Der gestern von der türkis-grünen Regierung angekündigte Mietendeckel hat die gemeinnützige Wohnungswirtschaft, die davon ebenfalls umfasst ist, völlig unvorbereitet getroffen. Auch jene Vertreter der Gemeinnützigen, die sich der Arge Eigenheim und damit der ÖVP zurechnen, wussten vorab nicht darüber Bescheid. Mehr noch: Die Regelung trifft dort auf völliges Unverständnis.

Eine gemeinnützige Wohnanlage in Wien-Donaustadt.
Eine gemeinnützige Wohnanlage in Wien-Donaustadt.
STANDARD

So konnte man sich einerseits überhaupt nicht erklären, wie Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) auf die Zahl von 15 Prozent kam. Laut Nehammer drohten im gemeinnützigen Sektor demnächst Mieterhöhungen in diesem Ausmaß, das würde die Inflation hergeben. Das wäre zwar grundsätzlich richtig, nur: "Das System der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft ist unabhängig von der Inflation", erklärt Herwig Pernsteiner, Obmann der Innviertler Genossenschaft ISG und für die Arge Eigenheim Mitglied im Bundesvorstand des Verbands der Gemeinnützigen (GBV), dem STANDARD. "Ich bin selbst verwundert, es ist mir unklar, wie das zustande kommt." Per se habe die Inflation keinen Einfluss auf den Mietpreis bei den Gemeinnützigen; "die einzigen Faktoren bei uns sind der Finanzierungszinssatz und der Kapitalmarkt".

Video: Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) präsentierten am Mittwoch den Mietpreisdeckel
APA

"Deckel trifft die Falschen"

Doch das ist bei weitem nicht das Einzige, was die Gemeinnützigen am neuen Mietendeckel stört. Denn er betrifft, wie berichtet, hauptsächlich Mieterinnen und Mieter in ohnehin bereits preisgeregelten Altbauwohnungen (Richtwertmieten, Kategoriemieten) sowie ausgerechnet auch die gemeinnützige Wohnungswirtschaft. Entsprechend geharnischt fiel auch eine Aussendung des Gemeinnützigenverbands am Mittwochnachmittag aus.

"Die Marktmieten der gewerblichen und privaten Vermieter dürfen weiter ungebremst steigen", heißt es darin. Doch die Gemeinnützigen, "die bereits heute maßgeblich zur Entlastung eines großen Teils der Bevölkerung beitragen", würden nun zusätzliche Beschränkungen bekommen – wo für sie doch ohnehin das Kostendeckungsprinzip gemäß Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) gelte, wie Pernsteiner sagt. Das heißt: "Die Gemeinnützigen dürfen nur die Kosten verrechnen, die tatsächlich anfallen." In den Jahren 2009 bis 2022 seien ihre Mieten um 42 Prozent gestiegen, während es bei gewerblichen und privaten Anbietern laut GBV-Aussendung rund 59 Prozent waren.

"160 Millionen Euro fehlen"

"Mit der heute bekanntgegebenen Maßnahme werden der Neubau von leistbaren Wohnungen und die Sanierung des Altbestandes zunehmend unmöglich", heißt es im Verband. Und Bundesobmann Klaus Baringer, der dem Verein für Wohnbauförderung und damit den roten Genossenschaftern angehört, ging im Ö1-"Morgenjournal" noch einen Schritt weiter: "Ein Paradebeispiel dafür, wie man dem österreichischen Modell des gemeinnützigen Wohnens zielsicher ins Knie schießen kann", sei diese Regelung aus Sicht des Verbands. Dem gemeinnützigen Wohnbau würden damit jährlich nun mehr als 160 Millionen Euro "für dringend erforderliche Neubau- und Sanierungsmaßnahmen" fehlen.

Einmal mehr verlangt Baringer deshalb, "zum Ausgleich dieser Lücke sowie der sprunghaft gestiegenen Bau- und Finanzierungskosten", Zweckzuschüsse des Bundes für die Wohnbauförderung, Haftungsübernahmen des Bundes für Kapitalmarktdarlehen sowie die Schaffung eines Bundesfördertopfes für Dekarbonisierungsmaßnahmen. Das alles sei "dringend erforderlich". (zof, mapu, 31.8.2023)