Zugegeben, man kann die Projekte an zwei Händen abzählen. Entsiegelung im großen Stil gibt es in Österreich noch nicht. Dennoch gehen einige Gemeinden mit konkreten Projekten einen Weg mit Vorbildwirkung. Sie verwandeln Parkplätze in Parks, pflanzen Bäume und verschmälern Straßen. Oder zumindest werden bestehende Plätze und Radwege wasserdurchlässig gemacht – um bei Starkregen die Kanäle zu entlasten. Diese Gemeinden tragen damit zum Klimaschutz bei und machen das Leben für die Bürgerinnen und Bürger attraktiver, auch wenn manche anderorts wieder zubetonieren.
Insgesamt ist die Bilanz in Österreich nach wie vor ernüchternd, jeden Tag werden neue Flächen im Ausmaß von elf Hektar versiegelt – für Einfamilienhäuser, Straßen, Einkaufszentren oder Hotels. Immer noch wird großflächig Grünland in Bauland umgewidmet, weil in vielen Gemeinden ein nachhaltiges Planungskonzept fehlt. Wie groß die Versiegelung pro Kopf ist, zeigt diese Grafik:
Neuerdings steigt immerhin das Bewusstsein und es gibt Gemeinden, die gegensteuern und der Natur Flächen zurückgeben. Doch warum geschieht das Entsiegeln nicht öfter? Es kostet Geld, macht mehr Arbeit, und häufig fehlt das Bewusstsein. Expertinnen kritisieren zudem, dass es hierzulande keine bundesweite Entsiegelungsstrategie und Förderung gibt, anders als etwa in der Schweiz oder in Bayern, wo dafür bereits Millionen in die Hand genommen werden. In einzelnen Bundesländern gibt es allerdings finanzielle Unterstützungen für Entsiegelungsprojekte, etwa in Nieder- und Oberösterreich. Dennoch sind die hier vorgestellten Gemeinden noch Pioniere in Österreich.
Mödling
Als eine der ersten Gemeinden Österreichs hat Mödling das Schwammstadtprinzip umgesetzt. Dabei liegen faustgroße Steine im Untergrund, wodurch Regenwasser nicht mehr über die Kanalisation abgeleitet werden muss, sondern vor Ort versickern kann und gespeichert wird. Die Stadt saugt sich sozusagen voll wie ein Schwamm und gibt das Wasser bei Hitze wieder ab. Das verhindert Überflutungen und gibt außerdem großen Bäumen Platz, um Wurzeln zu schlagen. "Gefühlt hat es in diesen Straßen zehn Grad weniger", sagt Marita Widmann, Referatsleiterin Planung in Mödling.
Einige Meter weiter hat die Stadt zudem aus einer fünfstrahligen Kreuzung einen Stadtteilplatz gemacht und mittels Bürgerbeteiligung umgestaltet. Dort stehen jetzt Möbel, es gibt Wasserelemente, Spiele, Radwege und Flächen für Märkte und Feste. Zahlreiche Bäume und Stauden wurden gepflanzt und Beläge aus Kies verwendet, damit das Wasser besser versickern kann.
"Die Verwaltung muss die Ideen geben, und die Politik muss mitspielen", sagt Widmann und erklärt, dass auch die Pflege aufwendiger wird – denn Grünflächen machen mehr Arbeit als Asphalt.
Tulln
Der Nibelungenplatz ist ein zentraler Ort der Stadt Tulln, direkt vor dem Rathaus. Dennoch war er in den letzten Jahren nur eines: ein Parkplatz mit 236 Stellplätzen. Nun ändert sich das. Nachdem im Jahr 2021 die Bevölkerung über das Ausmaß der Umgestaltung abstimmen konnte, wird aktuell bereits gebaut, und bis Juni 2024 soll der neue Platz fertig sein.
Künftig wird es nur mehr 55 Parkplätze geben und Pflastersteine, durch die Wasser abfließen und Grün wachsen kann. Spielen, verweilen, arbeiten, sporteln, Feste feiern – all das soll auf den Platz künftig möglich sein. Stadtplanerin Daniela Allmeier, die das Projekt begleitet, ist froh über den politischen Mut der Stadt, die gute Zusammenarbeit mit der Verwaltung und darüber, dass so viele Menschen für das Projekt brennen.
Amstetten
Der Hauptplatz in Amstetten gab zuletzt ein trostloses Bild ab: Er war zu 95,5 Prozent versiegelt, sämtliches Regenwasser floss in den Kanal, und nur sechs Bäume gab es auf dem ganzen Platz.
Doch das ändert sich aktuell, denn seit April wird der Platz umgestaltet. 35 Prozent der Fläche werden dann entsiegelt sein und 70 Prozent des Regenwassers in die Schwammstadt abgeleitet. Außerdem werden 40 neue Bäume auf dem Platz und 36 Bäume im Straßenraum gepflanzt. Die Stadtgemeinde habe sich laut Landschaftsarchitektin Marion Tatzber eine Neuorganisation des Verkehrs gewünscht sowie mehr Aufenthaltsqualität. Ausgewählt wurde letztlich der Entwurf mit dem meisten Grün, sagt Tatzber und ist froh, dass in Amstetten "alle an einem Strang ziehen".
Ober-Grafendorf
Breite, versiegelte Straßen sorgen für Überflutungen bei Starkregen, sind im Sommer Hitzeinseln und laden Autofahrer zum Rasen ein. Aus diesen Gründen wurde in der Buchenstraße in Ober-Grafendorf auf 100 Meter Länge die Fahrbahn verschmälert, um mehr Platz für Grünraum zu schaffen.
Und das ist noch nicht alles. Auch mit ihrem Hauptplatz, der direkt an einer Bundesstraße liegt, waren die Bewohnerinnen von Ober-Grafendorf schon länger unglücklich. Also wurde der Platz schließlich unter Einbeziehung der Bürgerinnen erneuert und entsiegelt. Auch hier wurde der Straßenraum verkleinert, und neue Bäume wurden gepflanzt. Was früher nur ein Parkplatz war, ist jetzt ein Hauptplatz mit mehr Aufenthaltsqualität, der auch das Potenzial hat, den Ortskern neu zu beleben.
Wieselburg
Eine 6.000 Quadratmeter große Fläche in der Nähe des Bahnhofs, die eigentlich für Wohnbau reserviert war, wurde von der Stadtgemeinde Wieselburg von Bau- auf Grünland rückgewidmet. Dort steht nun der Wieselburger Stadtwald, in dem es ein kleines Feuchtbiotop, Felsenhaufen für Eidechsen und heimische Gehölze gibt – außerdem Sitzgelegenheiten, einen Bücherschrank sowie Bewegungsgeräte.
Auf einem weiteren Grundstück in der Nähe, das die Gemeinde langfristig gepachtet hat, wurden Firmengebäude abgerissen und ein Ökoparkplatz errichtet. Die asphaltierten Flächen wurden aufgerissen, Bäume gepflanzt und Sickermulden geschaffen. Die dort entstandenen Parkflächen sind wasserdurchlässig.
Auch wenn viele sich beim Gedanken an einen Parkplatz Betonwüsten vorstellen – so müssen Stellplätze heute nicht mehr aussehen. Wenn versickerungsfähiges Oberflächenmaterial genutzt wird, etwa Schotter oder Pflastersteine, durch die sogar Pflanzen wachsen, können Parkflächen auch klimafreundlich sein. Zwar wird in Wieselburg anderswo immer noch neu gebaut – doch mit so wenig Versiegelung wie möglich, sagt Bauamtsleiter Thomas Lichtenschopf.
Wels
Direkt an der Traun in Wels wird ein ehemals als Messegelände genutztes, zehn Hektar großes Areal in einen Park verwandelt. Baustart soll im Jahr 2025 sein. Derzeit sind 65 Prozent der dortigen Fläche versiegelt, nun wird ein Großteil davon rückgebaut. Die Hallen werden abgerissen, der Zugang zur Traun ermöglicht, 200 neue Bäume gepflanzt, im Untergrund wird eine Schwammstadt errichtet, und sogar das Aushubmaterial wird wiederverwendet, erklärt Landschaftsarchitekt Dominik Scheuch, dessen Büro die Planung übernimmt.
"Die Stadt Wels zeigt damit, dass sie das Thema Entsiegelung wirklich am Schirm hat. Für Oberösterreich, das von allen Bundesländern am stärksten versiegelt ist, ist dieses Projekt wirklich ein Statement", sagt Scheuch. (Bernadette Redl, 29.8.2023)