Der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva, der chinesische Präsident Xi Jinping, der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa, der indische Premierminister Narendra Modi und der russische Außenminister Sergei Lavrov zeigen beim Brics-Gipfeltreffen in Johannesburg neue Einigkeit.
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Einige Jahre war es ruhig um die Gruppe, ihr Comeback feiert sie mit einem umso lauteren Knall. Auf ihrem Gipfeltreffen in Südafrika vergangene Woche zeigten die Brics-Staaten, dass sie zunehmend an Gewicht aufbauen – und die Dominanz westlicher Staaten einbremsen wollen.

Im ersten Schritt heißt das: wachsen. Aus Brics, bislang bestehend aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, wird bald Brics plus. Auf ihrem Gipfel gaben die Staaten bekannt, sechs neue Mitglieder aufzunehmen. Argentinien sowie Ägypten, Äthiopien, der Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate werden mit Anfang 2024 Teil des losen Bündnisses. Damit vertritt es über die Hälfte der Weltbevölkerung – weit mehr als die Industriestaatengruppe G7.

"Diese Erweiterung ist historisch", so der chinesische Präsident Xi Jinping. "Sie zeigt die Entschlossenheit der Brics-Länder zur Einheit und Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern im weiteren Sinne."

Zweifel an den Währungs-Plänen

Xi gilt als entschlossenster Befürworter der Erweiterung – er will aber zusammen mit den weiteren Brics-Staaten noch deutlich weiter gehen, sogar eine eigene Brics-Währung schwebt ihnen vor. Sie soll dem US-Dollar Konkurrenz machen. "Bis jetzt glaube ich nicht an dieses Projekt", kommentiert der Ökonom und Direktor der Deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik, Guntram Wolff. "Der chinesische Präsident will in dieses Projekt investieren. Aber allein der Blick auf Chinas bestehende Kapitalverkehrskontrollen zeigt, wie schwierig das wird."

Eine gemeinsame Währung einzuführen war selbst in Europa heikel – für so heterogene Volkswirtschaften wie jene der Brics-Staaten dürfte ein solches Vorhaben noch deutlich schwieriger sein. "Realistischer wäre ein gemeinsames Wechselkurssystem", meint Wolff. Doch mit einem Mitglied wie Argentinien mit seiner rasenden Inflation sei auch das fraglich. Schließlich müsse das System stabil gehalten werden. "Unabhängig von den Plänen haben die Brics-Länder aber natürlich ein riesiges Gewicht auf dem Markt. Die USA und die EU müssen die Entwicklungen ganz genau verfolgen", so Wolff.

"Erdrutsch" für internationale Politik

Eine der ersten Reaktion auf den Vorstoß kommt vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron. In einer Rede vor Diplomatinnen und Diplomaten unterstrich er am Montag: Es brauche mehr Mut zu neuen Formaten für die Zusammenarbeit zwischen europäischen und aufstrebenden Staaten wie Indien, Brasilien und Südafrika. Schon im Juni hatte er zusammen mit der Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, dazu einen Gipfel in Paris veranstaltet. Dort wurde eine Reform debattiert, mit der ärmere Staaten besseren Zugang zu finanziellen Ressourcen bekommen sollen – unter anderem mithilfe einer Umstrukturierung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank.

Auch für Wolff ist klar: Die USA und die EU müssten anderen Staaten bessere Angebote machen. Indien wie auch Brasilien und afrikanische Staaten bräuchten etwa dringend Finanzierung für ihre Energiewende. Dazu gibt es bereits Energiepartnerschaften, kurz JETPs, bei denen ein reicherer Staat einen ärmeren, kohleabhängigen Staat unterstützt. Doch ähnliche Instrumente müssten viel stärker ausgebaut werden, so Wolff.

Um zu sagen, was der Brics-Beitritt für die neuen Mitglieder bedeuten werde, sei es noch zu früh, sagt Johannes Waldmüller, Politikwissenschafter an der Universität Wien. Jedenfalls habe die Ankündigung einen "Erdrutsch" für die internationale Politik gebracht, zumal sich viele neue Mitglieder an zentralen Transportrouten befinden. Umso dringender müsse sich die EU Gedanken über Themen wie Rohstoffimporte machen. "Dazu wird die EU immer stärker mit regionalen und überregionalen Blöcken verhandeln müssen und weniger mit einzelnen Ländern", so Waldmüller. Das Gewicht in Verhandlungen habe sich mit dem jüngsten Gipfel der Brics "schlagartig verwandelt". (Alicia Prager, 30.8.2023)