Osterruhe wurde der Lockdown im April 2021 genannt. Alle Geschäfte und Cafes waren zu. Auf dem Wiener Graben bei der Pestsäule, wo sonst Gedränge herrscht, waren kaum Menschen. 
Gähnende Leere, keine Touristen auf dem Graben in Wien. Und vor allem: Hotels, Geschäfte und Gaststätten geschlossen. Die Corona-Lockdowns rissen Löcher in die Bilanzen, die vom Staat gestopft wurden – bisweilen mehr als notwendig.
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Bei den noch immer ausständigen Corona-Hilfen drängt die Zeit. Bis längstens 30. September müssen Förderwerber neue Anträge bei der Covid-19-Finanzierungsagentur Cofag einbringen, um fast ein Jahr nach Ablauf der ursprünglichen Antragsfrist doch noch zu Geld zu kommen. Ob alle bis dato "on hold" stehenden Anträge neu eingebracht werden müssen, steht noch nicht fest, weil die dazugehörige Verordnung des Finanzministeriums noch nicht vorliegt. Es dürfte aber kein Weg daran vorbeiführen.

Diese Verordnung, mit der frühere Covid-19-Hilfszahlungen EU-konform gemacht, also repariert werden müssen, ist innerhalb der Koalition allerdings noch nicht einmal abgestimmt, auch der Beschluss des Ministerrats fehlt. Einige Eckpunkte, auf die sich die Unternehmen einstellen sollten, zeichnen sich laut STANDARD-Recherchen bereits ab. Denn Finanzministerium und Europäische Kommission haben sich vor zwei Wochen auf einen "Schadensausgleich" verständigt – DER STANDARD berichtete.

Wie kann ein solcher Schadensausgleich nun erfolgen? Etwa indem Geschäfts- oder Gewerbetreibende alle Corona-Hilfen, die die während der Lockdowns oder Zutrittsbeschränkungen tatsächlich erlittenen Verluste übersteigen, zurückzahlen (müssen).

Höchstgrenzen

Das klingt einfacher, als es vermutlich ist. Denn zu berücksichtigen ist, dass diese Unternehmen seinerzeit möglicherweise andere Hilfsinstrumente in Anspruch genommen hätten, wären die nun – spät, aber doch – gemäß EU-Wettbewerbsrecht eingezogenen Höchstgrenzen damals bekannt gewesen, sagt ein mit der Materie vertrauter Insider.

Damit ist klar: Es geht vor allem um Konzerne und verbundene Unternehmen, also Betriebe, die zwar gesellschaftsrechtlich getrennt, aber über einen oder mehrere gemeinsame Eigentümer verbunden sind. Sie, respektive ihre Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, müssen prüfen, ob im Lichte des nun geschlossenen Deals mit der EU andere Hilfen aus dem befristeten EU-Beihilfenrahmen oder die eigens geschaffenen Notfallshilfen besser gepasst hätten. Ist das der Fall, könnten betroffene Unternehmen auf die anderen Hilfsinstrumente umswitchen und so drohende Rückzahlungen möglicherweise reduzieren. Jedenfalls ist für einen solchen Schritt ein neuer Antrag zu stellen, diesfalls unter Beibringung zusätzlicher Unterlagen und jedenfalls mit einem Attest des Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers.

Alle Benefits auf den Tisch

Nachweisen müssen Fördernehmer überdies, ob sie tatsächlich alles unternommen und mit anderen Hilfs- oder Versicherungsleistungen gegengerechnet haben, um den Schaden durch die mehrfachen Lockdowns zwischen 16. März 2020 und 31. März 2022 erlittenen Umsatzeinbrüche und Verluste möglichst gering zu halten. Auch die Benefits der vor allem im ersten Jahr sehr großzügig bemessenen Kurzarbeitshilfe seien in Abzug zu bringen, schreibt die Kommission in ihrem Papier zum Schadensausgleich, das am 16. August veröffentlicht wurde.

Rückforderungen scheinen somit unvermeidlich. Daran ließ das Finanzministerium bereits nach der Verkündigung der Einigung vor zwei Wochen wenig Zweifel. Ob und in welchem Ausmaß die Millionen zurückfließen werden, lässt sich freilich nicht abschätzen. Es geht um die noch ausständigen bis zu 750 Millionen Euro an Corona-Hilfen, die noch immer nicht abgefertigt wurden.

Rund 4000 Fälle

Betroffen sind insgesamt rund 4000 Fälle, teilt die Cofag auf Anfrage des STANDARD mit. Sie lassen sich grob in zwei Lager teilen: einmal die offenen Anträge, die erst nach dem 30. Juni 2022 erstmals eingereicht wurden und damit nach Ansicht der EU-Wettbewerbskommission jedenfalls zu spät dran waren. Der befristete EU-Corona-Beihilfenrahmen endete am 30. Juni 2022, danach hätte Österreich Anträge auf Verlustersatz III und Ausfallsbonus III gar nicht mehr annehmen dürfen. Das Volumen aus diesem Titel gibt die Cofag mit rund 150 Millionen Euro an.

Ein dickerer Fisch sind jene Hilfsgelder, die aufgrund von Überschreitungen der beihilferechtlichen Grenzen im Unternehmensverbund bis dato nicht ausbezahlt werden durften. Sie belaufen sich auf rund 540 Millionen Euro. Diese Summe beruhe "auf derzeit festgestellten beihilferechtlich relevanten Unternehmensverbünden, die auf Basis der aktuell vorliegenden Informationen identifiziert werden konnten", wird seitens der Cofag betont.

Millionen unter der Lupe

Nicht auszuschließen, dass weitere hinzukommen. Denn das Finanzministerium und die EU-Kommission haben vereinbart, dass ex post geprüft wird, und zwar in Form von Einzelfallprüfungen, insbesondere von Unternehmen, deren Hilfen zehn Millionen Euro übersteigen, oder Unternehmen mit einem Jahresgewinn ab 50 Millionen Euro, wie es im Papier der EU-Wettbewerbskommission heißt.

Die obengenannten Zahlen stellten eine Momentaufnahme dar. Sie seien "unter dem Vorbehalt der Übermittlung sämtlicher angeforderter Selbstauskünfte und finalen Prüfung der exakten Zusammensetzung des Unternehmensverbundes zu verstehen", so die Cofag. Nach finaler Prüfung und allfälligen weiteren notwendigen Kürzungen aufgrund allgemeiner Antragsvoraussetzungen könnte das Volumen höher oder niedriger ausfallen.

Mehr als 7000 Anträge offen

Von insgesamt mehr als 1,3 Millionen Anträgen seien aktuell 7282 offen, das entspreche 0,5 Prozent, betonte die Cofag am Freitag. Insgesamt betrage das Volumen aller noch offenen Anträge an die Cofag rund 900 Millionen. Es geht somit deutlich über die 750 Millionen hinaus, über die mit Brüssel gestritten wurde. Zu den Hauptbetroffenen gehört der Verlustersatz III: Von 4994 Anträgen sind 2211 ausbezahlt, das sind 51,38 Millionen (oder 23 Prozent) von beantragten 222,6 Millionen Euro. (Luise Ungerboeck, 26.8.2023)