Im Gastblog erklärt Rechtsanwältin Julia Andras, was bei der Unterhaltsbemessungsgrundlage berücksichtigt wird.

Trotz Beibehaltung der gemeinsamen Obsorge nach der Auflösung der Lebensgemeinschaft oder Ehe der Eltern ist die gleichteilige Betreuung gemeinsamer Kinder oft unrealistisch, sobald die häusliche Gemeinschaft endet. Daher ist die Geldunterhaltsleistung des nicht hauptsächlich betreuenden Elternteils vorgesehen. Wie hoch diese zu sein hat, richtet sich einerseits nach dem Alter und Bedarf des Kindes und andererseits nach der Leistungsfähigkeit der unterhaltspflichtigen Person.

Gerichtshammer liegt auf Geldscheinen, umgeben von einem Ordner mit Stift.
Die Bemessung des Unterhalts berücksichtigt nicht nur das Einkommen, sondern kann auch ein vorgezogenes Erbe umfassen.
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Hinsichtlich des monatlichen Kindesunterhalts geht man von alters- und einzelfallabhängigen 16 bis 22 Prozent der sogenannten Unterhaltsbemessungsgrundlage aus. Die Unterhaltsbemessungsgrundlage ist grundsätzlich das tatsächliche Nettoeinkommen der unterhaltspflichtigen Person nach Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern. Doch wer annimmt, sich durch das schlichte Unterlassen des Arbeitsnachgangs der Unterhaltspflicht entziehen zu können, der irrt. An dieser Stelle kommt der sogenannte Anspannungsgrundsatz zum Tragen, welcher im Fall des Nichtvorhandenseins oder eines zu geringen Einkommens ein solches fingiert und jenes Einkommen für die Unterhaltsbemessung heranzieht, das die unterhaltspflichtige Person gemäß ihres Ausbildungsstands und sonstigen Werdegangs im Durchschnitt erzielen könnte.

Wie der Oberste Gerichtshof (OGH) nunmehr klarstellte, ist in die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht lediglich das Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit heranzuziehen, sondern unter Umständen auch sonstige regelmäßige Zuwendungen, in einem konkreten Fall (OGH 15.12.2022m, 3 Ob 192/22i) ein jährlicher Geldbetrag seitens des väterlichen Großvaters an den unterhaltspflichtigen Vater des antragstellenden Minderjährigen.

Vorgezogenes Erbe berücksichtigen?

Der Kindesvater bezog neben seinem relativ geringen Einkommen als Geschäftsführer einer GmbH, welche er mit der Kindesmutter innehatte – seine Tätigkeit als Geschäftsführer wurde im Übrigen mittlerweile eingestellt, somit steht er derzeit in keinem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis und ist auch nicht arbeitslos gemeldet –, aufgrund eines zwischen ihm und dem väterlichen Großvater abgeschlossenen Vertrags eine jährliche Zuwendung in Höhe von 50.000 Euro.

Laut dieser zwischen dem Kindesvater und dem väterlichen Großvater bestehenden Vereinbarung ist der Betrag jährlich und nach schriftlicher Aufforderung des Kindesvaters gegenüber dem väterlichen Großvater zu zahlen. Anzumerken ist, dass mit dieser Zuwendung bereits die Lebenserhaltungskosten während aufrechter Ehe bestritten wurden.

Die Unterhaltsbemessung für den Minderjährigen wurde ursprünglich an dem geringeren Geschäftsführergehalt des Kindesvaters bemessen, und so leistete der Kindesvater demnach 138 Euro Kindesunterhalt monatlich. Der Minderjährige stellte, vertreten durch die Kindesmutter, im Dezember 2021 den Antrag, den Vater ab Jänner 2022 zu einer höheren Unterhaltsleistung zu verpflichten, dies unter Berücksichtigung des Geschäftsführergehalts und der Zuwendungen aufgrund des Vertrages mit dem Großvater.

Der Kindesvater entgegnete, dass er einerseits aufgrund persönlicher Zerwürfnisse mit dem väterlichen Großvater 2021 sowie 2022 keine Leistungen aus dem Vertrag erhalten habe und es sich andererseits bei diesen um schenkungsweise Zuwendungen im Vorgriff auf seinen zukünftigen Pflichtteilsanspruch handle, die jedenfalls nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen seien.

Erhöhung der Bemessungsgrundlage

Das Erstgericht pflichtete dem Minderjährigen bei, ordnete dem Kindesvater eine höhere Unterhaltspflicht in Höhe von 780 Euro an und sprach aus, dass bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage auch Geldbeträge zu berücksichtigen seien, die dem Unterhaltspflichtigen aus einem erbrechtlichen Anspruch, etwa zur Abfindung seiner Erb- und Pflichtteilsansprüche, zukämen. Die Leistungen aus dem Vertrag seien auch schon bisher zur Deckung der laufenden Bedürfnisse der Familie verwendet worden.

Dagegen erhob der Kindesvater Einspruch, das Rekursgericht hob den angefochtenen Beschluss (teilweise) auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Nach dem Rekursgericht sei zu berücksichtigen, dass der Kindesvater in den Jahren 2021 und 2022 keine Leistungen aus dem Vertrag erhalten habe und ihm daraus auch keine Pflichtverletzung anzulasten sei.

Der wiederum vom Minderjährigen erhobene Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof stellte die Entscheidung des Erstgerichts wieder her. Nach dem Obersten Gerichtshof ist bei Zuwendungen von Familienangehörigen zu unterscheiden. So sind bloß freiwillig geleistete, jederzeit widerrufliche Zuwendungen von Familienangehörigen, die ohne rechtliche Verpflichtung aus familiären Gründen erbracht werden, nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Hingegen erhöhen Zuwendungen an den Unterhaltspflichtigen, auf die er einen Rechtsanspruch hat, die Bemessungsgrundlage.

Dass sohin auch der vertragliche Anspruch des Kindesvaters auf 50.000 Euro jährlich in die Bemessungsgrundlage einbezogen wird, obwohl diese Zahlungen in den Jahren 2021 und 2022 nach den Angaben des Kindesvaters nicht geleistet wurden, erklärte der Oberste Gerichtshof mit dem Verhalten eines pflichtgetreuen Elternteils. Er hätte sohin zur Leistung auffordern müssen und diese gegebenenfalls gerichtlich geltend machen, solcherart Bestrebungen zum Geldeserhalt wurden vom Kindesvater nicht vorgebracht.

Was alles zählt

Es wurde somit klargestellt, dass nicht bloß Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit für die Bemessung des Unterhalts relevant sind und vertragliche Ansprüche, wie im vorliegenden Fall, tunlichst einbringlich zu machen sind. Anzumerken sei abschließend, dass eine Anrechnung von Vermögenszuwendungen nicht in sämtlichen Fällen in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen ist. Es kommt vielmehr darauf an, ob das Vermögen auch tatsächlich angegriffen wird, andernfalls zählt dieses zum Vermögensstamm, welcher die Bemessungsgrundlage grundsätzlich nicht erhöht. Dieser muss erst dann angegriffen werden, wenn ansonsten die Deckung des Durchschnittsbedarfs des Kindes gefährdet wäre. (Julia Andras, 25.8.2023)