Der Bundespräsident hat das ORF-Gesetz inzwischen unterzeichnet und damit den ORF-Beitrag von allen ab 2024 formell fixiert. Der ORF bereitet gerade eine große Kampagne für Herbst vor, um die Umstellung auf eine Haushaltsabgabe mit Jahreswechsel zu erklären und um Verständnis dafür zu werben. Die Umstellung und die Kommunikation dazu wird kommende Woche auch das oberste ORF-Gremium beschäftigen.

Thomas Zach, Vorsitzender des Finanzausschusses im ORF-Stiftungsrat
ORF-Beitrag "interessiert Aufsichtsrat naturgemäß sehr": Thomas Zach, Vorsitzender des Finanzausschusses im ORF-Stiftungsrat.
Imago/Sepa Media/Martin Juen

Debatte um ORF-Beitrag

"Zurzeit scheint es ja, als würden alle die von der Bundesregierung gewählte Finanzierungsform massiv kritisieren – die Mitbewerber genauso wie viele Bürger und Unternehmer", erklärte der von der FPÖ in den ORF-Stiftungsrat entsandte Anwalt Niki Haas im STANDARD-Interview. Mit der Haushaltsabgabe "hat die Bundesregierung wohl die Variante gewählt, welche die größte Unzufriedenheit hervorruft", sagt Haas. FPÖ-Chef Herbert Kickl hat vielfach angekündigt, er wolle den ORF-Beitrag bei Regierungsbeteiligung gleich wieder abschaffen und den ORF, wesentlich reduziert, aus dem Bundesbudget finanzieren.

Die Umstellung auf den ORF-Beitrag – 15,30 statt derzeit 18,59 Euro monatlich für den ORF – sorgt regelmäßig für heftige Diskussionen in Medienforen. ORF-Generaldirektor Roland Weißmann hat angekündigt, das größte und öffentlich-rechtliche Medienunternehmen des Landes müsse zum "ORF für alle" werden, wenn schon alle für diesen ORF zahlen müssen. Übersetzt: Der ORF müsse allen etwas bieten.

Kampagne zu "ORF für alle"

Die Umstellung soll eine große Kampagne des ORF begleiten, die kommende Woche auch im Stiftungsrat Thema ist. Ebenso der von ORF-Chef Roland Weißmann ausgerufene Strategieprozess unter dem Motto "ORF für alle". Mit 2024 kann der ORF dank neuem Gesetz auch seine erweiterte Streamingplattform starten, die unter dem Arbeitstitel "ORF-Player" vorbereitet wurde. Wesentliche Plattform für dieses Angebot soll die blaue Nachrichtenseite ORF.at sein, wo Textangebote mit dem neuen Gesetz reduziert und durch mehr Videoangebote ersetzt werden. Als mögliche neue Namen für den ORF-Player wurde etwa intern "ORF On" diskutiert, vor dem Sommer wurde häufig "ORF Streamer" genannt. Die bisherige TVthek soll, optisch, funktional und technisch auf zeitgemäßeren Stand gebracht, in dieses Angebot integriert werden.

Thomas Zach, Sprecher der ÖVP-nahen Stiftungsräte, erwartet im Finanzausschuss am Montag und im Stiftungsrat am Donnerstag Berichte der Geschäftsführung über die Vorbereitungen zur Umstellung auf den ORF-Beitrag. "Das interessiert einen Aufsichtsrat naturgemäß sehr" – immerhin geht es um mehr als zwei Drittel der ORF-Finanzierung, "ein zentraler Punkt für die Liquidität des Unternehmens".

Was der ORF-Beitrag bringt

Der ORF ist mit rund einer Milliarde Euro Jahresumsatz schon bisher das weitaus größte Medienunternehmen in Österreich. Rund zwei Drittel kommen bisher aus GIS-Gebühren, für 2023 sind rund 676 Millionen Euro aus der GIS veranschlagt.

Ab 2024 wird der ORF-Beitrag für im Schnitt 710 Millionen Euro jährlich sorgen – wobei dieser im Gesetz als Obergrenze bis Ende 2026 fixierte Betrag ein Durchschnittswert ist. Der ORF dürfte nach eigenen Berechnungen 2024 682,8 Millionen Euro für die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags brauchen – und nur dafür darf er öffentliche Beihilfen wie den ORF-Beitrag bekommen. 2025 soll dieser Finanzbedarf laut Materialien zum neuen ORF-Gesetz 704,7 Millionen Euro erreichen und im Jahr 2026 742,5 Millionen Euro. Im Schnitt ergibt das die im Gesetz genannten 710 Millionen Euro.

Mit den rund 683 Millionen Euro aus dem ORF-Beitrag kalkuliert der ORF auch längst bei den Vorbereitungen für das Budget 2024. Über den Stand wird die ORF-Führung den Aufsichtsräten kommende Woche ebenfalls berichten. Finanzausschussvorsitzender Zach drängte das Management mit Erfolg dazu, den Budgetprozess früher zu beginnen und den Aufsichtsräten laufend zu berichten. "Mein bisheriger Eindruck ist ein sehr guter", sagt Zach über die Arbeiten am Budget 2024. "Gut, dass wir uns inzwischen gewohnheitsmäßig so frühzeitig mit dem Budget auseinandersetzen."

Geld für Programm

"Wie können wir Geld freimachen für Investitionen in jenen Bereich, von dem das Publikum am meisten profitiert", beschreibt Zach das Ziel. "Wo das Publikum am meisten profitiert, ist das Programm." Wesentlich sei das "im Lichte der gestiegenen Erwartungen des Publikums im Sinne eines ORF für alle, die sich aus dem ORF-Beitrag ergeben". Anders gesagt: Wenn schon alle zahlen müssen, sollen auch alle etwas dafür bekommen, mit dem sie etwas anfangen können.

"Strategisches Thema" im Stiftungsrat sei damit die Konzeption eines "ORF für alle". Die "bestmögliche Umsetzung dieser Strategie" liege in der Verantwortung jedes Mitarbeiters und jeder Mitarbeiterin, betont Zach. "Es ist besonders wichtig, die Kultur der Verantwortung im Unternehmen zu stärken", zitiert Zach ORF-General Weißmanns Vorgabe: "Das wird notwendig sein, um diesen ORF für alle bestmöglich umsetzen zu können".

Wehrschütz "für mich kein Thema"

Wird die Kritik an ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz nach zwei in falschem Zusammenhang in einem "ZiB"-Beitrag gezeigten Videos Thema im Stiftungsrat sein? Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter etwa verlangte zuletzt im STANDARD-Interview, Wehrschütz vorerst bis zur Klärung von Vorwürfen aus der Ukraine abzuziehen oder weitere ORF-Journalistinnen und -Journalisten in die Ukraine zu entsenden.

Ist Wehrschütz also Thema im Stiftungsrat? "Für mich nicht", sagt Zach im Gespräch mit dem STANDARD. "Alle Fragen der operativen Führung des Unternehmens sind Sache der operativen Führung und nicht eines Aufsichtsrats", sagt der von der ÖVP entsendete Stiftungsrat. "Die Geschäftsführung hat für sich die Kultur der Verantwortung bereits etabliert", stellt Zach fest: "Bis jetzt sind alle Themen im operativen Bereich rasch und effizient gelöst worden."

Nach STANDARD-Informationen könnte Wehrschütz' Akkreditierung in der Ukraine nicht verlängert werden. Der ORF erklärte dazu am Freitagabend, man habe diese beantragt, man hoffe auf deren Verlängerung.

Qualitätssicherung und Verlust 2023

Alljährlich im Stiftungsrat ist ein Bericht über Qualitätssicherung im ORF, den die ehemalige Schweizer SRG-Managerin Ingrid Deltenre als externe Sachverständige übernommen hat. Sie leitet auch eine Ethikkommission im ORF, die derzeit neue Compliance-Regeln etwa für Nebenbeschäftigungen und Social-Media-Aktivitäten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erarbeitet. Bei der jüngsten Sitzung soll es um verschärfte Regelungen für Nebentätigkeiten von ORF-Mitarbeitern gegangen sein.

Mit dem neuen ORF-Gesetz muss der ORF Einnahmen aus Nebentätigkeiten seines Personals ebenso offenlegen wie Gehälter – einerseits Mitarbeiterzahlen in einer Reihe von Gehaltsklassen, andererseits bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Bruttojahreseinkommen ab 170.000 Euro auch namentlich. Mit juristischen Beschwerden gegen diese Transparenzregeln – etwa des ORF-Betriebsrats – ist zu rechnen.

Im laufenden Budgetjahr fehlen dem Milliardenkonzern ORF noch einige Millionen auf ein ausgeglichenes Ergebnis. Im Sommer lag der ORF nach 17 Millionen Verlustprognose aus dem Frühjahr noch bei zwölf Millionen erwartetem Minus. Inzwischen soll die Lücke 2023 bei rund zehn Millionen Euro liegen.

Im Programmausschuss des Stiftungsrats sind etwa Ö3 und die ORF-Unterhaltung Thema – beide Bereiche haben mit Michael Pauser und Martin Gastinger neue Chefs. Berichtet wird im Stiftungsrat auch über Tiktok und Cybersicherheit im ORF. (fid, 10.9.2023)