Die Videoszene ist nur kurz, nicht länger als drei Sekunden. Unterlegt mit alarmistischen Worten – "Wir erkennen, wie der Zeitgeist unsere Heimat und unsere Traditionen für eine multikulturelle Dystopie opfert" – wird im neuen, von rechtsextremen Inhalten durchsetzten Werbevideo der Freiheitlichen Jugend bei Sekunde 51 der Aufmarsch einer volkstümlichen Musikkapelle eingeblendet.

Die Männer tragen Lederhosen, die Frauen Dirndln. Angeführt werden sie von einem Buben und einem Mädchen. Diese halten ein Wappen in den Händen. "Marktmusik Telfs" ist darauf zu lesen. Das Tiroler Musikerdefilee scheint für die Freiheitliche Jugend Österreich gut ins heimattreue Image zu passen, das sich die Freiheitliche Jugend hier zu geben versucht.

Szene aus dem FPÖ-Video
Diese Szene aus dem FPÖ-Video stößt den Telfer Musikerinnen und Musikern bitter auf.
YouTube/FPÖ TV

"Österreichs Jugend, die vorangeht!" heißt das filmische Machwerk, das die Parteijugend mit dem neuen Namen (ehemals Ring Freiheitlicher Jugend) und alten Inhalten seit drei Tagen im Netz verbreitet, wobei die Facebook-Seite der Bundespartei es als Erste veröffentlichte.

Kapelle distanziert sich "nachdrücklich"

Allein, die gefilmten Musikerinnen und Musiker wollen mit dem Video nichts zu tun haben. Die Aufnahme sei 2013 beim Bezirksmusikfest im Tiroler Hatting entstanden, wer sie gemacht habe, sei unbekannt, schreibt die Marktmusikkapelle Telfs auf Facebook. Von "Inhalt und Botschaft dieses Videos" distanziert sich die Kapelle "NACHDRÜCKLICH". Die Musikgruppe sei "ein unpolitischer und gemeinnütziger Kulturverein. Sie will und wird sich nicht für politische Propaganda verwenden lassen!"

DER STANDARD sprach mit dem Tiroler Anwalt, der die Kapelle vertritt. Dieser bestätigte, dass seine Kanzlei rechtliche Schritte gegen die blaue Jugendorganisation prüft. "Wenn wir damit fertig sind, werden wir das mit dem Vorstand der Kapelle besprechen", so der Rechtsanwalt.

Gleich nach der Sequenz mit der Kapelle aus Telfs, die seit 1761 besteht, folgen im besagten Video Bilder der brennenden Kathedrale Notre-Dame de Paris. Das ist insofern bemerkenswert, als in rechtsextremen Kreisen die Verschwörungserzählung ventiliert wird, islamistische Terroristen hätten die Kathedrale anno 2019 in Brand gesteckt. Die Pariser Staatsanwaltschaft ermittelte als Brandursache einen Unfall bei Renovierungsarbeiten.

Identitäre und Junge Freiheitliche "verschmelzen"

Derzeit sorgt in der Innenpolitik vor allem das immer offensichtlicher zur Schau tretende "Verschmelzen" der rechtsextremen Identitären, deren Symbole in Österreich seit zwei Jahren verboten sind, und der FPÖ-Jugend für Sorge. Eine Nähe zwischen der Parteijugend und den Identitären gibt es freilich schon seit Jahren. Doch Bundesparteichef Herbert Kickl, der wie Udo Landbauer selbst in dem Video vorkommt, hat die offizielle Distanz der Partei unter Norbert Hofer aufgegeben.

In dem Video kommen Männer aus dem identitären Kader vor. Überraschend ist dies nicht, da sie längst auch eine Rolle in der Partei spielen. Etwa Elias Schuch, der zum Kader der Identitären gehörte und seit Juni Obmann der Freiheitlichen Jugend im Bezirk Korneuburg ist. Peter Aschauer ist Generalsekretär der Freiheitlichen Jugend und schreibt für das Leitmedium der Identitären, den Heimatkurier.

Verfassungsschutz hält sich bedeckt

Im Video werden politisch Andersdenkende persönlich angeprangert. Wie aus Kreisen der Betroffenen zu erfahren war, prüft auch der Staatsschutz das Video. Auf offizielle Nachfrage des Standard bei der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) heißt es aber nur, dass man "verschiedene Personen und Gruppierungen, die möglicherweise extremistische oder verfassungsfeindliche Aktivitäten verfolgen", zwar analysiere, aber keine Auskünfte zu Erhebungen konkreten Gruppen erteile.

Aus der FPÖ hieß es zu allfälligen DSN-Prüfungen: "Wenn ein knapp zweieinhalb Minuten langes, harmloses Video einer Jugendorganisation dafür schon ein Anlass ist, zeigt das nur eine sehr fragwürdige Prioritätensetzung dieser Staatsschutzbehörde auf." (Colette M. Schmidt, Irene Brickner 30.8.2023)