Im Gastblog betrachten Thomas Hofmann, Geologe und Bibliothekar, und die Historikerin Christa Hammerl von der Geosphere Austria die Geschichten von Menschen am Sonnblick und das Auf und Ab des Observatoriums.

Heute werden am Sonnblick Observatorium (SBO) mehr als 30 meteorologische Parameter gemessen. Ein Blick auf das dazugehörige Datenportal zeigt das breite Spektrum der hier rund um die Uhr automatisch erfassten Daten der Atmosphäre, der Kryosphäre (Stichwort: Permafrost) und der Biosphäre. Dazu kommt die seismische Messstation (SOSA) unter dem Gipfel, die Bewegungen der Lithosphäre aufzeichnet. Der Forschung stehen Echtzeitdaten und historische Zeitreihen ausgehend von ersten manuellen Ablesungen im Jahr 1886 zur Verfügung.

Vom Bergbau zur Meteorologie

Beim ersten Internationalen Meteorologenkongress 1873 in Wien wurde die IMO (Internationale Meteorologische Organisation), Vorläuferin der WMO (World Meteorological Organization) gegründet. Beim nächsten Kongress 1879 in Rom stand die Erforschung höherer Luftschichten im Raum. Julius von Hann (1839 bis 1921), Direktor der k. k. Central-Anstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus (später: ZAMG; heute: Geosphere Austria), wurde aktiv. Er hatte die Notwendigkeit permanenter Beobachtungsstationen im Hochgebirge erkannt. Die damals existierenden Stationen am Obir (2.044 Meter) in Kärnten und am Schafberg (1.776 Meter) in Oberösterreich, sollten durch eine neue Station am Hohen Sonnblick in über 3.000 Meter Höhe ergänzt werden.

Porträts von Ignaz Rojacher, Julius Hann
Ignaz Rojacher aus Kolm Saigur (Salzburg) realisierte am Hohen Sonnblick Julius Hanns Vision einer Hochgebirgswetterstation.
Sonnblickverein / GeoSphere Austria.

Ein kühner Gedanke in einer Zeit, als die Erschließung der alpinen Hochgebirgsregionen noch in der Frühphase war. In der Person von Ignaz Rojacher (1844 bis 1891), der seit 1876 den Goldbergbau in Kolm Saigurn (Pinzgau, Salzburg) am Nordhang des Hohen Sonnblicks betrieb, fand der Visionär Hann einen Macher. Der technikaffine Rojacher, vulgo "Kolm Naz", und seine hochgebirgserfahrenen Knappen errichteten die Station.

Hochgebirgswetterstation Observatorium Hoher Sonnblick
Die fast fertige Hochgebirgswetterstation im Sommer 1886 auf dem Hohen Sonnblick auf 3.106 Meter.
Sonnblickverein.

Der Alpenverein übernahm die Kosten für das Holzhaus am Berggipfel. Die Österreichische Meteorologische Gesellschaft (heute: ÖGM) kümmerte sich um die Finanzierung des gemauerten Anemometer-Turms in 3.106 Meter Höhe, die Telefonleitung vom Gipfel via Kolm Saigurn zum 25 Kilometer entfernten Rauris, sowie um die Instrumente. Das nötige Geld kamen durch Sammlungen zustande; Kaiser Franz Joseph I. trug 500 Gulden bei.

Mit dem Erzwagen bergauf

Für die Bezwingung des Gipfels stand die bergmännische Infrastruktur Rojachers, ein Schrägaufzug bis auf 2.100 Meter Seehöhe, zur Verfügung. Bei der Eröffnung des Observatoriums, am 2. September 1886 beförderte die Bahn auch die weit angereisten Gäste. "In den Erzwagen lagen je zwei Festgäste auf dem Boden, die begleitenden Führer, Knappen oder die sonst mit diesem Transport Vertrauten, standen auf den Balken, welche die Gestellsrahmen des Wagens bildeten; sie neigten sich wohl auch über die Insassen des Wagens, wenn es sehr steil in die Höhe ging und schnitten dadurch den etwas unheimlichen Blick in die Tiefe ab", beschreibt Generalmajor Albert Edler von Obermayer (1844 bis 1915), langjähriger Präsident des Sonnblickvereins, die abenteuerliche Fahrt nach oben.

Albert Obermayer, historischer Schrägaufzug, Hoher Sonnblick
Generalmajor Albert Edler von Obermayer, langjähriger Präsident des Sonnblickvereins, erinnerte sich an abenteuerliche Fahrten mit dem Erzwagen.
Sonnblickverein.

Die Versorgung der Beobachterstation, die in der Frühzeit von Bergknappen Rojachers betrieben wurde, war eine stete Herausforderung: "Bei dem vierten und letzten Aufstieg am Sonnblick, den ich mit Rojacher Mitte September des Jahres 1886 unternahm, waren die Vorräthe so ziemlich ausgegangen, es wurden infolgedessen Pflanzeln [Dialekt: für faschierte Laibchen] in Wasser gekocht, bestehend aus Mehl, etwas Fett und jährigem, geselchtem Bockfleisch." Rojacher hatte zwar gleich gesagt: "gut is nöt, aber essen kann ma's", so Obermayer. Ab 1887 war die Kulinarik am Berg besser – die Verpflegung wurde täglich hinaufgetragen.

Zittelhaus Hoher Sonnblick
Schon bald bekam das Sonnblick Observatorium an dessen Westseite mit dem Zittelhaus einen Zubau für Touristinnen und Touristen.
AKON / onb.ac.at.

Die Station verfügte neben einem Beobachterzimmer auch über eine Gelehrtenstube. Im Dachboden gab es zwei Zimmer mit je vier Betten für Touristinnen und Touristen, die Möblierung hatte der Österreichische Touristenklub beigestellt. Westlich bekam das Observatorium mit dem Zittelhaus, benannt nach dem Münchner Paläontologen Karl Alfred von Zittel (1839 bis 1904), der von 1886 bis 1888/89 Präsident des Alpenvereins war, einen Zubau für Touristinnen und Touristen.

Wissenschaftliche Fragestellungen

Einige Monate vor der Eröffnung des Observatoriums skizzierte der Meteorologe Josef Maria Pernter (1848 bis 1908) die wissenschaftliche Infrastruktur am Hohen Sonnblick. "Die laufenden Beobachtungen werden am Barometer, Thermometer, Hygrometer, Regen- und Schneemesser und der Windfahne angestellt werden. Der Beobachter wird telephonisch mit Kolm-Saigurn und Rauris in Verbindung stehen und von da wird täglich seine Morgenbeobachtung der Centrale in Wien telegraphisch mitgetheilt." Neben dem permanenten Monitoring und der Datenlieferung nach Wien bot die Station auch Gelegenheit "für alle jene Forscher, welche für kürzere oder längere Zeit in dieser freien, reinen Höhe ihren Aufenthalt nehmen wollen, um Fragen der Wissenschaft zu lösen, die nur auf hohen Gipfeln, in reiner Luft beantwortet werden können." (Das Vaterland, 16. Mai 1886). Diese Zeilen Pernters, der 1897 als Nachfolger Hanns Direktor der "Zentralanstalt" in Wien wurde, gelten im Wesentlichen bis zum heutigen Tag.

Pernter, der unter anderem die Windverhältnisse am Sonnblick auswertete und sich mehrmals länger im Sonnblickobservatorium für Forschungen aufhielt, publizierte seine Erfahrungen auch in der renommierte Zeitschrift Nature (17. Juli 1890) unter dem Titel "A Winter Expedition to the Sonnblick". Das Sonnblick-Observatorium rückte damit ins Bewusstsein der internationalen Community. Diese Bekanntheit wurde später zu einem Überlebensfaktor der Station.

Josef Maria Pernter Anemometerturm Hoher Sonnblick
Der Meteorologe Josef Maria Pernter wertete 1891 die mit dem Anemometer am Turm des Sonnblick Observatoriums gemessenen Windverhältnisse aus.
GeoSphere Austria / Sonnblickverein.

Die wichtige Rolle des Sonnblickvereins

Zunächst finanzierten die Österreichische Gesellschaft für Meteorologie (ÖGM) und der Alpenverein den laufenden Betrieb des Observatoriums. Doch der Finanzierungsmix erwies sich bald als zu wenig nachhaltig. Im Sommer 1888 regte Pernter an "einen spiciellen [sic!] Sonnblickverein zu constituiren, der sich aus touristischen und wissenschaftlichen Interessenten bilden sollte und durch eine kleine jährliche Mitgliedstaxe im Stande wäre, alle Existenzsorgen unserer Lieblingsstation zu beseitigen." (Das Vaterland, 14. Juli 1888). Bis zur konstituierenden Generalversammlung des Sonnblickvereins im Grünen Saal der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien sollte es noch dauern. Am 18. Dezember 1892 war es so weit. Als Präsident wurde Albert Edler von Obermayer gewählt, unter den Mitgliedern der ersten Stunde, die mit Beiträgen von zwei Gulden pro Jahr die Grundlage für die Finanzierung des Observatorium lieferten, war auch der Geograf und Meteorologe Wladimir Köppen (1846 bis 1940) aus Hamburg.

Folgt man der Reichspost vom 21. März 1902, ging Pernter am Beginn des 20. Jahrhunderts in Sachen Sicherung des Sonnblickobservatoriums einen Schritt weiter. Er schlug vor, "bei der Unterrichtsverwaltung [=Unterrichtsministerium] Schritte einzuleiten, damit die Sonnblick-Station in die Pflege des Staates übernommen werde."

Von den Kriegsjahren zum Kongress 1922

Während des Ersten Weltkrieges wurde es eng. Der Verlust von Mitgliedsbeiträgen durch Austritt, Tod oder Einrücken und die Versorgung der Station mit Lebensmitteln waren kaum zu bewältigen. Im zweiten Kriegsjahr hungerten die Menschen. "Das ganze Tal hinein herrschte empfindlicher Mangel an Mehl, Brot, Fett und Fleisch, Eiern, Erdäpfeln und Milch, Dingen, die sonst die Kost des Beobachters ausmachten, sich aber nun auf die Entfernung kaum beschaffen ließen. Jeder hatte drunten schließlich mit sich selber zu tun und konnte sich wenig um den Beobachter oben kümmern." In dieser Not schickte die ZAMG in Wien "mehrere Kisten Konserven und Militärzwieback", die allerdings "bei dem Mangel an Fahrwerk und Trägern" nur mit größten Mühen und Kosten auf den Berg gebracht werden konnten (Jahresbericht Sonnblickverein 1915). Im nächsten Jahr half die ÖGM aus.

 Felix Maria Exner und Alfred Wegener
1922 sorgte Felix Maria Exner mit einem Kongress auf dem Hohen Sonnblick für Schlagzeilen, mit dabei war auch der Physiker und Meteorologe Alfred Wegener.
© GeoSphere Austria / WIKIPEDIA Gemeinfrei.

Im Oktober 1922 sorgte der damalige Direktor der ZAMG, Felix Maria Exner (1876 bis 1930), mit einer "zwanglosen Meteorologenzusammenkunft" für Schlagzeilen. Unter den 28 Gästen aus Deutschland, Skandinavien, Holland, Ungarn und Österreich waren auch drei Frauen. Erwähnt sei Else Wegener, Ehefrau von Alfred Wegener (1880 bis 1930). Er hatte 1912 mit der Arbeit "Die Entstehung der Kontinente", die Theorie der Kontinentaldrift begründet. Else war die Tochter von Wladimir Köppen, einem frühen Förderer des Sonnblicks. Sie erinnert sich an "drei unvergeßliche Tage" (14. bis 16. Oktober) und hält in der Biographie Wegeners (1960) fest: "Wir drei Frauen, die wir mit heraufgekommen waren, saßen vor dem Zittelhaus und staunten in diese Schönheit hinaus, während die Männer brav im Zimmer Vorträge hörten."

Exner nennt Details von drinnen, "es mag dies der erste Fall gewesen sein, daß in einer wissenschaftlichen Versammlung der Vortragende in Hemdärmeln und Pantoffeln vor seinem Auditorium stand und ihm an der Tafel die zum Trocknen ausgehängten Stiefel und Strümpfe um das gelehrte Haupt baumelten." Doch die Wissenschafter hatten ihre Freude. "Am Abend wurde sogar getanzt, nicht nur auf österreichisch, sondern auch auf norwegisch und ungarisch." (Neue Freie Presse, 2. November 1922). Neben unvergesslichen Erinnerungen für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer brachte die Tagung auch ansehnliche Spendenbeiträge seitens der internationalen Wissenschaftsgemeinde.

"Wiener Kinder retten Sonnblickobservatorium"

Erfolgte während des Zweiten Weltkriegs die Versorgung mit Trägern, begann nach Kriegsende der Bau einer Materialseilbahn. 1946, als es mit der Versorgung eng wurde, rief man die amerikanischen Besatzungsmächte zu Hilfe. Douglas-Transportmaschinen warfen fünf Tonnen Kohle zum Heizen, mehr als 500 Kilogramm Nahrungsmittel und Treibstoff für den Generator ab (Die Weltpresse, 15. November 1946). 1947 war die Materialseilbahn fertig. Als es Probleme gab, halfen im April 1949 erneut Flugzeuge aus ("Eine Luftbrücke für zwei Mann"; Neue Zeit, 27. April 1949). Im Sommer stand die Materialseilbahn vor dem Aus, der Betrieb des Observatoriums war fraglich. "Sonnblick-Observatorium vor Auflösung" titelte der Wiener Kurier am 28. Juli 1949.

„Der Sonnblick ruft“ Filmplakat und Buchcover
"Der Sonnblick ruft" löste 1951 als Buch und 1952 als Film eine österreichweite Welle der Solidarität und Unterstützung aus. 2011 erlebte das Buch eine Neuauflage.
© Österreichische Nationalbibliothek [Digital] / Rupertus Verlag.

Was dann folgte, war eine einzigartige Crowdfunding-Aktion, eine österreichweite Kampagne für die Wissenschaft. Treibende Kraft war der Wiener Lehrer Josef Bendl (1914 bis 1984). Er konnte in der schweren Zeit der Besatzung Kinder motivieren, durch unzählige kleine Spenden zur Rettung des Observatoriums beizutragen, wie der Wiener Kurier vom 25. Februar 1950 mit seiner Schlagzeile über die Rettung des Observatoriums verkündete. Bendl schrieb auch das Buch "Der Sonnblick ruft" (1951), das 1952 verfilmt (Regie: Eberhard Frowein, Uraufführung 8. April 1952 in Wien) und als Klassiker der Jugendliteratur 2011 neu aufgelegt wurde. Er löste eine Welle der Solidarität aus. Bis zum Sommer 1951 hatte der "Verein zur Erbauung einer Material-Seilbahn auf den Sonnblick" rund 100.000 Schilling gesammelt. 1953 ging sie in Betrieb und wurde in den 1980er Jahren saniert.

Die internationale Klima- und Umweltforschungsstation

Im 21. Jahrhundert wurde und wird das Messprogramm stetig erweitert. Das Monitoring folgt internationalen Messprogrammen und Standards, koordiniert werden sie von der WMO (World Meteorological Organization), der Weltwetterorganisation. 2016 wurde das Observatorium innerhalb der ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik) eigenständig und bekam mit der Erdsystemwissenschaftlerin Elke Ludewig, die ab 2014 das meteorologische Observatoriums der Neumayer-Station in der Antarktis geleitet hatte, eine ambitionierte Chefin. Damit war die Verantwortung über Personal, Infrastruktur, Monitoring und Wissenschaft in einer Hand. Wissenschaftlich führte dies zur internationalen Stärkung des Observatoriums. Im Bereich Infrastruktur begann die Ära Ludewig mit der Planung und Erneuerung der alten Sonnblick-Seilbahn. 2018 wurde sie samt sicherer Personenkabine eröffnet.

Sonnblick Observatorium Messplattform Vogelperspektive
Aus der Vogelperspektive ist die Anordnung der zahlreichen Messgeräte auf der Messplattform des Sonnblick Observatorium gut zu überblicken.
GeoSphere Austria_Weyss.

Das Observatorium ist integriert in europäische Forschungsinfrastrukturnetzwerke, wie dem langfristigem Ökosystemprogramm LTER (Long-Term Ecosystem Research in Europe) oder ACTRIS (Aerosol, Clouds and Trace Gases Research Infrastructure), wo es unter anderem um Aerosole geht. Sie trägt zum GAW-Programm (Global Atmosphere Watch) der WMO, wo die Atmosphäre im Mittelpunkt steht, bei. Am Hohen Sonnblick befindet sich auch das europäische Zentrum von ECCIN (European Center for Cloud ambient Intercomparison), einem Forschungsprogramm über Wolkeneigenschaften.

Mit Mai 2022 wurde die Infrastruktur des Sonnblick Observatoriums vom Sonnblick Verein an die ZAMG, die mit 1. Jänner 2023 zur Geosphere Austria wurde, übergeben. Damit kam – 120 Jahre nach Pernters Vision – die höchste Wetterstation des Landes in staatliche Obsorge. (Thomas Hofmann, Christa Hammerl, 12.9.2023)