Manch einer ist verleitet, aus den jüngsten Interviewaussagen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mögliche territoriale Zugeständnisse herauszulesen. Aber sieht man sich die Passage genau an, klingt es mehr nach der Zurschaustellung ukrainischer Stärke denn nach Schwäche: "Wenn wir die administrativen Grenzen der Krim erreichen, wird es möglich sein, politisch die Entmilitarisierung Russlands auf der Halbinsel Krim voranzutreiben."

Wolodymyr Selenskyj
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj lässt mit einer Aussage aufhorchen, in der er eine politische Lösung für die Krim andeutet.
AFP/Ritzau Scanpix/Mads Claus Rasmussen

Im Grunde richtet Selenskyj dem Kreml also aus, dass man schon bald vor der Krim zu stehen gedenkt und sich die Russen dann freiwillig schleichen können, bevor sie militärisch vertrieben werden. Selenskyj weiß, dass auch die Ukraine bei dem Versuch massive Verluste erleiden würde. Angreifen ist schwieriger als Verteidigen. Deshalb stellt er die politische Lösung in den Raum. Schließlich konnte sich Russland auf der annektierten Halbinsel seit 2014 eingraben. Aber die Motivation in der Ukraine zur Rückeroberung ihres rechtmäßigen Territoriums ist ungebrochen hoch. Die Motivation, Putin sein Prestigeobjekt Krim wieder zu entreißen, ungleich höher.

Völkerrechtlich ist alles klar: Die Krim ist Teil des ukrainischen Staatsgebiets. De facto zweifelte vor Februar 2022 aber kaum jemand daran, dass Moskau dort das Sagen hatte. Dass nun über die Zukunft der Krim diskutiert und vielleicht irgendwann verhandelt wird, ist ein Zeichen der Schwäche Moskaus. Ein Schlamassel, das sich Putin selbst eingebrockt hat. (Fabian Sommavilla, 28.8.2023)