Damit hatte fast niemand mehr gerechnet: Die Regierung hat sich angesichts der durch die Inflation stark gestiegenen Mieten doch noch auf eine Mietpreisbremse geeinigt, nachdem Diskussionen darüber im Frühjahr noch im Sand verlaufen waren. Mit April stiegen die Richtwerte in Altbauwohnungen daher um 8,6 Prozent, die Kategoriemieten sind zuletzt im August um 5,5 Prozent gestiegen. Und im Neubau, in dem die Mieten meist ebenfalls an die Inflation gekoppelt sind, wurden die Mieten bereits bis zu viermal erhöht.

Zinshäuser im achten Wiener Bezirk
Der geplante Mietendeckel gilt für die meisten Altbauwohnungen, Mieterinnen im Neubau haben nichts davon.
Putschögl

Frage: Wie genau sieht der Mietendeckel aus?

Antwort: Für die kommenden drei Jahre, also von 2024 bis 2026, soll der Anstieg der Mieten auf fünf Prozent pro Jahr begrenzt werden. Danach soll eine einmalige Erhöhung der Miete pro Jahr möglich sein – im Umfang des Mittelwerts der Inflation der letzten drei Jahre. Damit sollen etwaige Ausreißer geglättet und extreme Mietanstiege in Zukunft verhindert werden.

Die Maßnahme für die kommenden drei Jahre wird zunächst einmal die Kategoriemieten betreffen. Die Kategoriebeträge müssen immer erhöht werden, sobald die Inflationsrate die Fünf-Prozent-Marke (seit der letzten Anhebung) überschreitet. In einer bestimmten Konstellation – abhängig etwa davon, ob es heuer noch eine Anhebung geben wird oder nicht – könnte das Mieterinnen und Mietern mit einem (alten) Kategoriemietvertrag eine Anhebung im kommenden Jahr ersparen. Es kommt darauf an, wie das nun konkret im geplanten "3. Mietrechtlichen Inflationslinderungsgesetz" stehen wird.

Zuletzt kam es wegen des starken Anstiegs der Zinsen in bestimmten gemeinnützigen Wohnanlagen zu sehr hohen Mietpreissteigerungen. Offenbar ist auch geplant, dies künftig zu unterbinden – per Eingriff ins Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG).

Im Fall der Richtwertmieten dürfte die nächste Anhebung, die für April 2025 vorgesehen ist, damit dem Vernehmen nach nun auf maximal fünf Prozent beschränkt werden - dafür ist gleich im darauffolgenden Jahr 2026 wieder eine Mieterhöhung in der Höhe von maximal fünf Prozent möglich, weil auf ein jährliches Modell umgestellt wird. Ab 2027 wird dann für die Erhöhung der Mittelwert der letzten drei Jahre herangezogen.

Video: Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) präsentierten am Mittwoch den Mietpreisdeckel.
APA

Frage: Werden die Richtwertmieten dann also ab sofort jährlich erhöht?

Antwort: Zunächst offenbar nicht, es dürfte beim Zweijahresrhythmus bis 2025 bleiben. Danach ist die schon erwähnte Umstellung auf geglättete Anhebungen geplant: jährliche Anhebung, aber im Ausmaß der durchschnittlichen Inflation der letzten drei Jahre.

Frage: Gilt der Mietendeckel für alle Mietverhältnisse?

Antwort: Nein, freifinanziert errichtete Neubauten werden davon nicht erfasst – was für viele Mieterinnen und Mieter im Neubau, deren Mieten zuletzt mehrfach angehoben wurden, schlechte Neuigkeiten sind. Gedeckelt werden lediglich die Richtwert- und Kategoriemieten, die im Altbau und in manchen Gemeindebauten bezahlt werden, sowie die Mieten in Genossenschaftswohnungen. Der Richtwert ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Er wurde zuletzt im April erhöht und liegt in Wien derzeit bei 6,67 Euro pro Quadratmeter – dazu kommen aber noch diverse Zu- und Abschläge. Rund 776.000 Menschen sind von einer Erhöhung der Richtwertmieten betroffen.

Die Kategoriemieten sind am Mietmarkt eigentlich nur noch eine Randerscheinung, rund 230.000 Menschen leben in solchen Mietverhältnissen. Sie werden dann bezahlt, wenn der Mietvertrag zwischen 1982 und Februar 1994 unterzeichnet wurde, und liegen aktuell bei 4,47 Euro in der Kategorie A. Genossenschaftsmieten wiederum müssen kostendeckend sein und unterscheiden sich daher je nach Herstellungskosten und laufenden Kosten. Sie sind aber deutlich günstiger als Marktmieten und ebenfalls an die Inflation gekoppelt.

Rund 49 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher leben zur Miete, also rund 4,4 Millionen Menschen. Etwa eine Million haben Mietverhältnisse, in denen Richtwert- oder Kategoriemieten zur Anwendung kommen.

In Neubauwohnungen können die Vermieter die Miethöhe nach Belieben festlegen. In den allermeisten Mietverträgen befindet sich im Neubau zudem eine Wertsicherungsklausel, mit der die Miete an den Verbraucherpreisindex (VPI) gekoppelt ist. In der ist geregelt, dass ab einer bestimmten Schwelle – es sind meist drei oder fünf Prozent – auch die Miete erhöht werden darf. Ein Problem sind im Neubau aber auch die vielen befristeten Mietverträge, die für Wohnungssuchende in den letzten Jahren Realität geworden sind – und bei neu abgeschlossenen Verträgen würde ein Deckel ohnehin nicht greifen.

Frage: Um wie viel sind die Mieten denn insgesamt zuletzt gestiegen?

Antwort: Die Richtwerte werden unter normalen Umständen alle zwei Jahre erhöht. Aufgrund der Pandemie wurde die Erhöhung 2021 aber ausgesetzt und fand erst wieder 2022 statt. Ein Jahr später, im heurigen April, wurden die Richtwerte dann regulär erneut erhöht – und zwar inflationsbedingt um saftige 8,6 Prozent. Im Schnitt müssen alle, die Richtwertmiete zahlen, damit rund 500 Euro pro Jahr mehr an Miete bezahlen. Mit der Erhöhung aus dem Jahr 2022 sind die Richtwertmieten somit um 15 Prozent teurer als noch vor zwei Jahren.

Auch der Kategoriemietzins ist an die Teuerungsrate gekoppelt, hier steigen die Mieten, wenn eine Fünf-Prozent-Hürde überschritten wird. Das war mit Juli wieder der Fall – und damit zum vierten Mal in den letzten eineinhalb Jahren. Insgesamt sind die Kategoriemieten seither um fast ein Viertel gestiegen.

Frage: Kanzler Nehammer rechnet mit bis zu 15 Prozent Mieterhöhung im geförderten Wohnbau im kommenden Jahr. Ist das denn überhaupt realistisch?

Antwort: Grundsätzlich ist ein derartiger inflationsbedingter Mietanstieg unwahrscheinlich – beim Wifo rechnet man für das kommende Jahr mit einer Inflation von 4,8 Prozent. Die Jahresinflationsrate 2022 betrug 8,6 Prozent, aktuell sinkt sie, und das dürfte so weitergehen. Auch bei gemeinnützigen Bauträgern herrscht hinsichtlich Nehammers Sager deshalb Ratlosigkeit. Es handle sich um eine pauschalisierte Aussage, urteilt Herwig Pernsteiner vom Verband Gemeinnütziger Bauvereinigungen (GBV). Im gemeinnützigen Wohnbau arbeite man nach dem Kostendeckungsprinzip, die Inflation habe darauf keinen Einfluss. Zuletzt kam es wegen des starken Anstiegs der Zinsen in bestimmten gemeinnützigen Wohnanlagen aber sehr wohl zu sehr hohen Mietpreissteigerungen, teilweise ächzten Bewohnerinnen und Bewohner unter einem Plus von 20 Prozent und mehr.

Frage: Was kann ich tun, wenn ich mir meine Miete nicht mehr leisten kann?

Antwort: Soziale Organisationen berichten seit Anfang des Jahres von einem regelrechten Ansturm von Menschen, die sich ihre Wohnkosten nicht mehr leisten können. Ratsam ist laut Fachleuten, sich genau durchzurechnen, wie hoch die monatlichen Ausgaben sind, und im Fall des Falles frühzeitig Kontakt zur Vermieterin und der Hausverwaltung aufzunehmen und zu betonen, dass man bereits an einer Lösung arbeite. Finanzielle Unterstützung können, je nach Bundesland, Wohn- und Mietbeihilfen bringen. Manche Gemeinden bieten außerdem weitere Beihilfen zum Wohnen an. In Wien wird es ab Herbst zudem die neue Förderschiene Wiener Wohnungssicherung Plus geben. Der Fördertopf ist mit 20 Millionen Euro gefüllt, damit sollen 70 Prozent der Mietrückstände besonders vulnerabler Personengruppen, die vom Verlust ihrer Wohnung bedroht sind, übernommen werden. Für den Rest, so der Plan, soll eine Ratenzahlung vereinbart werden.

Organisationen wie Volkshilfe, Caritas und Arbeiterkammer bieten zudem Beratungsgespräche an – auch wenn die Wartezeit derzeit mitunter etwas länger ist. Sie haben einen Überblick über andere Förderschienen, die im Akutfall angezapft werden können. Ein Fördertopf ist beispielsweise der Wohnschirm der Bundesregierung, mit dem seit März 2022 4.700 Haushalte und mehr als 10.000 Menschen mit 15 Millionen Euro unterstützt wurden.

Frage: Was hat die Regierung bisher gegen die steigenden Mieten unternommen?

Antwort: Kritikerinnen und Kritiker meinen: nicht sehr viel. Angesichts der steigenden Richtwerte gab es bereits im Frühjahr Verhandlungen in der Regierung über einen Mietendeckel. Die ÖVP wollte damals aber auch einen Entfall der Grunderwerbsteuer beim ersten entgeltlichen Kauf eines Eigenheims bis zum Wert von 500.000 Euro durchbringen, was wiederum am Widerstand der Grünen scheiterte. Stattdessen wurde im März ein Wohnkostenzuschuss in der Höhe von 225 Millionen Euro an Miet- und Heizkostenzuschüssen zusätzlich für einkommensschwache Haushalte beschlossen. Auch der Wohnschirm der Bundesregierung, der für Mietrückstände während der Corona-Pandemie aufgespannt worden ist, wurde mehrfach aufgestockt und auf Rückstände bei Energie- und Betriebskosten ausgeweitet.

Frage: Wie schätzen Expertinnen und Experten und Mieterschutzorganisationen die Maßnahme jetzt ein?

Antwort: Eine gute Maßnahme – aber zu spät und angesichts der Aussparung des Neubausegments nicht treffsicher, so urteilt etwa Michael Klien vom Wifo über den Mietendeckel. Die große Anpassung der Mieten sei mit den Richtwerten im Frühjahr bereits erfolgt. Die Regierung erkaufe sich damit nun Zeit – für die nächste Legislaturperiode sei aber ein neues Mietrecht einer der wichtigsten Punkte für die Regierung. Die Mietervereinigung befürchtet in einer Aussendung, dass die Teuerung "weiterhin mit voller Wucht" bei Neubauwohnungen durchschlagen wird. Logischerweise ähnlich argumentierte Wifo-Chef Gabriel Felbermayr in der "ZiB2".

ZIB 2: WIFO-Leiter zum Mietpreisdeckel
ORF

Frage: Gab es in der Vergangenheit bereits Eingriffe in gesetzlich vorgesehene Mietanpassungen?

Antwort: Immer wieder. 2008 wurde die – damals noch jährliche – Anpassung der Richtwerte angesichts der Teuerungen ausgesetzt, wenig später stellte man auf einen Zwei-Jahres-Rhythmus um. Auch 2016 und im Corona-Jahr 2021 wurde politisch eingegriffen.

Frage: Wie geht es jetzt weiter?

Antwort: Der Entwurf für das 3. Mietrechtliche Inflationslinderungsgesetz wurde am Mittwoch im Parlament eingebracht und soll am 1. Oktober in Kraft treten. Teile der Novelle werden eine Zweidrittelmehrheit brauchen, SPÖ oder FPÖ müssten zustimmen. Ob das Gesetz also je umgesetzt wird, ist offen. Denn aus der SPÖ kamen am Mittwoch ablehnende Stimmen, Parteichef Andreas Babler sprach von einem "Schmähdeckel". In der FPÖ will man sich den vorgelegten Gesetzestext genau ansehen und bis zur Abstimmung im September entscheiden. (Martin Putschögl, Bernadette Redl, András Szigetvari, Franziska Zoidl, 30.8.2023)