Im Gastblog analysiert Rechtsanwältin Piroska Vargha anhand eines konkreten Falles, wie das Kontaktrecht zu gestalten ist, wenn die Elternteile in verschiedenen Ländern leben.

Wenn Ehen oder Lebensgemeinschaften enden, ergeben sich oftmals auch örtliche Veränderungen der Kindeseltern oder haben bereits vor der Trennung bestanden. Wenn der andere Elternteil lediglich in einen anderen Ortsteil zieht, scheint die Problematik hinsichtlich der Abholung gemeinsamer Kinder, um dem Kontaktrecht entsprechend nachzugehen, verschwindend gering. Dieses wird mit zunehmender örtlicher Trennung umso größer. Wie zu verfahren ist, wenn der andere Elternteil in einer anderen Stadt, einem anderen Bundesland oder – wie im vorliegenden Fall – sogar in einem anderen Land sesshaft geworden ist, beschäftigte unlängst den Obersten Gerichtshof.

Mädchen sitzt in Flugzeug
Leben die Eltern weit voneinander entfernt, sind auch wirtschaftliche und organisatorische Faktoren bei der Ausübung des Kontaktrechts zu beachten.
Getty Images/damircudic

Das Recht auf persönliche Kontakte ist ein Grundrecht der Eltern-Kind-Beziehung und steht unter dem Schutz von Art 8 EMRK und Art 9f UN-KRK. Es besteht im Übrigen auch unabhängig davon, ob den Eltern die gemeinsame Obsorge zukommt. Grundsätzlich hat der Kontaktberechtigte das Kind von dessen ständigem Aufenthalt abzuholen und dorthin zurückzubringen. Dass davon auch Ausnahmen bestehen können und jedenfalls stets auf die Umstände des Einzelfalls zu achten ist, zeigt die vorliegende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs.

Umzug in andere Staaten

Die Kindeseltern lebten mit den drei gemeinsamen Kindern zunächst in London, Großbritannien. Im Sommer 2021 zog die Kindesmutter samt Kindern nach Österreich, der Vater zog in die Schweiz, wobei er weiterhin einen Teil der Woche in London verbrachte, um dort seiner Arbeit nachzugehen. Der Umzug nach Österreich wurde im April 2021 von einem Londoner Gericht abgesegnet, es wurden Ferienkontakte zum Kindesvater vereinbart sowie die Wegteilung, ein Elternteil sollte den Weg zu Beginn des Ferienkontakts übernehmen, während der andere Elternteil den Rückweg bestreiten sollte.

Im März 2022 wandten sich die Eltern abermals an das Gericht, diesmal in Österreich, und beantragten die Neuregelung des Kontaktrechts, womit die zuvor in London getroffene Vereinbarung hinfällig wurde. Nach der Kontaktrechtsregelung des österreichischen Erstgerichts sollte "das Abholen und Zurückbringen der Kinder – soweit nicht vereinbart – mit gerichtlichem Beschluss entschieden werden". Der Antrag der Kindesmutter zielte darauf ab, dem Vater beide Wegstrecken aufzuerlegen, während der Kindesvater die Regelung des Londoner Gerichts beibehalten wollte, wonach der Kindesvater sowie die Kindesmutter jeweils eine Wegstrecke zu bestreiten hätten. Entsprechend der Grundregel sowie dem Antrag der Kindesmutter entschieden die Vorinstanzen, dass der Kindesvater den Hin- als auch den Rückweg von und zum Wohnort der Mutter übernehmen solle.

Ausnahme aufgrund von Praktikabilität

Diese Rechtsmeinung teilte der Oberste Gerichtshof nicht, er hob die Entscheidung der Vorinstanzen auf und wies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Zwar hat der Kontaktberechtigte das Kind grundsätzlich von dessen ständigem Aufenthalt abzuholen und dorthin zurückzubringen, es sind aber im Einzelfall Ausnahmen zu berücksichtigen. Da auf diese in den Entscheidungen der Vorinstanzen nicht eingegangen wurde, war die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuweisen. Zu beachten sind etwa wirtschaftliche und organisatorische Faktoren, die eine Regelung praktikabel machen. So etwa das bei weiteren Entfernungen vorhandene Transportproblem und der damit verbundene Zeit- und Kostenaufwand sowie berufliche Verpflichtungen der Eltern.

Dass das Recht nicht immer schwarz oder weiß ist, sondern es tatsächlich oft "darauf ankommt", zeigt sich auch in dieser Entscheidung und ist im Hinblick auf die Alltagstauglichkeit einer Kontaktrechtsregelung sehr zu begrüßen. Anstatt starr an Grundregeln festzuhalten, wird der Fokus auf das Wichtige gelegt – die Praktikabilität der Regelung und allem voran die Wahrung des Kindeswohls. (Piroska Vargha, 8.9.2023)