Manche Menschen wohnen dort, wo andere Urlaub machen, und freuen sich über die Vorteile, die das mit sich bringt. Andere leiden unter der Beliebtheit ihres Heimatorts bei Touristinnen und Touristen, weil es auf den Straßen laut ist, die Infrastruktur überlastet ist und die Preise hoch sind.

Weißensee Kärnten von oben
Der Weißensee wird immer beliebter, die Einheimischen arrangieren sich mit den Besucherinnen.
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"Die Einheimischen wissen es zuerst"

Karin Söls, Weißensee: "Ich lebe hier am Weißensee in einer Mietwohnung, die eigentlich zu groß und zu teuer für mich ist. Ich würde gerne eine kleine Wohnung oder ein Haus kaufen, aber es ist so schwer, was Passendes und Leistbares zu finden. Wenn etwas verkauft wird, wissen es die Einheimischen zuerst, ich wohne allerdings erst seit drei Jahren hier und bekomme diese Infos leider nicht. Es gibt irrsinnig viele Zweitwohnsitze, aber ich finde, dass sie auch gut genutzt werden - im Sommer und im Winter.

Der Weißensee wird immer beliebter, aber die Touristen, die herkommen, sind angenehm. Die meisten wollen nur entschleunigen. Ich verliebe mich jeden Tag neu in den Weißensee und danke dem Universum, dass ich hier gelandet bin."

Altstadt Dürnstein Wachau
Die Bewohnerinnen und Bewohner der Altstadt von Dürnstein ächzen unter den Besuchermassen.
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"Die glauben, das wäre ein Museum"

Eva Hörth, Dürnstein: "Wir sind eine der wenigen Familien, die noch in der Altstadt lebt. Wohnraum für Einheimische gibt es mittlerweile gar nicht mehr. Manchmal legen sechs Charterschiffe gleichzeitig an, das ist einfach zu viel. Der Lärmpegel ist fast den ganzen Tag unerträglich, alle Einheimischen sind genervt und wünschen sich eine bessere Verteilung der Touristenströme.

Die normalen Wanderer und Radfahrer sind nicht das Problem, aber denen ist das langsam auch zu viel Remmidemmi.

Manche Touristen denken, Dürnstein wäre ein Museum. Letztens haben sie bei einem Trauerzug nach einer Beerdigung Fotos und Videos gemacht und gefragt, wann die nächste Parade stattfindet. Langsam fehlen mir echt die Worte."

"Partytouristen kommen eher nicht"

Lukas*, Wien: "Gut ein Drittel der Wohnungen in diesem Haus wird bewohnt - der Rest steht entweder seit Jahren leer oder wird von unterschiedlichen Eigentümern an Urlauber vermietet. Die Gäste sind in der Regel entweder ältere Menschen oder Familien mit Kindern - Partytouristen kommen eher nicht.

Es gibt aber schon einige skurrile Geschichten. Einmal saß ich im Homeoffice und jemand versuchte vehement meine Wohnungstür zu öffnen - ein Gast hatte sich in der Tür geirrt.

Hausgemeinschaft gibt es bei uns keine, alles ist anonym, was es schwierig macht, Themen im Haus, die alle betreffen, schnell abzuklären. Dafür trifft man Touristen. Manche Begegnungen sind nett - aber ich hab nicht immer Lust, im Stiegenhaus Touristenführer zu spielen."

"Die Stadt fühlt sich internationaler an"

Arne Müseler, Salzburg-Stadt: "Ich fühle mich durch die vielen Touristen in meinem alltäglichen Dasein nicht belästigt oder eingeschränkt. Natürlich stehen durch den Massentourismus leider Wohnungen leer und die Preise sind höher, aber was Lokale betrifft, gibt es zum Glück viele Ausweichmöglichkeiten für uns. Die Stadt profitiert auch massiv von den vielen Besuchern, bekommt dadurch auch ihren Reiz und fühlt sich internationaler an. Es ist ja z. B. nicht selbstverständlich, dass eine Stadt dieser Größe einen Flughafen hat.

Beim Spazierengehen mit den Kindern sehe ich täglich die Sound-of-Music-Touren, wo 20 US-Amerikaner, die kaum Fahrradfahren können, mit lauter Musik und vom Glück beseelt durch die Stadt radeln. Ich finde das witzig."

"Charakter von Disneyworld"

Thomas*, St. Johann: "Ich wohne schon mein ganzes Leben in einem Nachbarort von Kitzbühel. Die Gegend ist durch den Tourismus reich geworden; jeder Bauer, der in der Nachkriegszeit ein Zimmer übrig hatte, hat daraus ein Fremdenzimmer gemacht. Wir profitieren alle von der guten Infrastruktur im Ort, die große Schattenseite ist aber die enorme Preissteigerung bei Immobilien. Junge können sich nichts mehr leisten, wenn sie nicht gerade das Elternhaus ausbauen können. Die Frage ist auch: Wem bringt der Tourismus Geld? Oft fühlt es sich an, als gäbe es einen großen Kuchen, von dem die meisten nur ein paar Brösel abkriegen. Das Gemeindeleben funktioniert dennoch - mancher Tiroler Abend hat aber auch einen gewissen Disneyworld-Charakter."

"Wohnungspreise explodieren"

Selina*, Salzburg-Stadt und Zell am See: "Überall auf der Straße stehen Busse, die da nicht stehen dürfen, das Verkehrsaufkommen ist extrem hoch, und die Wohnungspreise explodieren. Wohnraum wird hier das ganze Jahr über blockiert, weil dann im Sommer die Festspielgäste kommen. Poltergesellschaften kegeln um sechs Uhr früh auf der Straße, überall wird sich hinübergeben und uriniert. Eine Kollegin war seit 13 Jahren nicht mehr in der Altstadt, weil sie das nicht mehr aushält, wie sie sagt.

Ich kenne auch Zell am See gut, dort habe ich nach einer Wohnung gesucht und Angebote um 490.000 Euro für 45 Quadratmeter gefunden, das ist völlig abstrus. In dem Ort stehen auch ganze Straßenzüge leer, weil die Einheimischen raus gezogen sind. Das ganze öffentliche Leben verlagert sich in andere Ortsteile. Letztens wollte ich mit meinem Kind dort ins Hallenbad und kam nicht rein. Es ist kostenlos mit Gästekarte und war deshalb heillos überfüllt, natürlich leiden darunter auch die Einheimischen." (Bernadette Redl, Franziska Zoidl, 9.9.2023)