christine Mayrhuber, 18.8.2023)