Wien – "Elektromobilität ist noch kein Selbstläufer." Mit dieser Einschätzung findet Reinhard Zirpel, Präsident des Verbands der internationalen Kraftfahrzeughersteller, noch zurückhaltende Worte für die Akzeptanz von Elektrofahrzeugen in Deutschland. Bisher bewegt sich der dortige Absatz heuer nur etwa auf Vorjahresniveau, allerdings droht bald eine Vollbremsung. Denn ab September entfällt in Deutschland die Umweltprämie für gewerbliche Zulassungen, die etwa zwei Drittel des Markts für Elektrofahrzeuge ausmachen.

Ein Volkswagen ID.3 bei der Endabnahme des Auto
Der Absatz von Elektrofahrzeugen, zu sehen ein Volkswagen ID.3 bei der Endabnahme, hinkt weit den Erwartungen hinterher.
APA/dpa/Robert Michael

Ähnlich sieht es in Österreich aus, wo es ebenfalls Schwächen im Neugeschäft gibt. Speziell bei Privatpersonen hinkt die Nachfrage nach E-Autos den Erwartungen weit hinterher. "Die Neuabschlüsse lassen zu wünschen übrig", sagte Günther Kerle, Obmannstellvertreter für den Fahrzeughandel in der Wirtschaftskammer, Anfang Juli. Vielmehr würde die Händlerschaft von einer Stagnation bei Elektrofahrzeugen berichten. Selbst bei den aktuellen Neuzulassungen sei der Anstieg des Marktanteils von 15 auf 18 Prozent dürftig. "Von einem Hochlaufen der Elektromobilität kann nicht gesprochen werden", betont er.

"Traurig werden nach unserer Einschätzung die letzten vier Monate des Jahres 2023 für das batteriebetriebene Auto aussehen", sagt Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Car Center Automotive Research. Zwar werde der August wegen der auslaufenden deutschen Umweltprämie noch starke Zulassungszahlen bringen, "aber anschießend ist die Luft raus". Insgesamt erwartet Dudenhöffer heuer mit 440.000 neu zugelassenen Elektrofahrzeugen in Deutschland ein Minus von 31.000 Autos oder 6,6 Prozent verglichen mit dem Jahr zuvor.

"Realitätscheck notwendig"

Das hat langfristige Auswirkungen. Denn für das von der deutschen Bundesregierung angestrebte Ziel, bis 2030 rund 15 Millionen elektrisch angetriebene Autos auf die Straße zu bringen, wäre heuer etwa eine Dreiviertelmillion neu zugelassener Elektroautos nötig, also etwa 70 Prozent mehr. Daraus folgert Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotiv Management, dass Deutschland das Langfristziel "bei weitem verfehlen" werde.

Er geht davon aus, dass bis 2030 mit sieben bis acht Millionen nur etwa die Hälfte des geplanten Bestands an Elektrofahrzeugen auf deutschen Straßen unterwegs sein werde. "Es ist ein Realitätscheck notwendig", wird Bratzel in der Süddeutschen Zeitung zitiert. Die politischen Ziele müssten mit den dazu erforderlichen Maßnahmen in Einklang gebracht werden.

Auch Dudenhöffer kritisiert die in Deutschland "chaotische Subventionspolitik". Denn auch bei privaten Käufern setzt die Regierung bei der Umweltprämie den Rotstift an. Ab Jänner fällt sie mit maximal 3.000 Euro pro Fahrzeug um ein Drittel geringer aus. Ab 2025 wird der Zuschuss gänzlich gestrichen, was tendenziell sinkenden Listenpreisen entgegenwirkt. "Es sieht eher so aus, dass trotz Preiskriegs die Nachfrage nach Elektroautos keine großen Luftsprünge machen wird", folgert Dudenhöffer. Die Folge: Auch deutsche Hersteller werden sich am zunehmenden Preiskampf beteiligen müssen – vor allem mit aufstrebenden Mitbewerbern aus China.

Premiummarkt im Visier

Wohin das führen kann, zeigt der Automarkt im Reich der Mitte. Dort büßen die deutschen Erzeuger ihre jahrzehntelange Vormachtstellung ein. Im ersten Quartal dieses Jahres verdrängte der chinesische Lokalmatador BYD im ersten Quartal mit einem Marktanteil von elf Prozent am Gesamtmarkt, also inklusive Verbrenner, die lange führende Marke VW vom ersten Platz. Nun nimmt die Konkurrenz aus China nach dem Massenmarkt auch das Premiumsegment, Aushängeschild der deutschen Autoindustrie, ins Visier.

Neben BYD stehen nun auch andere chinesische Erzeuger wie Nio oder Li Auto mit Premiummodellen am Start. "Das ist der Höhepunkt in unserer Unternehmensgeschichte – und der gesamten chinesischen Autoindustrie", sagte BYD-Chef Wang Chuanfu vergangene Woche bei der Präsentation von drei neuen Premiummodellen. Schon zuvor hatte sich der Konzernchef kämpferisch gezeigt und angekündigt, die "alten Legenden" der weltweiten Autoindustrie endgültig ablösen zu wollen.

Der harte Konkurrenzkampf am Elektromarkt, dem Massenerzeuger wie Volkswagen bereits ausgesetzt sind, wird also auch die Premiumhersteller erreichen, erwartet Branchenexperte Gregor Sebastian vom Berliner Thinktank Merics. "Wenn nach Volkswagen auch der Druck auf BMW, Mercedes und Audi in China zunimmt, wird die Diskussion über die Zukunftsfähigkeit der deutschen Autoindustrie hierzulande eine neue Qualität bekommen", sagt er im Handelsblatt. (Alexander Hahn, 24.8.2023)