Menschen, die auf der Terrasse des Gasthauses Häuserl am Roan sitzen.
Höhenstraße, renoviert: Das Häuserl am Roan, ein Ausflugsgasthaus mit Aussicht auf Wien, wurde von Grund auf saniert.
Gerhard Wasserbauer

Die Höhenstraße empfiehlt sich Fahrwerksentwicklern seit Jahrzehnten als Härteteststrecke ersten Ranges. Der katastrophale Straßenzustand hat längst das Zeug zur Touristenattraktion, in der Hauptstadt eines der reichsten Länder der Welt schon gar. Noch dazu, wo sich in ihrem Verlauf auch noch Ausflugsgasthäuser in ähnlich historisch zerleppertem Zustand reihen, wo Gastro-Archäologen noch echte Artefakte (Ribiselwein! Pfirsichspritzer! Gefülltes Knoblauchschnitzel!) bergen können. Die eine oder andere Lokalruine wurde in den vergangenen Jahren zwar geschliffen und, vereinzelt, als Neo-Retroadresse neu aufgebaut, generell aber wird hier – bis hin zu speziellen "Seniorenkarten" – noch unerschrocken rückwärtsgewandt gekocht.

Das Häuserl am Roan war die längste Zeit auch so ein Fall. Wer dieser Tage den Fußweg über die Salmannsdorfer Höhe aus Sievering hier herauf nimmt, hat aber nicht nur einen Spaziergang durch prachtvollen, vorherbstlichen Laubwald, sondern auch eine echte Überraschung vor sich. Das Ausflugsgasthaus wurde von einem jungen Gastronomenpaar übernommen, mit Sinn für Qualität von Grund auf saniert und hat seit ein paar Wochen wieder geöffnet.

Franz Mayer-Heinisch, der Am Roan gemeinsam mit Sophie Baumgartner betreibt, hat das Kochen bei Mraz & Sohn und Konstantin Filippou gelernt. Und er war, noch bei Julian Lechner, Sous-Chef im Kandl – einer der lässigsten Adressen der Stadt. So etwas weckt natürlich Erwartungen. Der Blick von der Terrasse ist noch derselbe, ansonsten aber wurde im Häuserl fast alles neu: Doppelkastenfenster vom Tischler, gegossener Boden, Holztische und im Netz zusammengesuchte Bestuhlung, eine massive, auf Vollauslastung ausgelegte neue Schank – aber, wo er noch gehalten hat, auch der alte Bretterfußboden von früher. Unter den alten Linden ist die Terrasse jetzt aus Holz, statt mächtiger Markisenkonstruktionen gibt es sandfarbene Sonnenschirme. Die Speisekarte ist natürlich auch ein bisserl anders.

Schnitzel, die an einem lauen Spätsommerabend nur so aus der Küche geschossen kommen, sind vom Bioschwein, auf Wunsch aber nach wie vor mit Pommes. Wär schade, der Erdäpfelsalat kann es wirklich. Auch das Backhendl ist bio, vor dem Panieren in Buttermilch mariniert, dementsprechend saftig. Es wird auf Wunsch auch im Brioche-Burger-Bun samt Rotkraut-Coleslaw und Chilimayonnaise serviert, die jungen Leute mögen das.

Linsen in einem orientalisch angemachten Salat mit Gurken, Paprika und Karfiol-Pickles.
Linsen in einem orientalisch angemachten Salat mit Gurken, Paprika und Karfiol-Pickles.
Gerhard Wasserbauer

Hier ist Wienerwald, also spielt auch Wildschwein eine Rolle auf der Karte. Mayer-Heinisch ist selbst Jäger und weiß mit dem zur Trockenheit neigenden Fleisch umzugehen: Löffelweich geschmort wird es einerseits in Frühlingsrollen gepackt, mit Gurken-Kimchi und köstlich herben Preiselbeeren serviert. Und andererseits als würziges, mit Ingwer, Sternanis und gerösteten Erdnüssen aufgeladenes Sugo über Udon-Nudeln geschöpft: ziemlich unwiderstehlich nach dem Herbstspaziergang – vor allem, wenn die dicken Nudeln ein bisserl bissfester wären.

Groß im Gemüse

Vegetarisch ist hier aber mindestens so wichtig: souverän abgeschmecktes Beet Tartare aus Roten Rüben etwa, animierend gewürzt, mindestens so verlockend wie die fleischliche Variante. Oder dreierlei zart bissfeste Linsen in einem orientalisch angemachten Salat mit Gurken, Paprika und Karfiol-Pickles – eine große Schüssel Hülsenfrüchte, die mit jedem Happen neue Nuancen offenbart (siehe Bild). Pilz-Beuschel aus Eierschwammerln und Shitake würde in der Blindverkostung eher als Schwammerlgulasch identifiziert – egal, wunderbar cremig und knackig zugleich ist es so oder so, die butterig angebratenen Serviettenknödel dazu zart knusprig, innen flaumig.

Ein unkompliziertes, der Tradition verpflichtetes, zur Welt offenes neues Ausflugswirtshaus hoch über Wien: Vielleicht können wir uns mit dem Fahrenlassen aller Hoffnung doch noch ein wenig Zeit lassen. (RONDO, Severin Corti, 8.9.2023)